Atem raubend

REPORT: Sport schärft die Sinne für die Natur und steigert den Erlebniswert

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Die Schönheit der Alb verschlägt vielen den Atem. Doch mehr noch ringen jene nach der sauberen Luft der Biosphäre, die mit erhöhtem Puls die Wälder und Wiesen durchstreifen. Sportler erleben als Wanderer, Walker, Radler oder als Kletterer das hohe Land doppelt intensiv.


Vogelgezwitscher, Blumenduft und weicher Waldboden machen das Fitnessprogramm auf der Schwäbischen Alb zum Kurzurlaub für die Seele. Open-air-Sport steigert die Naturverbundenheit, die Verantwortung für die Umwelt wächst. Vor allem bei Kindern und Jugendlichen wirkt Bewegung im Freien als Schlüssel zur Natur. Sie begreifen die Raumschaft, die Topographie, sie packen an und erleben – ganz gleich ob mit den Fingern am Felsvorsprung, mit dem ganzen Körper frei schwebend in der Luft oder mit Gummistollen am Schuhwerk oder dem Fahrrad.

Deshalb verpflichten sich immer mehr Sport- und Naturschutzverbände  zum konstruktiven Dialog. Gute Voraussetzungen also für eine vitale schwäbische Biosphäre nach dem Vorbild unserer aktiven Nachbarn wie der Schwarzwald oder die Sportskanonen der Alpen. Die wildromantische Kulisse der künftigen Biosphäre Schwäbische Alb hat das Zeug für diese sportliche Variante der Umweltbildung.

Klettern

Die Freiheit genießen, an die eigenen Grenzen gehen und dabei der Natur ganz nahe sein: Dies sind Gründe, warum die Kletterer-Community stetig wächst. Immer mehr Menschen gehen „die glatte Wand hoch“. Trainiert werden dabei nicht nur die Muskeln. „Klettern ist für mich der beste Ausgleich zum Berufsalltag, denn es werden alle Sinne angesprochen und ich kann dadurch extrem gut abschalten“, erklärt Arnold Kaltwasser von der Sektion Reutlingen des Deutschen Alpenvereins. Außerdem ist Klettern Naturerlebnis pur. Neben den sozialen Anforderungen in einer Seilschaft und der sportlichen Herausforderung profitieren Alt und Jung beim Klettern von prägenden Naturerfahrungen. „Stolz und überglücklich setze ich mich an die Kante des Felsens und lasse die Beine baumeln. Eine herrliche Landschaft breitet sich vor mir aus. Ein unbeschreibliches Gefühl überkommt mich. Nichts ist schöner, als die Natur so zu erleben“, beschreibt eine 24-Jährige auf der Internetseite von „Jugend für Umwelt und Sport“ ihre Erlebnisse beim Klettern.

Geklettert wird auf der Schwäbischen Alb schon seit über 100 Jahren. Das Terrain reicht dabei vom Anfängerfels über anspruchsvolle, alpine Wände bis hin zu Stellen, an denen in Absprunghöhe geklettert, das heißt gebouldert werden kann. Auf insgesamt 3.000 Routen lassen sich die Felsen im schwäbischen Mittelgebirge erkunden. Das Besondere: „Durch den steilen Abbruch am Albtrauf und die weite Sicht über die Ebene kommt dabei richtiges Gebirgsfeeling auf“, schwärmt Kaltwasser. Eine der schönsten Routen in der Biosphäre ist für ihn die 6er-Tour „Ikarus“ am Traifelberg bei Lichtenstein. Könner würde er auf die Route „Mastermind“ mit einem Schwierigkeitsgrad von 9+ an den Sirchinger Nadeln empfehlen. „Viele einfache Routen für Einsteiger gibt’s am Wiesfels oberhalb von Glems“, weiß der Kletterexperte.

Mit strengem Blick wachen die Kletterer und Naturschützer über den Lebensraum Fels. Ein einziger Fußtritt kann verhängnisvolle Folgen für den empfindlichen Bewuchs haben. Deshalb gibt es für jeden Fels auf der Alb einen Felspaten, der das Gelände beobachtet, Verbote kontrolliert und die Zustiegswege frei hält. „Das funktioniert sehr gut“, freut sich der Klettersportler. Was das Klettern in der Biosphäre anbelangt, so ist hier vieles im Moment noch offen. „Fest steht, dass in der Kernzone Klettern verboten ist. Davon betroffen scheinen im Moment aber nur der „Spielplatzfels“ und die „Baldeck Nadeln“ im Seeburger Tal“, weiß Kaltwasser.

Fliegen

Auch Drachen- und Gleitschirmpiloten finden in der Biosphäre ideale Bedingungen vor. „Wie bei den Kletterfelsen haben wir bei der Ausweisung des Gebiets darauf geachtet, dass die Startplätze außerhalb der Kernzonen liegen“, so Wolf Hammann, Biosphären-Koordinator beim Regierungspräsidium Tübingen. Die Steilstufe des Albtraufs hat es auch den Anhängern des lautlosen Luftsports angetan: „Denn frei fliegen, heißt zunächst sinken“, erklärt Dieter Rebstock vom Drachen- und Gleitschirm Club Hohenneuffen. Wie die Vögel nutzen die Piloten dann den Aufwind, um wieder Höhe zu gewinnen. Gleitschirmfliegen besitzt Suchtpotenzial: Allein im Großraum Stuttgart drehen nach Einschätzung von Dieter Rebstock rund 5.000 Nachfahren Otto Lilienthals ihre Kreise. Da geht es an den wenigen zugelassenen Startplätzen am Albtrauf manchmal recht eng zu: „An guten Tagen tummeln sich am Startplatz Neuffen Nord schon mal 30 Flieger im nur 800 Meter breiten Aufwindband. Da wird’s eng und es fällt auch in der Luft mal ein lautes Wort“, lacht er. Damit der uralte Menschheitstraum vom motorlosen Fliegen auch auf der Alb weiter real bleibt, kümmert sich die IG „Fußstart Schwäbische Alb“ im Dialog mit dem regionalen Naturschutz um geeignete Startplätze. „Anfangs hatte man Angst, die Greifvögel würden verschwinden. Dies hat sich nicht bestätigt“, freut sich Dieter Rebstock. „Wir stören die Vögel nicht, sondern fliegen oft gemeinsam mit ihnen: Am Neuffen startet zum Beispiel niemand, bevor der Bussard fliegt. Vorher muss man es gar nicht probieren, will man nicht in zwei Minuten wieder unten sein.“ Das Naturerleben aus der Vogelperspektive hinterlässt bei jedem Flugsportler unvergessliche Eindrücke. Auch Rebstock empfindet es nach über 25 Jahren als große Bereicherung, die Welt von oben betrachten zu können. Trotzdem: „Wer behauptet, Fliegen sei ungefährlich, sollte den Sport wechseln“, weist er auf das Risiko hin.

Nordic Walking

Nicht jeder muss gleich in die Luft gehen, um die Alblandschaft sportlich zu erleben. Bodenständiger geht’s beim Nordic Walking zu. Die von Ärzten hoch gelobte Natursportart erlebt nicht nur seit Jahren einen ungebremsten Boom. Das schnelle Wandern mit gezieltem Stockeinsatz passt auch optimal zum hügeligen Gelände der Biosphäre. „Das sanfte Auf und Ab über die Kuppen der Alb macht das Training hier besonders effektiv“, weiß der Trochtelfinger Triathlet Matthias Klumpp. Der Alb Gold Marketingexperte sieht in dieser Disziplin jede Menge Potenzial für die Region und stellt sich dabei Nordic Walking Pfade vor, die Tipps zur Fitness und zusätzlich Infos zu Geologie, Fauna und Flora am Wegesrand geben. „Auf der Alb fehlen aber ausgeschilderte Strecken. Die würden Sportlern und Natur gleichermaßen helfen, indem sie die Läufer durch landschaftlich reizvolles Gelände führen und nebenbei die Besucherströme lenken“, so seine Meinung. Heute schon ist das Wegenetz in der Biosphäre so ausgebaut, dass man mit gutem Kartenmaterial auch ohne Beschilderung wunderschöne Runden drehen kann. „Aber Vorsicht: Obwohl Nordic Walking recht einfach erlernt werden kann, sollte auf die richtige Lauftechnik geachtet werden“, warnt Klumpp und empfiehlt Anfängern dringend einen Einsteigerkurs. Korrekt ausgeübt aktiviert das gelenkschonende Ganzkörpertraining bis zu 90 Prozent der Muskulatur, verbessert Herz-/Kreislaufleistung und Ausdauer und kräftigt die Oberkörpermuskulatur. Damit der gesunde Trendsport auch in der Biosphäre richtig heimisch werden kann, ist für Marketingprofi Klumpp eine enge Kooperation von Tourismus, Sport und Naturschutz unabdingbar.

MOUNTAIN-BIKEMountain Biking

Der Radsport hingegen ist auf der Alb schon lange zu Hause: Genussradler finden ein gut ausgebautes Radwegenetz vor und Rennradler nutzen die kurvigen, schmalen Landstraßen. „Was fehlt, sind ausgewiesene Wege für Mountain Biker (MTB)“, merkt Offroad-Papst Hans Klug an. Als Leiter der TSG-Radsportabteilung in Münsingen und Veranstalter von MTB-Rennen kennt er das Terrain wie seine Westentasche. „Die zukünftige Biosphäre hat speziell für Mountain Biker richtig viel zu bieten“, ist er sich sicher. Die gute Resonanz auf den neu eröffneten Mountain Bike Park in Münsingen gibt ihm recht (wir berichteten). In der Szene wird die MTB-Destination Schwäbische Alb noch als kaum erschlossener Geheimtipp gehandelt. Mit der Ausschilderung verschiedener Rundkurse könnte die Biosphäre für Mountain Biker noch attraktiver gestaltet werden und die Fahrer gleichzeitig auf den für sie optimierten Strecken gehalten werden. „Solche Touren sollten aber auch Passagen abseits asphaltierter Wege mit schmalen, steilen Bergetappen enthalten“, präzisiert Klug. Mountain Biker suchen die konditionelle Herausforderung und wollen diese mit herrlichen Naturerlebnissen verbinden. Hat man sich die schöne Aussicht mit eigener Muskelkraft erkämpft, genießt man sie besonders intensiv. Ein Hochgefühl, das Klug und seine Kollegen auch an Kinder und Jugendliche in den MTB-Vereinen weitergeben wollen, um sie so weg vom PC und raus in die Natur zu locken. „Draußen im Gelände bekommen die Kids auch gleich mit, dass man auf den Wegen bleibt, keine Bremsspuren hinterlässt und den Abfall wieder einsammelt“, erklärt Klug, der sich bei Jung und Alt für ein freundliches Miteinander einsetzt: „Treffe ich auf Fußgänger, ist es selbstverständlich, dass ich langsam fahre, grüße und auch mal Zeit für ein Gespräch habe.“

Von Christine Wolfangel

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ABGEHOBEN: Drachenflug und Paragliding

König der Lüfte

Bevor man in fremdem Gelände frei fliegen darf, muss man die drei Prüfungen bis zur A-Lizenz ablegen. Die Ausbildung entspricht kostenmäßig dem Führerschein und kann nur in vom DHV registrierten Flugschulen absolviert werden. Während der Ausbildung benutzt man die Ausrüstung der Flugschule, danach kommt man zunächst mit einer gebrauchten Ausrüstung aus. Kosten: Rund 1000 Euro.

Tandemflug: Direkt im Fluggelände nachfragen. Piloten mit Flugberechtigung für Tandemflüge sind dort meist bekannt. Je nach Flugdauer kostet der Spaß um die 100 Euro. Auch am Neuffen kann man sich per Tandemflug die Biosphäre von oben zeigen lassen.

Biosphären-Startplätze:

  • Neidlingen (Nähe Reußenstein): Drachen- und Gleitschirmflieger.
  • Geislingen: Drachenflieger.
  • Neuffen Nord: Drachen- und Gleitschirmflieger.
  • Neuffen West: Drachenflieger, erfahrene Gleitschirmflieger.
  • Nützliche Links: Naturverträglicher Sport www.kuratorium-sport-natur.de, Dachverband www.dhv.de

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SEILAKT: Höhenluft für Jedermann

Spaß-Kraxeln

Klettergarten

Einstieg leicht gemacht. Wer sich ernsthaft für den Klettersport interessiert, meldet sich am besten zu einem Schnupperkurs an. Dort lernt man, wie Seil, Gurt

und Karabiner eingesetzt werden und unternimmt erste gesicherte Kletterversuche an Naturfelsen oder an der Kletterwand. Springt der Funke über, ist ein solider Grundkurs zu empfehlen. Außerdem kann man sich über die nächstgelegene Sektion des Deutschen Alpenvereins einer regionalen Klettergruppe anschließen.

Indoor-Klettern: In der Kletterhalle im Laichinger Sportzentrum Davigol warten auf Kletterbegeisterte 22 farblich gekennzeichnete Routen, die wöchentlich neu gesteckt werden. Ein Überhang von fünf Metern und die mit 20 Metern längste Route fordern auch Profis. Geboten werden Schnupperkurse, Geburtstagsklettern sowie Kinder- und Jugendtraining der DAV Ortsgruppe Laichingen. 9.30-11.30 Uhr / 14.00-22.30 Uhr. Erw./Jug./Kinder: 6/5/3 Euro (bis 3 Stunden). Tel. 07333 / 7456, www.davigol.de.

  • Abenteuerpark Schloss Lichtenstein: Es müssen nicht immer Felsen sein. Im Hochseilgarten am Schloss Lichtenstein kann man dem Alltag in luftiger Höhe davon klettern und sportliche Trainingserfolge erzielen. 9.00-19.00 Uhr. Erw./Jug./Kinder: 17/15/12 Euro. Tel. 07473 / 273700, www.abenteuerpark-schlosslichtenstein.de
  • Kletterwald Laichingen: Auch bei der Tiefenhöhle in Laichingen kann man sich in der im Juni 2007 eröffneten Kletterwald-Anlage von Baum zu Baum schwingen, über wackelige Brücken steigen und an Seilen Hindernisse überqueren. Täglich 9.30-19.00 Uhr. Erw./Jug./Kinder: 17/12-14/8 Euro. Tel. 0170 / 4756120, www.kletterwald-laichingen.de.
  • Nützliche Links: www.alpenverein-bw.de, www.dav-reutlingen.de, www.dav-felsinfo.de, www.ig-klettern-alb.de, www.natursport-bw.de, www.projekt-schaufelsen.de, www.ig-klettern-donautal.de, www.juus.de (Jugend für Umwelt und Sport), www.bergfuehlung.de (Klettern für Kinder und Jugendliche auf der Alb).

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BODENSTÄNDIG:  Nordic und Walking

Auf der Spitze

NORDIC WALKING

Besucher zu flotter Gangart motivieren sollen die Nordic-Walking-Parks der Biosphäre.

  • Münsingen: Urlauber und Einheimische können unter drei Routen wählen, die alle an der Alenberghalle starten. Die Beutenlayroute führt auf 4,7 km Länge um den Münsinger Hausberg. Die Heutalroute verlängert diese Strecke auf 6,8 km. Sportliche Walker können auf der Alenbergroute 12,7 km bis nach Mehrstetten und zurück genießen. www.muensingen.de
  • Bad Urach: Sechs ausgesuchte Erlebnistouren zwischen 3,5 und 10,4 km Länge versprechen auch in Bad Urach Nordic-Walking-Vergnügen pur. Startpunkt aller Routen ist der Wanderparkplatz nahe dem Uracher Wasserfall. Die Touren führen zum Beispiel durch das idyllische Maisental, zum Wasserfall oder für gut trainierte Walker hinauf auf die Albhochfläche. www.bad-urach.de.
  • ALB GOLD Stöckles-Cup: Seit 2005 veranstaltet der TSV Trochtelfingen dieses Nordic-Walking-Event für Jedermann. Unter den 8-, 12- und 16-Kilometer-Strecken findet jeder seine Herausforderung. Infostände runden die Veranstaltung ab. Start: 14. 10. ´07, 10 bis 12 Uhr. www.stoeckles-cup.de.

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PROFILIERT: Mountain-Biking

Runde Sache

MOUNTAIN-BIKE

Die Schwäbische Alb bietet sowohl für Familien sanfte Routen mit geringen Steigungen, als auch Strecken hart am Limit. An Sonn- und Feiertagen und in der Zeit von 1. Mai bis 21. Oktober fahren die Rad-Wander-Busse und -Züge des Schwäbischen Alb Freizeitnetzes. Info: www.kreis-reutlingen.de und www.albbahn.de

  • Familien-Tour: Besonders beliebt ist der 50 Kilometer lange Lautertalradweg von der Lauterquelle in Offenhausen bei Gomadingen bis hinunter ins Donautal. Man spürt das Gefälle kaum. Besonders der südliche Teil der Route belohnt mit traumhaften Landschaften.
  • Bauernhof-Tour: Zwischen St. Johann und Zwiefalten erleben Sie auf den Routen der Albhof-Tour Landleben pur. Auf Wunsch können Sie auch diesen Flecken Schwäbischer Alb als Pauschalradelrundtour buchen – inklusive Übernachtung auf zehn verschiedenen Bauernhöfen, regionaler Verpflegung und wechselndem Themenprogramm. www.albhoftour.de
  • Biker-Tour: „Tour de SPHÄRE“ heißt eine anspruchsvolle Rundreise um den ehemaligen Truppenübungsplatz. Die Redakteure unseres Sphäre-Magazins haben für Besucher eine Rad- und Wandertour auf verkehrsfreien Wegen rund um das Münsinger Hardt zusammengestellt. Erleben Sie die Schwäbische Alb kompakt. Erfahren Sie im Zeitraffer den Wechsel der urigen Landschaftsbilder. Infos und Kartenmaterial über die 48,3-Kilometer-Tour gibt´s im Internet: www.biosphaere-alb.com.

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Printausgabe: Sphäre 2/2007, Seite 6-11

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