Gans lecker

Tradition & Handwerk: Gasthof Adler serviert Gänse aus eigener Aufzucht

Vom Küken auf die Platte. Wo gibt es das noch? In Anhausen im Lautertal tummeln sich hunderte Gänse auf weitläufigen Wiesen – bis sie die Gaumen der Gäste erfreuen.

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Eben noch tauchte die sanft wärmende Herbstsonne die saftige Weide in goldenen Schein. Das schneeweiße Gefieder der Gänse reflektiert das fahle Licht. Wohlig schnatternd watscheln die stattlichen  Vögel umher, emsig zupfen die rot leuchtenden Schnäbel das Gras. Der Wanderer hält inne und staunt.

Zieht sich dann die Sonne hinter den aufziehenden kalten Nebel zurück, ist der ungemütliche November nicht weit. „Den fürchten die meisten Gastronomen. Denn Wanderer und Radler bleiben bei solch einem Schmuddelwetter daheim“, weiß Vitus Frey, Chef des Gasthof Adler in Anhausen, um die Nöte seiner Kollegen. „Bei uns läuft gerade dann der Betrieb auf Hochtouren“, freut sich der findige Geschäftsmann aus dem Lautertal über die Nische, die er sich mit der Gänseaufzucht geschaffen hat. Der leckere Gänsebraten vom eigenen Hof ist längst zum Markenzeichen des Betriebs avanciert und auf der Alb von Reutlingen bis hinunter zur Donau bekannt. „Die ganze Familie packt mit an, alle müssen an einem Strang ziehen“, beschreibt Frey die November-Hektik. Denn schließlich reisen die Stammgäste für diese Gaumenfreude von weit her an.

Feinschmecker: Im „Adler“ steht der Chef selbst am Herd. Bei Vitus Frey schmeckt man die Freude am Kochen.

Feinschmecker: Im „Adler“ steht der Chef selbst am Herd. Bei Vitus Frey schmeckt man die Freude am Kochen.

Doch bis die Gans zur Vorweihnachtszeit in der Pfanne bruzzelt, ist es ein weiter Weg. Zum Glück, denn Vitus Frey gönnt seinen Gänsen Zeit. Zeit zu wachsen, Zeit sich ausgiebig zu bewegen, Zeit zu baden und Zeit zu fressen, selbstverständlich Futter, das der Landwirt und Hotelier auf eigenem Gelände extra anbaut. Immerhin frisst jede Gans während eines halben Jahres einen Zentner Hafer und Futterweizen. „Die Leute wissen bei mir, was sie bekommen“, sagt Frey nicht ohne Stolz. Deshalb ist der Gänsebraten zur Weihnachtszeit längst zum Selbstläufer geworden. „Das funktioniert nur, weil ich eigene Flächen besitze für Futteranbau, große Weiden und ganz wichtig – Wasser für die Tiere“, ist sich der 57-Jährige sicher. Denn was ist schon eine Gans ohne Wasser? Freys Zöglinge dürfen in der Lauter baden, sich putzen und ihren angeborenen Bedürfnissen nachkommen, wann immer sie Lust dazu haben. So strahlt das Gefieder selbst bei Schmuddelwetter blütenweiß.

Angegraut und armselig erscheinen dagegen die großen Wasservögel, die zwar in Freilandhaltung leben, aber  meist Wasser nur von oben bekommen. Noch schlimmer: Die Mastbetriebe wie beispielsweise in Frankreich, die die Gänse in nur zehn Wochen mit Zwangsernährung und eingepfercht in engen Drahtkäfigen auf Schlachtgewicht bringen. In Deutschland und weiteren 13 europäischen Ländern ist diese Tierquälerei glücklicherweise inzwischen verboten.

Auf Masse war der Beginn der Gänseaufzucht im Lautertal nie ausgelegt. „20 bis 30 Gänse hielten wir immer am Hof“, erinnert sich Frey, der 1982 den Gasthof von seinem Vater übernommen hatte. „Kurz vor Weih­nach­ten schlachteten wir die Tiere und verkauften sie an Freunde des Hauses“, plaudert der leidenschaftliche Koch von den Anfängen. „Lieber würden wir die Gans bei dir essen“, stachelten die Feinschmecker seinen kochkünstlerischen Ehrgeiz an. Der Startschuss war gefallen. „Seit 20 Jahren züchten wir in größerem Stil. Anfangs weideten 100 Gänse, seit sechs Jahren halten wir 250“, beziffert Frey die beachtliche Menge. In nur sieben Wochen verarbeitet der Familienbetrieb ab November die Langhälse zu leckeren Braten. „Schlachten können wir diese Menge nicht mehr selbst“, erklärt der Gastronom.

Doch alles andere ist Handarbeit. Sind die Tiere noch klein, ist die Pflege aufwendig. Mitte Mai kauft Frey die 10 bis 14 Tage alten Küken. Wenn es warm wird und das Gras trocken, beginnt der Gänsevater um 7.30 Uhr sein Tagewerk. Er schickt die Tiere auf eine der fünf Weiden. „Gänse wollen raus, so wachsen sie viel schneller als im Stall“, weiß der Fachmann. Bis sie Getreide und Gras knabbern können, füttert Frey die Küken mit Mastfutter. In den ersten Tagen setzt er die Jungtiere für die Nacht im Stall in kleine Holzkisten, damit sie auf dem Heu nicht zu dicht stehen, sie könnten sonst ersticken. Eine Lampe hält die Küken warm.

Wochen später machen die Vögel kaum noch Arbeit, sie watscheln frei über die Weide. „Dadurch setzen sie kein Fett an“, lobt der Küchenchef das magere Fleisch seines durchtrainierten Federviehs. Erst im November und Dezember heißt es im Gasthof Adler: Schlagzahl verdoppeln. „Von Mittwoch bis Sonntag verarbeiten wir jeden Tag Gänse, eine wiegt rund 10 Pfund“, beschreibt Frey den Kraftakt. Sehr zur Freude der Stammgäste, die gleich für´s nächste Jahr vorbestellen inklusive Übernachtung. Denn schließlich gönnt man sich zum edlen Mahl Schlehen-, Quitten-, oder Zibartenschnaps aus der hofeigenen Brennerei. Wohl bekomm´s.

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Printausgabe: Sphäre 3/2009, Seite 4-5

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