Mehr Wein als Wasser

Landschaft & Geschichte: Pfullinger Trinksitten

Die Römer brachten den Pfullingern den Wein. So lernten nicht nur die sonnenverwöhnten Badener die süßen Früchte schmecken, auch die Menschen an den unterkühlten Hanglagen der Alb suchten nach Wärme und Licht für ihre Trauben.

PDF-Download: Print-Artikel runterladenPDF-Download: Print-Artikel runterladen

Prost Mahlzeit – so wie sich die Sitten der Völker wandeln, ändern sich auch die Gewohnheiten, zu trinken. Die Ausstellung in Pfullingen (Kasten unten) zeigt die Geschichte und Bedeutung der unter­schiedlichs­ten in Pfullingen produzierten Getränke und den daraus resultierten Trinkgewohnheiten.

Denn: Wasser war knapp, nicht nur auf der kargen Alb. In ganz Europa galt das kühle Nass keineswegs als neutrales Tafelgetränk. Bis zur modernen Trinkwasseraufbereitung ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts genossen auch die Ärmsten zu jeder Mahlzeit milden Alkohol. Wein im Süden, Bier im Norden. Beide Getränke gab es in unterschiedlichster Qualität und Sorten.

Der Weingenuss kam schon 58 vor Christi Geburt mit den Römern nach Nordeuropa. Der vergorene Traubensaft spielte bei den Ritualen der christlichen Kirchen schon immer eine besondere Rolle. Besonders in den Anbaugebieten aber hieß es: „Gib uns Wein und das tägliche Brot“.

Die Qualität des Alltagsweins war eher gering, es handelte sich um alkoholisierten Traubensaft aus zweiter und dritter Pressung. Die Pfullinger bevorzugten ein Gemisch aus Apfelmost, Birnen mit Wasser und Wein. Während des gesamten 17. Jahrhunderts war zum Schutz des Weinbaus das Mosten verboten. Bis zum Jahr 1776 durfte daher in Wirtschaften kein Most ausgeschenkt werden. Nur wenige Orte erhielten wie Pfullingen die Erlaubnis, Wein und Most als Mischling zum Verkauf anzubieten.

Das Pfullinger Klarissenkloster hatte den Rebenanbau im Mittelalter sehr gefördert, er betrug aber bis 1520 nur 2,5 Morgen (1 Morgen = ca. 0,24 Hektar). Bis 1562 erweiterten die Weinbauern die Flächen auf 68,5 Morgen, meist „In Seiten“ (Seitenhalde). Während der Blütezeit des Pfullinger Weinbaus 1824 beanspruchten die Reben satte 384 Morgen sonnigstes Albhangland. Den besten Wein ernteten die Pfullinger im Katzenbohl am Fuß des Ursulabergs und in der Lindach am oberen Georgenberg. Im Schutz der Berge wurde Weinbau auf immerhin über 20 Morgen sogar bis Unter- und Oberhausen betrieben – allerdings schon vor 1850 aufgegeben.

Auf Wein folgte Hopfen. Der experimentierfreudige Pfullinger Amtsschreiber Wilhelm Steeb gründete 1840 die Klosterbrauerei. Den dazugehörigen Hopfengarten legte er in den „Sandwiesen“ (heute Villa Laiblin) an. Der unternehmerische Erfolg blieb ihm versagt. Nach mehreren Betriebsübergängen ab 1858 erwarb die Brauereidynastie Sigel im Jahr 1868 die Brauerei. Markenzeichen wird ein rotes Wachssiegel mit einem Mönch, ein überschäumendes Glas Bier in der Hand. Adolf Sigel pflanzte 1880 seinen Hopfen direkt am Georgenberggipfel, Gewann „Hinterm Berg“. Der Hopfen blühte um Pfullingen bis zu Beginn des 20. Jahrhundert. Dann wichen Hopfen und Rebstöcke den heute noch landschaftsprägenden Streuobstwiesen.

Von Waltraud Pustal

Wein statt Wasser: Die Karte zeigt, dass Weinbau (gelb) nicht nur das Pfullinger Trinkverhalten prägte, sondern auch die Landschaft.

——————————————————-

PDF-Download: Print-Artikel runterladenPDF-Download: Print-Artikel runterladen

Printausgabe: Sphäre 2/2010, Seite 20


WEBcode 241178

Die Kommentare sind geschlossen.