Das Spiel mit dem Vertrauen

Kommentar: Das Brucktal für Radfahrer wieder geschlossen

23. April 2007: Ein Schritt vor, zwei zurück. Da wird den Menschen der Region und vor

allem den durch die militärisch Nutzung belasteten Anwohnern Hengens, Böhringens und Zainingens ein Stück ihres Lebens- und Bewegungsraumes zurückgegeben: Am 15. März hatte das Landratsamt Reutlingen und die Bundesimmobilien-Anstalt den seit einem Jahr diskutierten Abschnitt des Brucktals für Wanderer und Radfahrer freigegeben.

Die Freude war groß – soweit ein riesen Schritt nach vorn. Zumal sich bei der aktuellen touristischen Entwicklung des Tuppenübungsplatzes abzeichnet, dass die Besucher zu 70 Prozent und mehr die Schönheiten des Münsinger Hardts mit dem Fahrrad erkunden.

Aber die Freude hielt nicht lange. Denn in den Augen des Landesnaturschutzverbandes (LNV) mutieren die radelnden Familien genau auf diesem umstrittenen, 3,5 Kilometer langen Abschnitt des Brucktals plötzlich zu aggressiven Radmonstern. Zu Pedalrittern, die rücksichtslos in Wandergruppen hinein rasen, Natur-Rowdies, die Schmetterlinge und Feuersalamander platt walzen.

Nach Ansicht des LNV stört das Surren der Reifen und Ketten mehr als die plaudernden Wandergruppen, die derzeit 20-köpfig durch das Brucktal geschleust werden. Stellt sich die Frage, warum der Radfahrer auf den ersten 3,5 Kilometern (auf denen er noch radeln darf) der insgesamt 6,5 Kilometer der Talverbindung von Zainingen ins Fischburgtal keine
Gefahr für den Wanderer darstellt und überhaupt auf dem gesamten Truppenübungsplatz ein gern gesehener Gast ist und das Miteinander hervorragend klappt.

Stellt sich die Frage, warum auf den ersten 3,5 Kilometern die Wegführung weniger kritisch ist, obwohl es dort ebenso viele der leicht geschwungenen Kurven gibt. Auch fragt sich der aufmerksame Betrachter: Gibt es dort keine Schmetterlinge und Feuersalamander?

Die Argumentationskette des LNV ist schlicht nicht nachvollziehbar, die Motivation für dieses rigorose Veto aber dafür umso klarer: Wenn schon nicht das Brucktal komplett menschenfrei bleibt – so hätte es sich der LNV gewünscht – müssen die Radfahrer als Bauernopfer herhalten. Denn: In der Naturschützer-Szene haben sie keine Lobby.

Ist dieser Teilerfolg diesen Vertrauensverlust wert? Haben womöglich Gemeinden recht, die sich der Biosphäre aus Sorge vor Restriktionen verweigerten? Schade – das sind zwei Schritte zurück, wo doch gerade Vertrauen und spürbarer Optimismus um sich greift. Haben die Verantwortlichen dieser Entscheidung daran gedacht, dass man durch diesen Grabenkrieg die Perspektive für die touristische Entwicklung auf dem Truppenübungsplatz einschränkt, für das Umland sogar unmöglich gemacht wird?

Wie Eingangs erwähnt, radeln schon jetzt ein großer Teil der Besucher auf und um den Truppenübungsplatz. Genau diese Verbindung über Zainingen, durchs Brucktal ins Fischburgtal – fast ausschließlich außerhalb des Truppenübungsplatzes – hätte so dazu beigetragen, dass sich die touristischen Ströme auch in die Randgemeinden des Platzes verlagern, dass das Münsinger Hardt als Publikumsmagnet mittelfristig entlastet wird. Mit dieser Entscheidung ist nun eine der schönsten Radeltouren außen herum von Zainingen – Fischburgtal – Seeburg – Trailfinger Schlucht nach Gruorn oder Münsingen und zurück tabu.

Auch Seeburg und Bad Urach sind abgeschnitten. Es gibt keine Alternative. Haben die Verantwortlichen auch daran gedacht, dass diese Diskussion die unnötige „Haßliebe“ zwischen Wanderern und Radfahrern erneut entfacht? In einer Region, wo gerade der radelnde Gast neue Perspektiven verspricht?

Haben die Verantwortlichen daran gedacht, dass hier Menschen wohnen, deren natürlicher Zugang ohne Auto hinunter nach Seeburg einzig das Brucktal darstellt? Und diese Menschen hier oben schätzen und genießen weit aus mehr die Natur, als es sich die Geschäftsführer der fernen Verbandszentralen vorstellen. Denn: Sie leben mit dieser Natur.

Felix Fuchs (Herausgeber)


Hintergründe

Brucktal geschlossen (vom 20. April 2007)

Kommentar zur Sperrung (vom 23. April 2007)

Politikerstatements zur Sperrung (vom 27. April 2007)

Brucktal geöffnet (vom 3. Mai 2007)

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