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REPORT: Vier süddeutsche Biosphären als Vorbild
Quo vadis Schwäbische Alb
Die Biosphäre der Alb steckt mitten in der Entstehung. Andernorts
blicken Akteure bereits auf Biosphärengeschichte zurück. Sphäre
recherchierte, wohin die Reise geht.
Seit
über 15 Jahren wird in den Biosphärereservaten (BSR) in der
Rhön, im Pfälzerwald und in Berchtesgaden menschliches Wirtschaften
und Handeln im Einklang mit der Natur erprobt. Fast doppelt so lange,
nämlich 25 Jahre, ist dies auch in der Unesco-geförderten Vorzeigeregion
Bayerischer Wald Thema: Dort ist die Biosphäre Teil der grenzenlosen
Waldwildnis, die als Nationalpark und Naturpark verwaltet wird. Eine Mehrfachbelegung,
die viele BSR charakterisiert und einiges über deren Entstehung aussagt.
Josef Wanninger, verantwortlich für Umweltbildung und Regionalentwicklung
im BSR Bayerischer Wald erinnert sich: Damals waren die BSR reine
Forschungsprojekte. Man hat die Modellprojekte auf bestehende Schutzgebieten
gesetzt. Die Öffentlichkeit nahm von diesem Schritt kaum Kenntnis
und war in die Entwicklung nicht eingebunden. Ähnliches berichtet
Arno Weiss, Stellvertretender Geschäftsführer im BSR Pfälzerwald:
In den ersten fünf Jahren hat sich bei uns nicht viel getan.
Den Naturpark gab es bereits, das BSR wurde auf derselben Fläche
ausgewiesen und als zusätzliche Auszeichnung quasi als Naturpark
mit Sternchen aufgenommen. Die Kriterien zur Erlangung
des Prädikats BSR waren in dieser Anfangsphase noch einfach zu erfüllen.
Erst als die Unesco-Konferenz 1995 strengere Nationalvorgaben forderte,
um die stiefmütterlich behandelte Regionalentwicklung in den BSR
voranzutreiben, kam Schwung in die Sache.
Die seitdem verbindliche Zonierung in naturgeschützte Kern-, verhalten
genutzte Pflege- und normal bewirtschaftete Entwicklungszonen sorgte bei
den Landnutzern auch damals für große Bedenken. Akzeptanzprobleme
gab es vor allem bei den Gemeinden am Rande der Kernzonen, so Arno
Weiss. Und auch Martin Kremer, Sachgebietsleiter im hessischen Teil des
BSR Rhön, ist diese schwierige Anfangszeit noch bestens im Gedächtnis:
Das waren harte politische Konflikte. Hartnäckig hielt sich
die Angst vor der grünen Kralle, die sich über die Rhön
legt und den Menschen ihre Existenzgrundlage raubt. Außerdem wurde
geäußert, die Rhön verkomme zu einer Art Sozialzoo für
die Frankfurter Großstadtbevölkerung, erzählt Kremer
von der äußerst kritischen Haltung in der Öffentlichkeit.
Inzwischen stuft er diese Phase als sinnvolle Entwicklungsstufe ein: Die
heftig geführte politische Diskussion hat uns allen geholfen, am
Ende zu einer gemeinsamen Definition und Ausrichtung des BSR in der Rhön
zu kommen.
Dass
diese Einschätzung nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt eine Allensbach-Umfrage
aus dem Jahr 2002, die dem Rhöner BSR in fast allen Fragen eine Zustimmung
in der Bevölkerung von 60 bis 80 Prozent bescheinigt. Für Martin
Kremer fällt die Bilanz nach den ersten 15 Jahren Biosphäre
also sehr zufrieden stellend aus. Für die rund 20 Prozent, die das
BSR laut Umfrage nicht erreichen konnte, macht er vor allem die fest gefügten
Feindbilder zwischen Naturschutz und Landwirtschaft verantwortlich: Das
BSR wird nach wie vor bei vielen fälschlicherweise als reines Naturschutz-Projekt
eingestuft. Mit diesem Sachverhalt kämpft auch Berchtesgaden.
Obwohl dies unbegründet ist, befürchten auch heute noch
viele, dass in der Entwicklungszone Einschränkungen der Landnutzung
und Siedlungsentwicklung drohen, bedauert Rolf Gerlach, Leiter der
BSR-Verwaltungsstelle in Bad Reichenhall. Die Kehrseite der Medaille erlebt
Josef Wanninger im Bayerischen Wald: National- und Naturpark stehen dort
so sehr im Mittelpunkt des Interesses, dass das BSR untergeht. Weil die
Modellregion auf Grund ihrer Lage innerhalb des Nationalparks zudem aus
einer einzigen Kernzone besteht und weder Pflege- noch Entwicklungszonen
ausweisen kann, droht ihr nun der Ausschluss aus dem Unesco-Netzwerk:
Ohne Entwicklungszone keine Biosphäre, heißt die Devise der
strengen Prüfer.
Kernzonentaugliche Landstriche sind in anderen Regionen dagegen eher Mangelware
und deshalb hart verhandelt. Damit nicht der Eindruck abgesperrter Areale
entsteht, setzt Martin Kremer in seinen Kernzonen auf Transparenz und
Kommunikation. Wir haben am bestehenden Wegerecht festgehalten,
weil wir den Menschen in den Kernzonen zeigen wollen, wie der liebe Gott
mit der Natur umgeht, wenn man ihn nicht stört, erläutert
Kremer seinen Ansatz. Die Kernzonen sind für uns Schaufenster
der Natur und Bildungsflächen, keine Tabubereiche. Unterstützt
wird die Biosphärenverwaltung dabei vom regionalen Wanderverein Rhön-Club,
mit dem Kremer nicht nur im Bereich Wegenetz eng zusammenarbeitet.
Umfassende Information und ein konsequentes Miteinander bei der Entwicklung
des Biosphärengedankens scheinen in allen vier Regionen der Schlüssel
zum Erfolg zu sein. Sämtliche Gemeinden sind mittlerweile aufgeschlossen
und die Vertreter der Landwirtschaft äußern sich nun abwartend
bis zustimmend, freut sich Rolf Gerlach, der nun verstärkt
darauf achten will, dass die Fördermittel vorrangig den Akteuren
vor Ort zu Gute kommen und nicht an externe Berater und Gutachter gehen.
Arno Weiss zieht für den Pfälzerwald ebenfalls positive Bilanz:
Der überwiegende Teil der Bevölkerung, der Politiker und
Funktionäre erkennt das BSR inzwischen als Chance für die Region
und wertet seinen Nutzen sogar höher als den des Naturparks.
Sein persönliches Biosphären-Highlight: Die Landwirtschaft
war bei uns ziemlich eingeschlafen, nun werden wieder regionale Produkte
auf Bauernmärkten und über die örtliche Gastronomie vermarktet.
Außerdem haben wir es geschafft, das ursprünglich hier heimische,
leichte Glan-Rind für die Beweidung der feuchten Hangweiden wieder
anzusiedeln.
Auch in der Rhön wurden die Vorteile für die Regionalentwicklung
irgendwann als Nutzen erkannt und die Erfolgsgeschichte des BSR war nicht
mehr aufzuhalten. Betrachten Sie zum Beispiel das Rhönschaf-Projekt:
1991 hatten wir noch einen Bestand von rund 500 Tieren. Nun werden jährlich
über 5.000 Lämmer vermarktet, viele sogar über die regionale
Supermarktkette, begeistert sich Martin Kremer. Dass eine solche
Entwicklung möglich sein könnte, daran hätte auch in der
Rhön zu Beginn niemand gedacht.
Dass das BSR Bayerischer Wald in diesem Jahr Gefahr läuft, sein Biosphären-Prädikat
zu verlieren, bedauert Josef Wanninger : Ich stehe voll hinter diesem
Konzept. Seiner Meinung nach ist es maßgeschneidert für
über Generationen vom Menschen geprägte Kulturlandschaften.
Bei einem landwirtschaftlich genutzten Gebiet wie der Schwäbischen
Alb kann ich alle Beteiligten nur ermutigen, dieses Prädikat zu nutzen.
Es bietet viele Möglichkeiten für neue Initiativen und eine
dauerhafte Existenzgrundlage im Einklang mit dem Naturhaushalt und der
landschaftlichen Schönheit der Region, lautet deshalb seine
Botschaft. (2007)
SPHÄRE WISSEN
Biosphären in Deutschland
Wildes Land
Biosphärenreservat Bayrischer Wald
Gegründet: 1981; Größe: 13.300 ha;
Drittes deutsches BSR.
Lage: zentral im Bayerischen Wald an der Grenze zu Tschechien.
Charakteristik: nadelholzdominiertes Mittelgebirge mit 98 Prozent
Waldanteil, ausgedehnten Mooren und naturbelassenen Bergbächen.
Nirgendwo sonst in Europa darf sich die Natur auf so großer
Fläche zurück zum Urwald entwickeln. Besonderheit: Die
gesamte Biosphäre ist Kernzone, Pflege- und Entwicklungszone
fehlen bisher.
www.nationalpark-bayerischer-wald.de
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Rachelsee, Foto: Rainer Pöhlmann
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Biosphärenreservat Berchtesgaden
Gegründet: 1990; Größe: 46.000 ha;
Viertes deutsches BSR.
Lage: im Südosten Deutschlands an der Grenze zu Österreich.
Charakteristik: Berglandschaft und Alpennatur pur, in niedrigen
Lagen prägen zahlreiche Einzelhöfe das Siedlungsbild.
Besonderheit: Deutschlands einzige Hochgebirgsbiosphäre.
www.nationalpark-berchtesgaden.de
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Schroffe Felshänge in Berchtesgaden
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Biosphärenreservat Rhön
Gegründet: 1991; Größe: 180000 ha;
Siebtes deutsches BSR.
Lage: im Dreiländereck zwischen Hessen, Bayern, Thüringen.
Charakteristik: Im Land der offenen Fernen gibt es nur
30 Prozent Wald, dafür sehr weite Grünlandbereiche in
den Hochlagen. Mittelgebirge mit markanten Kuppen, Talauen, Hochmooren,
Wiesen, Weiden, Laubwald.
Besonderheit: Drei Bundesländer kümmern sich mit eigenen
Verwaltungsstellen um die Biosphäre.
www.biosphaerenreservat-rhoen.de
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Wasserkuppe in der Rhön
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Biosphärenreservat Pfälzerwald
Gegründet: 1992; Größe: 180000 ha;
13. deutsches BSR.
Lage: Im Süden von Rheinland-Pfalz an der Grenze zu Frankreich
Charakteristik: geschlossen bewaldetes und stark zertaltes Mittelgebirge
mit vorgelagertem flach geneigtem, intensiv genutztem Weinanbaugebiet.
Besonderheit: Seit 1998 Teil der deutsch-französischen Biosphäre
Pfälzerwald-Nordvogesen.
www.pfaelzerwald.de
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Dichter Wald in der Pfalz
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SPHÄRE WISSEN
Was ist ein Biosphärenreservat
Prädikat wertig
Biosphärenreservate
sind ein wesentlicher Bestandteil des Programms Mensch und Biosphäre,
das die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft
und Kultur kurz Unesco im Jahr 1970 ins Leben gerufen hat.
Ziel ist es, weltweit ein Netz von Modellregionen aufzubauen, die die
wertvollsten Natur- und Kulturlandschaften umfassen und neben dem Schutz
der Natur vor allem zum Aufbau einer nachhaltigen regionalen Wirtschaftsentwicklung
beitragen. Mittlerweile gehören über 500 Gebiete in 110 Staaten
diesem Netzwerk an. Grundsätzlich kann jedes Land Gebiete vorschlagen,
die dann die geforderten Kriterien erfüllen und durch die Unesco
anerkannt werden müssen. In Deutschland gibt es momentan 14 Biosphärenreservate.
Die Schwäbische Alb soll schon in Kürze als 15. Modellregion
und erstes Biosphärenreservat in Baden-Württemberg dazu stoßen.
Detaillierte Infos zum Unesco-Projekt sind nachzulesen unter www.unesco.de/biosphaerenreservate.html
und www.biosphaerenreservat.de.
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