Tulpenblüte Gönningen

Tradition & Garten: Gönninger Tulpenblüte

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Alljährlich sehnt das Dorf Gönningen mit einem Tulpenmeer den Frühling herbei. Dies hat eine über 100-jährige Tradition. Früher und heute zieht dieses anmutige Zwiebelgewächs nicht nur tausende Besucher an den Fuß der Alb, sondern hatte auch schon Königinnen gelockt.

Tulpen aus Amsterdam – mit diesem musikalischen Blumengruß eroberte die Niederländerin Mieke Telkamp in den 50er Jahren die Herzen der Deutschen und frischte damit die Begeisterung für die strahlende Eleganz dieses Gewächses erneut auf. So wie die Körperspannung einer Baletttänzerin die Zuschauer hypnotisiert, so zieht die aufrecht erhabene Blütenkrone auf geschmeidig-schlankem Stiel die Menschen in ihren Bann.Die Tulpe galt vor 1637 als Blume des Adels, seltene Stücke erzielten astronomische Preise. Schnell entwickelte sie sich zu einer der beliebtesten Zierpflanzen Europas und schaffte gar den Sprung auf die Alb. Beispiel: Wer Mitte April durch das Dorf Gönningen Richtung Sonnenbühl Genkingen der Alb entgegenstrebt, darf sich freuen über ein ungewöhnlich heiteres Blütenmeer an Hausecken, öffentlichen Wiesen, ja sogar auf dem Friedhof. Die Tulpenblüte gibt der Sehnsucht nach Frühling eine farbenfrohe Gestalt.Dies hat Tradition. Ein Auszug aus der Ortsgeschichte der Gönninger erzählt, dass seine  Einwohner schon seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts Handel mit Blumen, Gemüsesamen und Zwiebeln getrieben haben – bis heute. Diese Geschichte ist nicht nur in Büchern dokumentiert, auch das Samenhandelsmuseum im Rathaus belegt diese geschichtsträchtige Tradition. Dabei wecken ab Mitte April die großen Tulpenschauen bei beispielsweise „Samen Fetzer“ (Foto rechts) und die berühmten Tulpen auf dem Gönninger Friedhof touristisch höchstes Interesse. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts galt es als Ehrensache, die Gräber der Angehörigen mit den damals besonders teuren und wertvoll Tulpen zu bepflanzen. Dadurch entwickelte sich der Gönninger Friedhof im letzten Jahrhundert zur touristischen Attraktion. Sogar die württembergische Königin Charlotte reiste 1912 mit dem wenige Jahre zuvor eingeweihten „Gönninger Bähnle“ herbei um die Friedhofs­tulpen zu schauen. In den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts kamen an Wochenenden viele tausend Besucher nach Gönningen, bis in die 50er Jahre hinein. Dann verflog das Interesse an der Tulpenblüte. Sie wich der Freude am kunterbunten Wirtschaftsboom. Erst eine Initiative des Ortschaftsrats belebte 2004 diese alte Tradition des Tulpenfriedhofes. Auch auf öffentlichen Flächen und in privaten Vorgärten sollten wieder Tulpen blühen. Unter der Leitung des Bezirksbürgermeisters a. D. Prof. Dr.  Paul Ackermann und den noch aktiven Samenhändlern pflanzten Bürger, Vereine, die Kirchengemeinde mehr als 45000 Blumenzwiebeln. Seit 2006 organisiert der Verein Gönninger Tulpenblüte alljährlich Pflanzaktionen, den Blumenzwiebel-Markt im Herbst sowie die Tulpensonntage mit Frühlings- und Künstlermarkt im April.

Mythos: Warum Tulpen auf der Schwäbischen Alb?

Spekulationsgier: Sowohl die Farben, als auch die erhabene Gestalt einer Tulpe hinterlässt Eindruck. Bisweilen so stark, dass um 1637 Menschen Haus und Hof riskierten für ein seltenes Exemplar.

Nicht nur die Gönninger sehnen den Frühling herbei mit einem farbenfrohen Tulpenmeer, ursprünglich die Niederländer noch viel mehr.  Jörg Kastner, Autor des Buches „Die Tulpe des Bösen“ sinniert: „Woher aber rührte die Begeisterung der Niederländer für die schöne, farbige Tulpe? Waren diese doch eher calvinistisch-sittsam und damals bekannt als eher derb und nicht gerade schöngeistig veranlagt. Gegensätze ziehen sich an, heißt es, und gerade der Gegensatz zwischen der rauhen Lebenswelt der Niederländer, die ihr Land dem Meer abtrotzen mussten, und der schlanken, fragilen, liebreizenden Blume aus dem fernen Osmanenreich mag hier den Ausschlag gegeben haben.“ Trifft diese Erklärung auch auf Albbewohner zu? „Mit nur einer besonders schönen Tulpe im Haus besaß man schon ein Gegenstück zu der harten Welt außerhalb“, glaubt Kastner. Für seinen historischen Roman jedoch bietet nicht die Blüte, sondern der Niedergang eines hochspekulativen Geschäfts mit völlig überteuerten Tulpenzwiebeln den spannenden Hintergrund. Im Jahr 1637 löste die Tulpenmanie einen Börsenkrach aus. Die Niederlande schlitterte nur knapp an einer ausgewachsenen Finanz- und Wirtschaftskrise vorbei. Die Tulpe des Bösen, Jan Kastner, Verlagsgruppe Droemer Knaur

Nicht nur holländische Tulpen inspirieren zu Romanen, auch die Gönninger Zwiebelgewächse. Die bekannte Buchautorin Petra Durst-Benning  veröffentlichte 2005 ihren Roman „Die Samenhändlerin“. In diesem Beziehungsdrama um 1850 herum spielt ein Gönninger Samenhändler die Hauptrolle. Die Samenhändlerin, Petra Durst-Benning, Ullstein-Verlag

Info: www.goenninger–tulpenbluete.de

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Printausgabe: Sphäre 1/2011, Seite 14-15

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