Energiewende jetzt

Klimaschutzregion Reutlingen: 100 Prozent Erneuerbare-Energie-Region

Der Landkreis Reutlingen steckt sich hohe Ziele. 100 Prozent saubere Energie? Geht das? Und wie? Dies war die Fragestellung des hochkarätig besetzten Kongresses am 2. April 2011, im Herzen des Biosphärengebietes Schwäbische Alb, im Schloss Bad Urach. Was ein Gedankenspiel sein sollte – die Planungen des Kongresses begannen schon Anfang des Jahres –  verwandelte das Atomdrama Fokushima in Japan und  die historischen Landtagswahlen in Baden-Württemberg zu einer Art Krisensitzung, zu einer unausagesprochenen Aufforderung nun zu Handeln und endlich neue Wege nicht nur zu denken. Die kompetenten Redner begeisterten die Zuhörer (siehe Podcasts unten).

Gastgeber: Landrat Thomas Reumann gibt mit diesem Klimaschutz-Kongress nicht nur Denkanstöße, vielleicht läutete er gar bei den Kommunalpolitikern die Energiewende ein.

Die geladenen Gäste, Kreisräte, Bürgermeister, Gemeinderäte spendierten dem Vortrag von Bundestagsabgeordneten der Grünen, Fritz Kuhn (siehe Podcast unten), überraschend häufig Szenenapplaus. Die Aktualität der Ereignisse schufen eine ungewöhnlich kooperative Atmosphäre über alle Parteilager hinweg. Auch der brillante Vortrag des EU-Kommissars Günther Oettinger lieferte tiefe, erkenntnisreiche Einblicke in die globalen Zusammenhänge und Zwänge der Energiedebatte (siehe Podcast unten). Sein Credo:  „20-20-20 bis 2020″. Unter diesem Motto präsentierte diese Idee vor zwei Jahren EU-Kommisionspräsident José Manuel Barroso beim Klimaschutzgipfel ein Konzept, bei dem Treibhausgasemissionen um 20 Prozent reduziert werden sollen, vielleicht sogar 30 Prozent im Rahmen eines internationalen Abkommens. Der Gesamtanteil an erneuerbaren Energien soll in der EU auf ebenfalls 20 Prozent steigen und die Energieeffizienz um 20 Prozent erhöht werden. Teil dieses Konzepts seien auch 10 Prozent Biokraftstoffe. Oettinger gab deutliche Signale, den nun überfälligen Umbruch anzupacken.

Etwas verhaltener gab sich Tanja Gönner, die bis zur Regierungsneubildung durch die Grünen noch als Ministerin  für Umwelt, Naturschutz und Verkehr Baden-Württemberg amtiert. Sie konzentrierte sich bei ihrer Rede darauf, zu referieren, welche Ziele das Land unter der Führung CDU erreicht hatte.

Ebenso wenig Aufbruchsstimmung verbreitete Hans-Peter Villis, Vorstandsvorsitzender EnBW AG. Denn der Energieversorger liefert einen Energiemix, der sich mit satten 57 Prozent extrem atomlastig zeigt. Bei erneuerbaren Energien liegt der Stromer im Ländle unterdurchschnittlich bei nur elf Prozent. Zum Vergleich: Der Energiemix in Deutschland setzt sich wie folgt zusammen:

Laut BDEW-Erhebung waren die konventionellen Energieträger auch im vergangenen Jahr die tragende Säule der Stromerzeugung: Fast 80 Prozent des Stroms in Deutschland wurden 2010 aus Kohle, Kernenergie und Erdgas produziert. Davon entfielen 41 Prozent allein auf Kohle. Die Kernenergie stellte 23 Prozent und Erdgas 14 Prozent des Stroms. Die Erneuerbaren Energien konnten ihren Beitrag zur Stromproduktion nach Angaben des BDEW leicht auf 17 Prozent steigern. Dabei trug die Windkraft 6,2 Prozent bei. Biomasse lieferte 4,7 Prozent des Stroms. Der Anteil der Wasserkraft lag bei 3,2 Prozent. Die Photovoltaik stellte 2,0 Prozent des Stroms und der Anteil regenerativen Stroms aus Müllkraftwerken betrug 0,8 Prozent.

Quelle: Strommix 2010, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW)

  • Atomstrom —————– 23 %
  • Kohle ———————— 41 %
  • Erdgas ———————- 14 %
  • erneuerbare Energien —– 17 %
  • ———— Wind ———– 6,2 %
  • ———— Biomasse —— 4,7 %
  • ———— Wasser ——– 3,2 %
  • ———— Photovoltaik — 2,0 %
  • ———— Müllkraft —— 0,8 %
  • sonstige Energieträger—– 5 %

Immerhin räumte er ein, dass die EnBW den Anteil des Atomstroms auf 45 Prozent senken wolle. Die Problematik der erneuerbaren Energieen sei, dass Windräder und Solarzellen unter Umständen Strom liefern, wenn ihn keiner braucht. Darum müssen wohl gigantische Pumpspeicherkraftwerke her, die es wohl hier so nicht geben kann, so die pessimistische Einschätzung des Vorstandsvorsitzenden. Der Grünen-Politiker Kuhn dagegen argumentiert mit intelligenter Netzauslastung. Die Stromspitzen senken und die Stomtäler (beispielsweise Nachts) auffüllen mit über Zeitschaltuhren- oder Tarif-gesteuerten elektrischen Verbrauchern. Die Waschmaschine muss nicht mittags laufen, wenn alle Kochplatten der Republik um 12 Uhr glühen.

Das Fazit dieser Redner und  die Reaktionen des Auditoriums zeigen: Es ist zu schaffen. Reutlingen kann eine „100% Erneuerbare-Energie-Region“ werden. Die Klimaerwärmung scheint nur wenig eindrücklich den ernst der globalen Energielage zu vermitteln. Um die Bilder von Fukushima aber kommt die Welt nun nicht mehr vorbei, dies war im Bad Uracher Schloss deutlich zu spüren.


Interview: EU-Kommissar Günther Oettinger


Interview: Bundestagsabgeordneter Fritz Kuhn


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Energiekonzepte

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