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LEBEN: Pumpstation Enge im Ermstal holt Wasser auf die Alb
Lebensader
Alles Wasser verschwindet durch die poröse Alb blitzschnell ins
Tal. Seit 1920 aber holen die Menschen ihr flüssiges Gold zurück.
Die Pumpstation Enge brachte Lebensqualität.
Wasser, überall Wasser hier. Aus dem Quelltopf, am Wehr, im Zulaufrohr,
durch die Turbine, in den Ablaufgräben, in der seitlich vorbeifließenden
Erms, in den Druckrohren hinauf auf die Höhen.
Wasser
genug hier unten an der Pumpstation Enge der Wasserversorgungsgruppe
Vordere Alb. Aber in den Höhenorten, wo es dringend gebraucht
wurde, früher nicht. Eben dafür ist sie ja da, diese
Station, gebaut 1920. Gebäude wie aus dem Anker-Steinbaukasten. Tuffsteinmauern,
Fenstergewände aus Sandstein, derbe graugealterte Holzverkleidungen,
steile Biberschwanzziegeldächer. Das Haupthaus mit dem großen
Maschinensaal im Erdgeschoss, darüber die Wohnung für den Maschinisten,
ein Stück weiter über die große Wiese liegt das Nebengebäude
aus der Zeit, als die Stationswärter noch eine kleine Landwirtschaft
nebenher betrieben. Eine große alte Kolbenpumpe von 1920, als Wahrzeichen
aufgesockelt vor den Gebäuden, macht das Ensemble komplett.
Daran erkennt man dieses Pumpwerk auch, wenn man auf der Straße
zwischen Bad Urach und Seeburg daran vorbeifährt. Wenig weiter aufwärts
gibt es noch eines für Münsingen und Umgebung. Dieses hier sorgt
für Würtingen, für den Hochbehälter von Hengen, an
dem Wittlingen, Strohweiler, Grabenstetten, Erkenbrechtsweiler und natürlich
Hengen selbst mit dranhängen und für ganz Römerstein zusammen
mit Uhenfels und allen, die in Gruorn und den benachbarten Bereichen des
ehemaligen Truppenübungsplatzes noch Wasser brauchen.
Schön ruhig sei es hier, sagt Paul Schilling, der dieses Pumpwerk
noch betreut. Fast 35 Jahre ist er schon hier. Schön
ruhig, wenn man sich mal in der Wohnung an das ständige Brummen und
Stampfen der Aggregate gewöhnt hat. Außer, wenn die große
alte Kolbenpumpe von 1953 in Betrieb ist. Da haben sich zur Übernachtung
angemeldete Freunde der Schillings schon mal vorher erkundigt, ob die
in der Nacht wohl läuft. Wie gesagt: schön ruhig, etwas für
Einsamkeitssuchende und Genießer, aber kalt, saukalt sei es hier
in dem engen, winters kaum besonnten Tal, wo sich die Kaltluft sammelt.
Es ist ein Dienst fast rund um die Uhr und etwas für Tüftler
mit technischem Fingerspitzengefühl. Auf die laufenden Aggregate
achten, die Schmierung der Wellen kontrollieren, den Wasserstand in den
Hochbehältern kontrollieren, daraus schließen, welche Pumpen
arbeiten sollen. Wenn sie angefahren wird, darauf achten, dass die Turbine
behutsam anläuft, dass auch das Wasser vernünftig auf die abgehenden
Leitungen verteilt wird und ob es auch reicht für den nächsten
Tag. Außerdem die Chlorbeigabe für das Frischwasser überwachen
und es ist nicht alles auf dem neuesten Stand der Technik hier
in der Station von 1920 da muss man sich auch manchmal selber helfen
und hier und da ein kleines Hilfsgerät bauen, zur Not auch mit einem
alten Scheibenwischermotor.
Das Wasser wabert klar und glasig aus der großen, unterirdisch eingemauerten
Quelle nebenan. 70 Liter in der Sekunde mindestens, das ganze Jahr über.
Jetzt im März nach dem vielen Regen sind es 300 Liter in der Sekunde.
Wasser genug. Was nicht gebraucht wird, läuft seitlich weg zur Erms.
Pieksauber ist das Wasser dieser Quelle. Nur eine kleine Prise Chlorlauge
wird dazugetröpfelt zur Vorbeugung.
Der große Maschinensaal ist das Herz der Anlage. Darin rotiert eine
lange Transmission mit einem übermannshohen Schwungrad auf der Welle.
Ein großes Turbinenrad und ein starker Elektromotor teilen sich
die Antriebsarbeit je nachdem, wie viel Wasser vom Wehr her durch das
Turbinenrohr hindurch entnommen werden kann.
Das
wird durch die Anstellung der Leitschaufeln geregelt. 18 Meter Höhenunterschied
sind es vom Wehr bis zum Auslauf unterhalb der Station. 12 davon über
der Turbine, 6 Meter darunter, die ziehen mit ihrem Vakuum mit. Das alles
zusammen bringt etwa 100 Kilowatt auf die Turbinenschaufeln. In trockenen
Sommern muss man aufpassen, dass nicht zu viel Wasser für den Antrieb
aus dem Flüsschen entnommen wird.
Turbine und Elektromotor regeln ihre Zusammenarbeit automatisch. Wenn
er nicht arbeiten muss, läuft der Elektromotor dennoch mit und erzeugt
als Generator Strom. Das bringt ein bisschen Zugewinn in die Elektrobilanz.
Von dort aus geht die Kraft auf die Welle und von da auf die Pumpen, je
nachdem welche gerade angetrieben wird, mit breiten dicken Treibriemen
aus Leder, wie früher bei Dreschmaschinen.
Die meiste Zeit muss die große dreikolbige Pumpe aus dem Jahre 1980
arbeiten. 18 Liter Fördermenge pro Sekunde, 1600 Kubikmeter am Tag.
130 bis 150 Liter im Schnitt verbraucht ein Einwohner am Tag. Rechnet
man.
Zwei ältere Kolbenpumpen als Reserve stehen ein Stück weiter
an der Welle. Es muss ja auch hin und wieder was repariert werden. Obwohl
unterschiedlich alt, die eine von 1920 (7 Liter pro Sekunde) die andere
von 1953 (16 Liter pro Sekunde), sehen sich beide in ihrem altväterlichen
Aussehen ziemlich ähnlich mit ihren schweren Gussgehäusen und
den großen Schwungrädern. Im Keller steht für den Notfall
noch eine kleinere Kreiselpumpe. Etwas heikel in der Bedienung und Regulierung,
sagt der Chef.
36 Liter in der Sekunde wäre die höchste Pumpleistung der Station.
Drei Leitungen gehen vom Pumpwerk ab. Eine nach Würtingen (maximal
10 Liter pro Sekunde). Die ist ausreichend dimensioniert und schafft,
was sie soll. Eine zum Hochbehälter nach Hengen (30 Liter und mehr
pro Sekunde). Die macht natürlich auch keine Sorgen. Und dann die
zum Hochbehälter von Zainingen (maximal 12 Liter pro Sekunde). Die
führt am höchsten hinauf und hat auch wegen des Umweges
über den Übungsplatz den längsten Weg. Zudem ist
sie im Querschnitt ein bisschen knapp und wenn sich ein Gegendruck in
ihr aufbaut, nützt auch die stärkste Pumpe nichts mehr. Da braucht
es schon die ganze Nacht, um den Hochbehälter nur halb voll zu kriegen.
Solln die mal dran denken, die im Winter die Schneekanonen in Stellung
bringen oder die, die in heißen Sommern ihre Rasen fleißig
wässern, sagt trocken der Mann unten im Tal an den Pumpen.
(2007)
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