Nur keine Zeckenpanik

Hilfe Natur: Zeckenwahn treibt neurotische Blüten

Endlich Sommer – und der Blätterwald am Zeitungskiosk treibt wieder bunte Blüten. Ob in Boulevardblättern oder in Tränen- und Schlosshof-Journalien, nach der gigantomatischen Grippewelle am Anfang unseres schönen Winters, die sich von Radiostation zu Fernsehstation in einer unglaublich kurzen Inkubationszeit über den Äther verbreitete, geht nun wieder die alljährliche Zeckenpanik um. Überall rieseln die Zecken von den Blättern und jagen ausnahmslos jedem die nackte Angst unter die Haut. Dies ist der erste Irrtum: Zecken fallen nicht von Bäumen, sondern warten im Gras, im Unterholz und in Büschen auf Warmblüter, die sie im Vorbeigehen abstreifen.

 Foto: Baxter

Na gut, dann lauert diese heimtückische Spinnenart hinter jedem Gebüsch und beißt sich in uns Menschen fest. Weit gefehlt. Zecken beißen nicht, sondern stechen. Wird die Zecke entfernt, bricht der Saugapparat manchmal ab und bleibt in der Haut stecken. Die für den Menschen gefährlichen Krankheitserreger werden aber bereits beim Saugvorgang übertragen: Die FSME-Viren, welche Hirnhautentzündung und Fieber hervorrufen können, sitzen in den Speicheldrüsen der Zecke und werden innerhalb der ersten Minuten übertragen; die Borrelien, spindelförmige Bakterien, die eine Borreliose auslösen können, befinden sich im Darmsystem und gehen erst nach einigen Stunden auf den Menschen über.

Das hört sich ja verdammt gefährlich an, und sehen vor allem die Schwaben die schwarzen Risikoflecken auf der Zecken-Gefahrenkarte, stellen sich ihnen die Haare.

Doch gemach, „Risikoabschätzung“ heißt hier der Impfstoff, der die gehetzte Psyche immunisiert. Und wer nicht wie die Pharmakonzerne am Angstschweiß der Nation eine goldene Nase verdient, rückt das republikbewegende Zeckenthema ins rechte Licht: So veröffentlichte das Bayrische Staatsministerium für Gesundheit, Ernäh­rung und Verbraucherschutz zum Thema Folgendes:

„Aktivitäten in freier Natur sind beliebt und sollen Spaß machen. Allerdings verunsichern zunehmend Schreckensmeldungen über auftretende Infektionsgefahren viele Menschen. Fest steht, dass das Risiko an derartigen Infektionen zu erkranken, bei uns ­– verglichen mit anderen Risiken des täglichen Lebens – relativ gering ist. Darüber hinaus können richtiges Verhalten und einfache Vorsorgemaßnahmen dieses Infektionsrisiko weiter minimieren (siehe Internet). Niemand muss wegen der Infektionsgefahren auf einen Aufenthalt in der Natur verzichten.“

In Deutschland erkranken jährlich rund 150 bis 300 Menschen an FSME. Das FSME-Virus kommt in Deutschland entlang großer Flusstäler hauptsächlich in Baden-Württemberg vor (siehe Karte). Höchstens fünf Prozent der Zecken in diesen Gebieten sind Träger des FSME-Virus. Nur 10 bis 30 Prozent der Personen, die von einer virushaltigen Zecke gestochen werden, erkranken tatsächlich. Bei ungefähr zehn Prozent dieser Erkrankten zeigt sich eine Hirnhaut- und/oder Gehirnentzündung. Die FSME kann in ein bis zwei Prozent der Fälle tödlich verlaufen.

Gegen FSME gibt es eine vorbeugende Impfung, nicht aber gegen Lyme-Borreliose. In Deutschland erkranken 30.000 bis 60.000 an Lyme-Borreliose. Doch nicht alle Zecken übertragen die Bakterien. Bei uns sind rund zwanzig Prozent der Zecken mit Borrelien infiziert. Nicht jeder Stich durch eine infizierte Zecke führt jedoch auch zu einer Erkrankung.

Broschüre des Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit >>

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Sphäre-Wissen

FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis; auch Europäisches Zeckenbissfieber)

Diese zeckenübertragene Virusinfektion ruft jedes Jahr etwa 300 Erkrankungen in Deutschland (davon etwa 130 Fälle pro Jahr in Bayern) hervor. Das Virus kann zu einer Hirnhautentzündung führen, eine Therapie existiert nicht.

Für FSME-Erkrankungen können aufgrund der seit dem Jahr 2001 bestehenden Meldepflicht genauere Aussagen zu Häufigkeit und Verteilung in Deutschland getroffen werden. Die gemeldeten Fallzahlen zeigen zyklische Schwankungen in mehrjährigen Abständen . Nach hoher Aktivität in den Jahren 2005 und 2006 und moderaten FSME-Jahren zwischen 2007 und 2010 (durchschnittliche Fallzahl pro Jahr: Deutschland ca. 280, Bayern ca. 120), stiegen die Fallzahlen 2011 erneut deutlich an (Deutschland: 423, Bayern: 177). Im Jahr 2012 wurde mit nur 195 Fällen im gesamten Bundesgebiet (davon 90 in Bayern) die niedrigste Fallzahl seit Einführung der Meldepflicht verzeichnet .

Die FSME tritt vorwiegend in bestimmten Endemiegebieten auf. Diese liegen in Süddeutschland (Baden-Württemberg, Bayern, Südhessen) sowie in Teilen von Österreich und der Schweiz, in Skandinavien und Osteuropa. In Höhenlagen über 1.000 Meter kommen meist keine Zecken vor. (Quelle und mehr Infos)

 

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