Nicht nur meckern

Natur & Landschaft

Die wertvolle Kulturlandschaft am Jusi und Florian helfen 40 Ziegen des Schwäbischen Alb Vereins Kohlberg-Kappishäusern zu erhalten. Obendrein wirkt die fleißig knabbernde Herde als Publikumsmagnet, Ziegenpatenschaften sind heiß begehrt. PDF-Download: Print-Artikel runterladenPrint runterladen

Stolz ragen die beiden Vulkanschlote Jusi und Florian empor – als Zeugen einer geologisch höchst explosiven Vergangenheit. Der Zahn der Zeit legte sie frei, denn sie trotzten als harter Kern in weicheren Schichten der Abtragung. Optisch und ökologisch wertvoll ziehen die beiden beliebten Aussichtspunkte im Albvorland oberhalb Metzingens die Besucher in ihren Bann ­– dank jahrhundertelanger Bewirtschaftung. Heute wird dieses schwierige Gelände nicht mehr bestellt. Verbuschung droht der lichten Magerrasenvegetation.

Effektiv: Anders als Schafe fressen Ziegen am liebsten Blätter und schälen die Rinde der Sträucher ab. Das unterbindet die Fotosynthese und kappt die Versorgungswege.

Den Kampf gegen hartnäckige Sträucher hat der Schwäbische Alb Verein (SAV), Ortsgruppe Kohlberg-Kappishäusern, längst aufgenommen. Nach vielen schweißtreibenden, ehrenamtlichen Pflegeeinsätzen erkannte der Vorsitzende Stefan Tremmel vergangenes Jahr: „Der Jusi wächst schneller zu, als wir schneiden können.“ Was tun? Von Ziegen hatte keiner Ahnung. Trotzdem: Die Idee, die geschmacklichen Vorlieben der wendigen Tiere zur Offenhaltung der Landschaft zu nutzen, nahm Formen an. Tipps der Ziegenfreunde aus Dettingen motivierten, die SAVler starteten Behördengänge. „Ziegen meckern, Ziegen stinken, wo Ziegen sind, gibt´s Fliegen“, argwöhnten Anwohner und Gemeinderäte. Aller Widerstände zum Trotz boxte der engagierte Naturschützer das Projekt durch. Dank Unterstützung des Landkreises Reutlingen, der anders als der benachbarte Landkreis Esslingen den Bau eines Stalles genehmigte, nahm Tremmel die letzte büro­kratische Hürde im Regelwirrwarr (siehe Kasten). So hatte das Winterquartier für die flugs besorgten Ziegen ein Plätzchen auf Reutlinger Gemarkung gefunden. „16000 Euro haben wir bisher investiert“, beziffert der Ziegenvater die Kosten für den Verein. 4000 Euro schoss das Förderprogramm Plenum für den Stall hinzu, weitere 9100 sind für den Festzaun zugesagt, der mit 23000 Euro die Vereinskasse strapaziert.

Teamwork: Wer gerade Zeit hat, ist dabei. Zweimal am Tag muss nach den Tieren geschaut werden. Sind sie gesund? Alle zwei bis drei Wochen pferchen die Albvereinler um. Die Zaunanlage wird ab- und an anderer Stelle aufgebaut.

An den vierbeinigen Landschaftspflegern stört sich heute keiner mehr, im Gegenteil. Die Ziegenherde mit anfangs elf Tieren begeistert die Menschen weit über Kappishäusern und Kohlberg hinaus. Inzwischen weiden 40 Tiere, die Ziegenpatenschaften sind vergeben. Derweil modellieren die meckernden Kollegen ein Stückchen Biosphärengebiet – mit Teamgeist: Die Lieblingsspeise lockt oft in der Höhe. Um an Blätter und Zweige zu gelangen, klettern die gewitzten Tiere sogar aufeinander.

Behördenlogik: Ziegenprojekt wäre fast gescheitert

Endlich – Herwart Stribel (im Foto unten) spendiert dem neuen Ziegenstall den finalen Schutzanstrich. Natürlich hochwertige Naturharzfarbe aus seinem Kohlberger Betrieb, der Ruja GmbH. Doch so flüssig ihm diese Arbeit nun von der Hand geht, so schwierig gestaltete sich die Genehmigung dieses Stalls. Verrückt – Antragshürden brachten das tolle Naturschutzprojekt fast zu Fall. Denn ohne Stall keine Ziegen, ohne Ziegen keine Landschaftspflege an den Hausbergen Florian und Jusi. Der Reihe nach: „Ursprünglich wollten wir den Stall gerne auf Kohlberger Gemarkung errichten – im Landkreis Esslingen“, erzählt Stribel. Aber: Fehlanzeige, der Ziegenverein gilt nicht als privilegierter Landwirt. 23 Ziegen sind zu wenig Tiere für einen ordentlichen Stall. Komisch nur, dass drei Kilometer weiter der Landkreis Reutlingen die Kohlberger Ziegenfreunde aus dem Kreis Esslingen mit offenen Armen empfing. Die Genehmigung wurde durchgewinkt. Der Stall steht, das Ziegenprojekt glücklicherweise auch.

Ziegen-Produkte

  • Naturseifen mit Ziegenmilch, www.gundershofer-goisahof.com
  • Hartmut Hepperle, Kirchheim, Demeter-Betrieb, Hersteller und Lieferant von Milchprodukten, Wurst, Rauchfleisch und Fellen, Schlierbacher Str. 44, 07021/76015
  • U. Jaudaus, Lenningen, Schlattstall, Milchprodukte, Fleisch, Etterstr. 36, 07026/4092
  • Ziegenhof Domäne Weil, Ostfildern, Bioland-Hof, Produkte rund um die Ziege im Hofladen (Domäne Weil 1-6), sowie auf dem Wochenmarkt Esslingen, www.arbeg.eu/ziegenhof.html
  • Ziegenfreunde Dettingen, Der Verein verfolgt die Offenhaltung der Kulturlandschaft durch extensive Beweidung, www.ziegenfreunde-dettingen.de
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    Printausgabe: Sphäre 2/2011, Seite 34-35

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