Leben wohin man will

Leben: Wohnraummodule holen Land ins Haus

Bastian Traub denkt Freiheit mit Dach auf vier Rädern. Somit skizzieren der Hengener Zimmermann wie auch schon Schwörer-Haus mit Flying Space, wohin ein Lebensweg künftig führen kann.

Waren das noch Zeiten, als Rulaman in den Wäldern der Alb umherstreifte – endlose Weite. Weder drängten sich 81,5 Millionen Menschen auf einem schmalen Landstreifen, so klein wie Deutschland heute, noch stapelten sich teure Behausungen turmhoch in den Himmel.
Mit Zelten und Höhlen prakti­zierten die Älbler vor 40000 Jahren (zwangsläufig) Minimalismus maximal. Ein Leben, das Bastian Traub irgendwie vermisst. Er arbeitet und wohnt dort, wo auf dem Sphäre-Foto knallrote Ziegeldächer leuchten: in Hengen.
Sein Traum vom puristischen Wohnen thront einsam über den Feldern: Das eigene Häusle, das Menschen weder finanziell knebelt, noch örtlich auf Dauer fesselt. Denn nur arbeiten, um luxuriös zu leben, ist für den gelernten Zimmermann kein erstrebenswertes Ziel. Deshalb schnallt der Hengener gern den Gürtel enger. So konnte er trotz seiner jungen 33 Jahre schon viele Länder dieser Erde bereisen. Für ihn bedeutet Wohlstand Wissen und Erfahrung anhäufen, die er im Marschgepäck nach Hause holt. Satussymbole machen nicht wirklich reich, Menschen schon. Deren Wohnkulturen in der Fremde schließlich formten seine Vorstellung vom idealen Haus, an dem er letztes Jahr begann zu planen, zeichnen, hobeln, sägen, hämmern und zu schleifen.

Bezahlbares Eigenheim: „Vielleicht ensteht auf der Alb mal eine Mini-Haus-Siedlung“, hofft Bastian Traub auf alternative Wohnformen.

Irgendwie passt es, dass nun sein Traum vom kleinen Raum gerade dort die Abendsonne reflektiert, wo nur fünf Kilometer entfernt Rulaman, der Urzeitheld eines prähistorischen Albromans aus dem Jahre 1878, mit dem Sinn des damaligen Lebens spielt. Der Grabenstetter Autor David Friedrich Weinland wählte als Handlungsmittelpunkt seiner naturgeschichtlichen Erzählung die hier als Schillerhöhle bekannte Felskluft.
Früher wie heute berührt das melancholische Abendlicht die Seele der Menschen. Der durchsichtig klare Himmel macht frei. Darum folgen Freizeitnomaden in den schönsten Stunden des Jahres ihrem Ur­instinkt. Sie zelten oder kommen in Wohnwägen Traubs mobiler Heimatträumerei von erquickender Selbstbestimmung ziemlich nah.
Dem Höhlenmenschen gehörte einst nichts und doch alles. War Rulaman glücklich? Man weiß es nicht. Zumindest schleppte er dank seines Zwangsminimalismus nicht den Ballast moderner Zivilisation. Er kannte keine Wohnungsmieten, keine Krankenversicherung, die den Verdiener heute fast einen Arbeitstag pro Woche kostet. Mobilität gab´s umsonst – gesunde Füße brauchen keinen Sprit. Er brachte nicht das halbe Arbeitsleben damit zu, ein Auto zu finanzieren, um in einer Blechlawine zu versauern. Höhlenmenschen besaßen keine Computer und waren trotzdem superschlau. Deren Lebensintelligenz rettete über die ausklingende Eiszeit hinweg, als Gletscher sich über den Bodensee bis an die Alb erstreckten.
Wohlstand empfindet Traub deshalb als Ballast, weil er eines den Menschen raubt: die Zeit. Die Urälbler der Höhlen um Blaubeuren herum und im Lonetal zumindest hatten von diesen wertvollen Stunden nachweislich genug. Ihnen blieb Zeit, Freizeit, in der sie vor 40000 Jahren auf Elfenbeinflöten musizierten, Tigermenschen modellierten, Knochenvögel schnitzten. Diese ältesten Werke dieser Lebenskunst übrigens stellt das Urmuseum Blaubeuren zur Schau.
Zur Schau und Probewohnen im bezahlbaren Eigenheim, Büroraum oder Gästehaus steht ein Prototyp bereit. Wer ihn besichtigen will, kann auf der Homepage www.kleinernomade.org über das Kontaktformular einen Termin vereinbaren.
1000 Stunden hatte Traub an diesem Vorführmodell gearbeitet. „Natürlich nicht Vollzeit“, schränkt der Hengener ein. Denn auch ein Minimalist brauche schließlich Butter und Brot.
Diese Wohnraum-Idee darf von einem kraftvoll motorisierten Pick-up gezogen auf deutschem Asphalt rollen. Auf Dauercamping-Plätzen sei das Aufstellen genehmigungsrechtlich kein Problem. Wer dieses Eigenheim auf seinem Grundstück bewohnt, braucht eine Baugenehmigung.
Diese ist für Traubs jüngstes Projekt schon unterwegs. Grabenstettens Waldkindergarten entschied sich für sein Mikrohäuschen. Nicht zuletzt, weil zur Grundfläche von 22,5 Quadratmetern weitere sechs in der zweiten Ebene unterm Satteldach hinzukommen. Die hochwertige Verarbeitung mit ausschließlich ökologischen Baustoffen begüns­tigte die Entscheidung. So erhellt den Wohnraum eine weiße Hartwachslasur auf Bienwachsbasis. Die Bodendielen bestehen aus 22 Millimeter massivem Kiefernholz. Im Prototyp hatte Traub für den Spültisch, Wandschränke und Sanitärtrennwand mit recyceltem Fichtenholz einer ehemaligen Bauernhausfassade experimentiert.

Nur noch Möbel kaufen – fertig: Per Tieflader kommt das Schwörer-Haus fix und fertig an – inklusive Einbaumöbel und Sanitär.

Auf der Alb logiert noch ein weiterer Zukunftsdenker: Schwörer-Haus. Der schwäbische Häuslebauer aus Hohenstein hat seine Visionen in ein architektonisches Meisterwerk umgemünzt. Der Fertighaus-Spezialist liefert ein Minihaus am Stück – 50 Quadratmeter Wohnfläche. Das sogenannte Flying-Space entspricht einer Drei-Zimmer-Wohnung mit dem Vorteil, dass alle Räume belichtet werden können – auch das Duschbad und die Abstell- und Vorratskammer. Das auf Punktfundamenten gelagerte Haus zeigt sich großzügig: Nach der Diele mit Garderobe schließt sich der 28 Quadratmeter große offene Koch-Ess-Wohnbereich an. Eine Glasschiebetür führt auf die Terrasse. An beiden Enden des länglichen Baus befindet sich je ein Zimmer – beispielswei­se Schlafzimmer und Büro.

 

Wohnen, wie andere urlauben

Deutschland gehört nicht gerade zu den glücklichsten Völkern der Erde. Fragt man die Finnen, Norweger, Dänen, Isländer und Schweizer nach ihrer Zufriedenheit durch Mitgefühl, nachhaltige Entwicklung und Gemeinwohl in ihrem Land, strahlen die Gesichter: Platz eins bis fünf im World Happiness Report 2015 bis 2017. Deutschland rangiert hier abgeschlagen auf Rang 15, hinter Israel, Kanada und Costa Rica.
Diese Unzufriedenheit könnte auch mit der geringen Wohneigentumsquote von nur 52 Prozent zusammenhängen – Vorletzter im Vergleich der 27 europäischen Länder. 72 Prozent der finnischen Häuschen und 83 Prozent der Wohnungen in Norwegen führen als Eigene-vier-Wände ihr Dasein. Spitzenreiter Rumänien gar glänzt mit einer Quote von 96 Prozent.
Ein Eigenheim schafft Zufriedenheit – Sicherheit vor willkürlichem Mitwucher, vor Kündigung. Zudem dämpft das eigene Häusle die Zukunftsängste vor der aktuellen Schieflage der Absicherung im Rentenalter.
Doch „klein aber mein“ ist hierzulande gar nicht so einfach. Denn das Bauen in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist wegen der dort verbreiteten Massivbauweise im internationalen Vergleich überdurchschnittlich teuer. Abhilfe: Mini-Häuser, mit denen Bastian Traub (Foto oben) oder Schwörer-Haus die Zukunft des Wohnens ins Heute holen.
Info: www.kleinernomade.org und www.schwoerer.de

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