160 Jahre Leben mit der Echaz

Neues Buch des Pfullinger Geschichtsvereins erschienen

„Historische Wasserwirtschaft der Echaz in Pfullingen“ heißt das Buchprojekt des Geschichtsvereins Pfullingen. Unter der Federführung der Vorsitzenden Prof. Waltraud Pustal entstand ein Werk, das historische Quellen aufarbeitet und für folgende Generationen konserviert.

Das Buch „Historische Wasserwirtschaft der Echaz in Pfullingen“ thematisiert Wässerwiesen, Mühlen, Brunnen, Natur, Landschaft, Stadt, Kultur, Geschichte, Kunst

10.- EUR, ISSN 1436–8390, Februar 2018, 1. Auflage, 220 Seiten, erhältlich im Buchhandel, im Stadtgeschichtlichen Museum Pfullingen, und beim Geschichtsverein Pfullingen: www.geschichtsverein-pfullingen.de

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Gemälde: Wilhelm Kehrer, Wässerwiesen in Pfullingen (Foto Burgemeister)

 

Zu diesem Buch

Der Ausgangspunkt für dieses Buchprojekt ist die historische Nutzung der Wässerwiesen in der Pfullinger Echazaue. Dieses Thema nimmt daher eine zentrale Stellung ein. Diese Nutzungsart der weitläufigen fruchtbaren Wiesengründe in der Talsohle der Echaz sowohl im Süden bis zur Gemarkungsgrenze Unterhausen wie auch im Norden in Richtung Reutlingen bis zum Arbach endete circa 1965. Die Gesellschaft und die Arbeitsbedingungen hatten sich mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit des 2. Weltkriegs grundlegend geändert. Die Landwirtschaft war nicht mehr essentiell da-rauf angewiesen. Das Ende war schleichend und unspektakulär und ein so selbstverständlicher Teil des Fortschritts, dass kaum jemand auf die Idee kam, die letzten Zeugnisse dieser einst über viele Jahrhunderte andauernden und da­her alltäglichen, über ein ausgeklügeltes Grabensystem neben dem Hauptarm der Echaz funktionierenden und für die Landwirtschaft unverzichtbaren Art der Wiesennutzung in unserer Stadt zu dokumentieren. Die mit Bewässerungsgräben durchzogene Streuobstwiesenlandschaft im Norden des Stadtgebiets wurde 1966 als neues Gewerbegebiet „Steinge“ erschlossen. Ganz im Gegensatz dazu wurde die Echazaue im Süden des Stadtgebiets als Ergebnis jahrzehntelanger Aktivitäten des örtlichen NABU (Naturschutzbund Deutschland e. V.) im Jahr 2005 als Naturschutzgebiet ausgewiesen.
Die Echaz ist die historische Lebensader der Stadt. Die Siedlungsgeschichte begann in der Jungsteinzeit vor ca. 5.000 Jahren. In den Zeitraum 400 v. Chr. bis 100 n. Chr. lassen sich keltische Ausgrabungsfunde im Kalktuff am südlichen Stadtrand datieren. Um 450 n. Chr. ließen sich Alemannen um ihren Fürsten Pfuhlo, dem Namensgeber Pfullingens, an der Echaz nieder. Die erste historische Erwähnung Pfullingens basiert auf einer Urkunde durch Kaiser Otto I. im Jahre 937. Der Anlass war die Schenkung des Fischereirechtes entlang der Echaz durch Kaiser Otto I. an den Priester Hartbert.
Ab Beginn des 19. Jahrhunderts begann die Industrialisierung Pfullingens entlang der Echaz. Die einstigen mittelalterlichen Mühlen und Triebwerke waren die Keimzelle für späteren Wohlstand und Arbeitsplätze. Daneben spielten und spielen weitere Versorgungs- und Schutzfunktionen wichtige Rollen: Trinkwasserversorgung, Abwasser, Hochwasserschutz, Naturschutz und Erholung. Die Echaz verfügt zudem über eine phä­nomenale Eigenschaft: Sie stellt aus Wasser Stein und Sand her: Kalktuffstein und Kalktuffsand, qualitative Baumaterialen.
Pfullingen ist seit seiner Gründung Mitglied des Biosphärengebiets Schwäbische Alb und war auch an der Entstehung dieses großräumigen Schutzgebiets von Beginn an beteiligt. Ein Projektziel des Biosphärengebiets ist „die Bewahrung des historisch-kulturellen Erbes“. Dieses Ziel deckt sich mit den Aufgaben des Geschichtsvereins Pfullingen, „das Geschichtsbewusstsein in der Bevölkerung zu erhalten und zu fördern“.
Am 31. Januar 2008 trat die Verordnung des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum über das Biosphärengebiet Schwäbische Alb in Kraft. Seit dem 26. Mai 2009 ist das Biosphärengebiet Schwäbische Alb auch als UNESCO-Biosphärenreservat anerkannt und wird somit als Zeugnis beeindruckender Artenvielfalt und eines unverwechselbaren Lebensraums für den Menschen in Einklang mit der Natur anerkannt. Diese hohe Bewertung hebt das Biosphärengebiet in die Liga der weltweit bedeutendsten Kulturlandschaften, wie es der zum damaligen Zeitpunkt regierende Ministerpräsident Günther H. Oettinger formulierte.
Diese Publikation führt uns auf eine spannende Wanderung entlang der Echaz mit ihren Verzweigungen durch das Stadtgebiet. Folgt man diesen Pfaden, bieten sich Einblicke in ein vielfältiges Mosaik unterschiedlichster Nutzungen. Moderne und historische Wasserkraftnutzung stehen nebeneinander. Einzigartige geologische Formationen, unterschiedlichste Lebens- und Erlebnisräume laden jedermann ein, sich auf Spurensuche zu begeben oder zu verweilen und zu genießen. Der Weg lohnt sich, für Spaziergänger, Radfahrer, Schulklassen.

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Führung WasserErlebnisPfad mit Waltraud Pustal (Harry Pokk)


Dank

Dieser „Beitrag 19 zur Pfullinger Geschichte“ führt Fachkenntnisse aus meinem Beruf als Landschaftsplanerin mit dem Interesse für eine ganzheitliche und nachhaltige Geschichtsbehandlung zusammen. Das Buch entstand dank der Unter­stützung vieler engagierter Personen.
Der besondere Dank gilt den Zeitzeugen für ihre ausführlichen Berichte und Erinnerungen in den Interviews sowie bei Ortsbegehungen, den sachkundigen Personen für Informationen und Hinweise, der Bereitstellung der dokumentarischen Fotos, in großem Umfang aus dem Archiv von Foto Burgemeister, Pfullingen und der einzigartigen Naturaufnahmen, der Bereitstellung der wunderschönen und vor allem dokumentarischen Gemälde, Zeichnungen, Linolschnittdrucke, der Zurverfügungstellung von historischen Dokumenten, Karten und Büchern aus privaten und öffentlichen Archiven, dem Stadtarchiv Pfullingen und der Stadtentwässerung Reutlingen SER und den Mitautoren für Ihre sach- und fachkundigen Beiträge.
Zu verdanken ist die Realisierung des Projektes der Unterstützung durch das Biosphärengebiet Schwäbische Alb.

Prof. Waltraud Pustal, freie Landschaftsarchitektin, Vorsitzende Geschichtsverein Pfullingen


Inhalt

Der Inhalt des Buches führt die Leser durch die gesamte Thematik der Wasserwirtschaft einst und heute und klärt über natürliche und kulturelle Zusammenhänge und Hintergründe auf. Die Hauptkapitel sind: Geologie und Landschaft, Energiequelle, Wässerwiesen, Kanäle, Wasserversorgung, Abwasser, Sandabbau, Weitere Nutzungen, Hochwasser, Lebensraum, Die Echaz in Planwerken, Die Echaz in Kunst und Literatur. Die Kapitel sind wiederum in eine große Zahl Unterkapitel gegliedert, denn der Aufbau des Buches ist so angelegt, dass ein Kapitel jeweils nur zwei Buchseiten in Anspruch nimmt. Das dient einer hohen Lesefreundlichkeit.

Geologie und Landschaft

Die Echaz entspringt oberhalb von Honau mit einer starken Karstquelle an der östlichen Talseite auf 577 m ü. NN. Auf einer Länge von 200 m Richtung Tal folgen mehrere weitere kräftige Austritte, die hydrologisch der Echazquelle zuzuord­nen sind. Die Echaz hat sich in der jüngsten Erdgeschichte in die Festgesteine des Braunjuras eingetieft und die heuti­ge Talaue geformt. Das obere Echaztal ist vorwiegend von unterschiedlichen Kalktuff-Sedimenten geprägt: Kalkschluff, Kalktuffsand, teils mit „Kies“-Geröllen aus verfestigtem Kalktuff. Bachabwärts sind es jüngere, kiesige Talfüllungen. Große Teile der Stadt Pfullingen sind auf diesen Talkiesen gebaut. Als Grundwasserleiter wirken insbesondere die Kalktuffsedimente und die darunter folgenden schluffarmen, gut durchlässigen Talschotter.

Lebensraum

In der Pfullinger Echazaue herrscht eine hohe biologische Vielfalt. Das wurde seit der Oberamtsbeschreibung von 1893 immer wieder bestätigt.
Die verschiedenen Biotope der Echazaue, wie z. B. Nasswiesen, Gewässer, Hecken und Röhrichte bieten Rückzugsraum für Flora und Fauna. Der Einzug des Bibers ist ein Beleg für die hohe Naturnähe.
2005 wurde die Echazaue im Süden des Stadtgebiets als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

Wässerwiesen

Ein bedeutendes, weil inzwischen sehr selten gewordenes Zeugnis früherer bäuerlicher Bewirtschaftungsformen, sind die heute noch erhaltenen und als Naturschutzgebiet ausge­wiesenen Wässerwiesen zwischen Pfullingen und Unterhausen. Das gleiche System existierte im Norden im Gewann Steinge. Die Bewässerung der Wiesen im Echaztal erfolgte noch bis ca. 1965 über das ausgedehnte Grabensystem. Die Verteilung des Wassers wurde über verstellbare Fallen gere­gelt. Die Bewässerung führte zu erheblichen Ertragssteige­rungen. Die Pfullinger Wässerwiesen erscheinen als „Wasserwiesen“ in schriftlichen Quellen bereits im Jahr 1289 in einem Dokument des Klosters Zwiefalten, dann 1382, als das Kloster den Hessenbrühl kaufte.

Echaz_Waesserungskanal

Großer Wässerungskanal in der Echazaue (Harry Pokk)

Sandabbau

Am südlichen Ortsrand von Pfullingen, im Gewann ‚Hessenbrühl‘, befanden sich drei Tuffsandgruben, welche von den Firmen Friedrich List, Hermann Hettler und Karl Nonnenmacher betrieben wurden. Dort lagerten Tuffsandschichten von 10 – 15 m Mächtigkeit, die an manchen Stellen von festen Tuffsteinbrocken durchsetzt waren.

Echaz_Tuffsandsteingrube

Ehemalige Tuffsandgrube Fa. Nonnenmacher, 1968 (Ute Jaestedt)

Energiequelle

Die Nutzung der Wasserkraft der Echaz als Standortfaktor für mittelalterliche Mühlen und neuzeitliche Fabrikanlagen behielt ihre Bedeutung bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Erst der Ausbau neuer Transportnetze für Kohle durch den Bau der Eisenbahnlinie Reutlingen – Honau (1892) und schließlich der Durchbruch für die Nutzung des elektrischen Stroms in den 1920er-Jahren ermöglichte es, die Abhängigkeit von der Wasserkraft zu überwinden. Durch ihre Topographie und ihr reichliches Wasserangebot ist die Echaz prädestiniert als An­triebskraft von Wasserwerken: 34 Triebwerke waren es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts im Pfullinger Stadtgebiet.

Wasserversorgung

Um den Bewohnern Pfullingens einen leichteren und beque­meren Zugang zum Wasser gewähren zu können, das sie zum Trinken, Kochen, Waschen und zum Tränken ihres Viehs benötigten, leitete man das Wasser der Echaz in Fließ- oder Laufbrunnen, welche man so im ganzen Ort verteilte, dass die meisten Pfullinger einen in nicht allzu weiter Entfernung von ihrer Wohnung erreichen konnten. Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Pfullinger Brunnennetz immer wieder erweitert, so dass man um 1900 schließlich etwa 30 bis 35 öffentliche und knapp 100 private Brunnen zählte. Am 14. September 1907 erfolgte nach längeren Kontroversen schließlich die Einweihung der Pfullinger Hochdruckwasserleitung mit einem „Wasserfest“.

Die Echaz in Kunst und Literatur

Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Echaz gibt der Nachwelt einzigartige Dokumente der Zeitgeschichte. In Pfullingen sind seit über 100 Jahren verschiedenste Künstler aktiv.


Neu: Beitrag 19 zur Pfullinger Geschichte (10,00 €)
Historische Wasserwirtschaft der Echaz in Pfullingen
ISSN 1436–8390, Februar 2018, 1. Auflage, 220 Seiten

Erhältlich im Buchhandel, im Stadtgeschichtlichen Museum Pfullingen, und beim Geschichtsverein Pfullingen: www.geschichtsverein-pfullingen.de

Gefördert von: Biosphärengebiet Schwäbische Alb

Unterstützt von: Pustal Landschaftsökologie und Planung
Prof. Waltraud Pustal
Freie Landschaftsarchitektin, Beratende Ingenieurin
Hohe Straße 9/1, 72793 Pfullingen


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