Nationalpark Berchtesgaden

Nationalparkportrait: Berchtesgadener Land – ein Stück Bergwelt aus dem Bilderbuch

Faszination der Gegensätze: Das Berchtesgadener Land ist mit dem UNESCO-Titel Biosphärenreservat geadelt und gibt sich gleichzeitig als Nationalpark die Ehre.  Bizarre Schneegipfel und liebliche Täler zeichnen ein kontrastreiches Landschaftsbild, das über Jahrhunderte berühmte Maler inspirierte. Kontrastreich auch das Publikum: Hier geben sich jungdynamische Sporturlauber ebenso die Klinke in die Hand wie geruhsame Kur-Urlauber.

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Langsam schiebt sich die Sonne über den „Toten Mann“. Ihr gleißendes Morgenlicht streift diesen kleinen Gipfel, dessen Name der Sage nach dem letzten, bitterkalten Stündlein eines Wandersmanns geschuldet ist – er hatte den strengen Alpenwinter schlicht unterschätzt.

Mit dererlei Wetterkapriolen war diesmal im Wonnemonat Mai nicht zu rechnen, denn: Verheißungsvoll spannt sich reinstes Himmelsblau über die schneebedeckte Westflanke des Watzmanns, so dass dieser förmlich erglüht. Der 2713 Meter hohe Steinkoloss (siehe Foto) schickt seine Gute-Wetter-Grüße hinunter zu den Sommerfrischlern ins Tal. Guten Morgen Ramsau, seid gegrüßt in Berchtesgaden, Servus Königsee.

Kunstvoll: Viele Maler ließen sich von diesem Gebirge inspirieren.

Das Naturparadies im Südzipfel Deutschlands haben berühmte Künstler wie Carl Spitzweg, Wilhelm Busch, Ludwig Richter oder Adalbert Stifter mit ihren Exponaten und Reiseberichten schon früh bekannt gemacht. Die Menschen wollten das Original sehen. Ist die Natur eines Nationalparks und Biosphärenreservats tatsächlich noch in Ordnung? Schaut die St. Sebastian Kirche in Ramsau wirklich so aus wie auf den vielen Postkarten und Kalenderfotos? Sie zählt zu den am meisten fotografierten Kirchen der Republik. Alleine Google meldet rund 95000 hochgeladene Fotos.

Kein Wunder, dass schon wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg das Berchtesgadener Land 1953 die Millionengrenze an Übernachtungen knackte. Die Zweimillionengrenze pulverisierte die kristallklare Bergwelt des Watzmanns im Jahre 1965 mit satten 2,2 Millionen Übernachtungen. Diese Zahlen blieben bis heute stabil. Zum Vergleich: Die Übernachtungszahlen der flächenmäßig rund siebenmal größeren Schwäbischen Alb pendeln um drei Millionen – mit eingerechnet die nicht wenigen Kurztrips der Geschäftsleute.

Bezaubernde Perspektiven: Hintersee

Grund für die rasante Entwicklung zwischen Königsee und Watzmann ist die breitgefächerte Zielgruppenansprache. Es gibt keine Berührungsängste zwischen Naturschützern, Sportlern und erhohlungssuchenden Spätsemestern. Bestes Beispiel: Das beliebte Ausflugsziel Alpengasthaus Hirschbichl auf 1150 Metern direkt an grünen Grenze nach Österreich. Frühmorgens tummeln sich dort als erstes auf der Sonnenterasse die Skitourengeher. Sie haben ihr Tagespensum schon um 10 Uhr vollbracht. Nach und nach schwitzen nun die Mountain-Biker auf extra Wegen des Nationalparks hier herauf. Um die Mittags­zeit tauchen Karo-Hemden auf, deren Träger sich nach ihrer Drei-stundenwanderung entspannt einen „Almdudler“ gönnen (österreichisches Limogetränk). Ein buntes Gesprächsthemengewirr bildet das Grundrauschen an den Tischen.

Die einen zücken ihr Bestimmungsbuch, andere sinnieren über die weithin sichtbaren Spuren des diesjährigen Lawinenabgangs und den damit verbundenen unaufhaltsamen Lauf der Natur. Ältere Semester genießen gemütlich ihr Kännchen Kaffee oder beschwatzen angeregt bei selbstgebackenen Kuchenspezialitäten ihre Zipperleins, die sie in der Therme oder im Reizklima der Salzstollen zu lindern suchen. Derweil fachsimpelt eine bunte Radtrikotschar über Hochprozentiges. Keine Gnade für die Wade – rund um den Watzmann gibt es knackige Steigungen mehr als genug: Vielleicht dürfen es die asphaltierten, verkehrsfreien Serpentinen zum NS-geschichtsträchtigen Kehlsteinhaus sein? Der Nationalpark vereint viele Gegensätze: Er bringt unterschiedliches Alter und Freizeitinteresse ebenso zusammen, wie er sanfte Talauen und bizarre Gipfel zu einem harmonischen Gesamtbild fügt.

1000-mal fotografiert: Ramsauer St. Sebastian Kirche

Aber auch das dunkle Kapitel deutscher Geschichte wirkt, als gehören deren schwarze Schatten zum satten Grün der Täler. Als lebendige Anschauung vielleicht oder Abschreckung? Auf jeden Fall macht Hitlers Wirken in Berchtesgaden viele Touristen neugierig. Nach der Machtergreifung erklärte das Regime Berchtesgadens Obersalzberg zum Führersperrgebiet. Hitler baute die Reichskanzlei Dienststelle zum zweiten Regierungssitz aus. Das Kehlsteinhaus in 1820 Metern Höhe ist ein Zeugnis nationalsozialistischen Größenwahns – ein Geschenk zu Hitlers 50. Geburtstag. Den Gipfel konnte der Diktator per Auto erklimmen. Die letzten 124 Höhenmeter überwindet ein in Messing gekleideter Aufzug durchs Gebirge hinauf zum Gipfelhaus. Rund 300000 Touristen jährlich wollen dieses Zeitzeugnis sehen. Die meisten aber wegen des malerischen Ausblicks in eine bildhübsche Natur – arrangiert scheinbar von Künstlerhand.

Diashow Nationalpark Berchtesgaden

Übersichtskarte

Doppelspitze: Nationalpark trifft Biosphärenreservat

Nationalpark Berchtesgaden: Respektvoll bestaunen, aber dennoch mit sportlich tiefen Atemzüge erleben. Dieser Brückenschlag zwischen Jung und Alt und deren Interessen gelingt nur wenigen geadelten Naturlandschaften. Klar – Verbote und Schutzrichtlinien gibt es auch hier, jedoch nicht auf Schritt und Tritt. Hier flucht kein Wanderer über Mountain-Biker und kein Skifahrer muss sich für seinen Sport schämen. „Schützen durch nützen“ wird hier gelebt. Daher werben nicht nur puristische Naturliebhaber für dieses grandiose Gebirge, sondern die jungen Wilden. Es hat sich in ihren Kreisen herumgesprochen, dass man hier nicht nur thermalbaden kann, salzheilen in alten Bergwerksstollen, gemütlich spazieren auf dem Soleleitungspfad oder mit dem Fährschiff über den Königsee schaukeln kann. Nein, hier gibt´s Naturgenuss in seiner intensivsten Art: anspruchsvolles wandern, klettern, biken, Skitouren gehen, rodeln oder Ski laufen. Die Bergwelt des Nationalparks berührt einen jeden auf seine Art.

Nationalparkinfo: Hier an der stark bewanderten Hirschbichl-Route gibt´s Infos zum Park und Steinadler.

Gegründet wurde dieser 1978, zeitgleich hatte man diesen und das seinerzeit auf den inneren, südlichen Teil des Landkreises beschränkte Vorfeld zum „Alpenpark Berchtesgaden“ erklärt. 1990 ernannte die UNESCO den Alpenpark zum Biosphärenreservat Berchtesgaden. 2010 hatte man das Reservat erweitert. Nun gehört der ganze Landkreis zum Biosphärenreservat Berchtesgadener Land.

Nationalpark: 210 km2 / Höhe: 603 (Königssee) bis 2713 m (Watzmann) -Biosphärenreservat: Fläche: 840 km2 (Vergleich: Schw. Alb: 853 km2)

Hindenburg-Linde: 900 Jahre, 15 Meter Umfang, 30 Meter hoch

WEBcode #12206

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Printausgabe: Sphäre 2/2012, Seite 28-31

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