Das Ende der Nacht

Die Menschen machen die Nacht zum Tag. Ob Sie darunter leiden, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Doch der Tod von Millionen Zugvögeln und Abermilliarden Insekten geht nachweislich auf das Konto der Lichtverschmutzung. Die Alb gilt als letztes Refugium der tiefreinen Nacht.

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Die Tage werden kürzer, die Nächte endlos lang. Am Erscheinungsdatum der Sphäre, Mitte November, wird die Sonne schon um 16:45 Uhr versinken. Sterne strahlen, die Schwärze der Nacht hüllt uns fast 14,5 Stunden lang ein. Langsam schaltet der menschliche Biorhythmus evolutionsbedingt auf Winterspargang – doch das Getriebe hakt, es funkt und blitzt Edisons Nachlass über den gesamten Planeten.

Grell leuchtet die Glühbirne: Fassaden erstrahlen in Halogenfluterschein. Autolampen geis­tern durch die Nacht, 11,4 Milliarden Kilowattstunden Haushaltsstrom machen in den rund 39 Millionen Wohnungen der Republik die Nacht zum Tag.

 

Ein unnatürlicher Tag, der zusehends mit Geisterfingern auch in die fast makellose Schwärze der Schwäbischen Alb hinein reicht. „Lichtverschmutzung“, heißt das Schlagwort, das noch nicht viele Gedanken der Menschen bewegt – wohl aber die Köpfe einiger Tierarten mächtig verdreht. So berichtete Tobias Querner, Autor beim Deutschen Naturschutzring, dass Zugvögel auf ihrer alljählichen Reise nach Süden durch angestrahlte Kulturdenkmäler und Diskothekenscheinwerfer teils tagelang verwirrt werden. In Hessen wurde letztes Jahr ein erster Schritt zur Wiederherstellung des normalen Vogelflugs getan: Das Umweltministerium und der Gaststätten- und Hotelverband einigten sich, dass Scheinwerfer im Herbst freiwillig abgeschaltet werden. Denn: Allein in Nordamerika sterben laut einer Studie der Chicagoer Ornithologischen Gesellschaft pro Jahr zwischen 100 Millionen und einer Milliarde Zugvögel durch nachts beleuchtete Wolkenkratzer und Bürogebäude. Das Lichtabschalten im McCormick-Place-Wolkenkratzer in Chicago verringerte den Anteil an tot aufgefundenen Vögeln in der Umgebung um 88 Prozent.

Eiskalt oder besser gesagt glühend heiß erwischt es die Insekten. Sie fliegen förmlich auf die blau, violett und ultraviolett strahlenden Lichtquellen wie die gebräuchlichen Quecksilberdampflampen. Sie umkreisen diese Laternen oft so lange, bis sie erschöpft sind und leichte Beute für die morgendlich jagenden Vögel werden oder sie verbrennen. So sterben über eine Milliarde Insekten in einer einzigen Sommernacht in Deutschland. „Alle Ergebnisse weisen darauf hin, dass in Siedlungsgebieten schon ein starker Rückgang der Insekten eingetreten ist“, warnt der Zoologe Gerhard Eisenbeis von der Universität Mainz. Besonders sei die Vielfalt der nächtlichen Falter bedroht.

Auch den Menschen lässt Lichtverschmutzung offensichtlich nicht kalt – beziehungsweise die künstliche Verlängerung des Tags: Dies beeinflusst den Hormonstoffwechsel. Allerdings sind die Forschungsergebnisse hierzu noch dürftig.

Aufgegriffen hatten dieses Phänomen ursprünglich die Astronomen. Sie klagten, dass Sie ihre Beobachtungen kaum mehr vernünftig durchführen könnten. Anders die Himmelsstürmer auf der Alb, sie erfreuen sich nach wie vor an glasklaren Nächten. Gehen Sie doch mal mit Ihrem Feldstecher auf Bärenjagd. Es gibt gleich zwei von ihnen zu entdecken. Ein großes Exemplar, das sich in den Wintermonaten am nordöstlichen Horizont erhebt. Und ein kleines Tier, das seine Kreise um den Polarstern zieht. Der Große und Kleine Bär sind hierzulande eher unter dem Sternbild Großer und Kleiner Wagen bekannt.

  Foto: Nasa

Kalte Sonne: Noch macht die künstliche Strahlkraft der Erde der Sonne keine Konkurrenz. Die Lichtintensität Mitteleuropas ist enorm. Trotzdem genießen echte Nachtschwärmer in 800 Metern Höhe auf der Alb noch eine Milchstraßen-taugliche Nacht.

 

Schwarze Nacht: Subjektiv empfunden ist es auf der Alb absolut dunkel. Vom Standort auf der Laichinger Alb ist der Ulmer Lichterglanz am Horizont über 20 Kilometer Luftlinie zu sehen. In der stärks­ten Lichtgloc­ke kann sich der Schein von Sirius behaupten, der hellste Fixstern des Himmels (roter Kreis). Gut zu sehen ist auch das Sternbild des Orion (helle Kreise).

 

Gehen Sie auf Sternensuche: Jagd auf Große Bären

Nicht viele Menschen können den zarten Schleier der Milchstraße leuchten sehen. Die Bewohner der Alb aber zählen zu den Glücklichen. Ihre Nacht lebt – das weiße Band am Firmament aus Milliarden von Sternen pulsiert am tiefschwarzen Himmelszelt. Leichter tun sich Hobbysternjäger mit dem Großen und Kleinen Bären, besser als Großer Wagen und Kleiner Wagen bekannt. Der Große Wagen hilft bei der Suche des Polarsterns. Verlängert man den Abstand der zwei Kastensterne gegenüber der Deichsel ungefähr fünfmal Richtung Norden, trifft man ihn: den Polaris, den Nordstern. Er ist gleichzeitig der hellste Stern des Kleinen Bären.

Foto/Text: Hans-Peter Eppler 

 Fotodaten des Aufmachers Ulmer Münster: Canon EOS 20D, Blende F 4, Zeit 20 sec, Empfindlichkeit ISO 400, Objektiv 300 mm Brennweite.

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Weiterführende Links

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Printausgabe: Sphäre 3/2009, Seite 42-43

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