Offener Brief an Merkel

Die Übertragung der SARS-CoV-2 Viren findet fast ausnahmslos in Innenräumen statt

Die Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF, https://www.info.gaef.de) wendet sich mit einem Positionspapier an die Politik, an Vertreter von Medien, Behörden und Verwaltung, sowie an die interessierte Öffentlichkeit. Dies soll ein Beitrag zur Bewältigung der durch das SARS-CoV-2 Virus hervorgerufenen Pandemie sein, indem es hilft, mögliche Übertragungswege zu verstehen.


 

Offener Brief 11. April 2021

An die Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Angela Merkel
Die Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen der Länder
Den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn
Die Gesundheitsminister und Gesundheitsministerinnen der Länder

Ansteckungsgefahren aus Aerosolwissenschaftlicher Perspektive

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel, sehr geehrter Herr Bundesminister Spahn, sehr geehrte Damen und Herren Ministerpräsidenten, sehr geehrte Damen und Herren,

die Corona Pandemie lässt uns auch nach mehr als zwölf Monaten nicht los. Sie ist zu einer schweren Belastung für Bürgerinnen und Bürger geworden. Deren Gefühlslage schwankt zwischen Hoffnung und Verzweiflung, wie jeder aus seinem persönlichen Umfeld zu berichten weiß. Hoffnung macht die Wissenschaft: Aus der Aerosolforschung sind vielfältige Erkenntnisse zur Übertragung der SARS-CoV-2 Viren über den Luftweg publiziert worden, zusammengefasst und aufbereitet in einem im Winter 2020 erschienenen Positionspapier der Gesellschaft für Aerosolforschung (GAeF, s. Anhang). Leider werden bis heute wesentliche Erkenntnisse unserer Forschungsarbeit nicht in praktisches Handeln übersetzt. Stattdessen werden eher symbolische Maßnahmen wie die Maskenpflicht beim Joggen erlassen, die keinen nennenswerten Einfluss auf das Infektionsgeschehen erwarten lassen.

Dabei ist deren zentraler Baustein mittlerweile Konsens in der Wissenschaft: Die Übertragung der SARS-CoV-2 Viren findet fast ausnahmslos in Innenräumen statt. Übertragungen im Freien sind äußerst selten und führen nie zu ‚Clusterinfektionen‘, wie das in Innenräumen zu beobachten ist. Zu diesen Gruppeninfektionen gehören bevorzugt Altenheime, Wohnheime, Schulen, Veranstaltungen, Chorproben oder Busfahrten.

Leider werden bis heute wesentliche Erkenntnisse unserer Forschungsarbeit nicht in praktisches Handeln übersetzt.

Wir mussten aber als Aerosolforscher die Erfahrung machen, dass die öffentliche Debatte immer noch nicht den wissenschaftlichen Erkenntnisstand abbildet. Viele Bürgerinnen und Bürger haben deshalb falsche Vorstellungen über das mit dem Virus verbundene Ansteckungspotential. „Draußen ist es gefährlich“, so deren Eindruck nicht zuletzt aus der Berichterstattung über die von der Politik getroffenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung. Es werden Treffen in Parks verboten, Rhein- und Mainufer gesperrt, Innenstädte und Ausflugsziele für den Publikumsverkehr abgeriegelt. Auch die aktuell diskutierten Ausgangssperren müssen in diese Aufzählung irreführender Kommunikation aufgenommen werden. Wir teilen das Ziel einer Reduzierung problematischer Kontakte in Innenräumen, aber die Ausgangssperren versprechen mehr als sie halten können. Die heimlichen Treffen in Innenräumen werden damit nicht verhindert, sondern lediglich die Motivation erhöht, sich den staatlichen Anordnungen noch mehr zu entziehen. Die Reduzierung problematischer Kontakte in Innenräumen gelingt deshalb nur mit überzeugenden Argumenten für einen gelingenden Selbstschutz.
Wenn wir die Pandemie in den Griff bekommen wollen, müssen wir die Menschen sensibilisieren, dass DRINNEN die Gefahr lauert. In den Wohnungen, in den Büros, in den Klassenräumen, in Wohnanlagen und in Betreuungseinrichtungen müssen Maßnahmen ergriffen werden. Die andauernden Debatten über das Flanieren auf Flusspromenaden, den Aufenthalt in Biergärten, das Joggen oder das Radfahren haben sich längst als kontraproduktiv erwiesen. Wenn unseren Bürgerinnen und Bürgern alle Formen zwischenmenschlicher Kontakte als gefährlich vermittelt werden, verstärken wir paradoxerweise die
überall erkennbare Pandemiemüdigkeit. Nichts stumpft uns Menschen bekanntlich mehr ab als ein permanenter Alarmzustand.

Wir müssen uns deshalb um die Orte kümmern, wo die mit Abstand allermeisten Infektionen passieren – und nicht unsere begrenzten Ressourcen auf die wenigen Promille der Ansteckungen im Freien verschwenden. Dabei lassen sich durch die kluge Koordinierung von Maßnahmen die Übertragungen effektiv reduzieren. Diese sind auch ohne eine naturwissenschaftliche Ausbildung nachvollziehbar: Es sind unsere goldenen Regeln zur Infektionsvermeidung.

  • 1.) Infektionen finden in Innenräumen statt, deshalb sollten sich möglichst wenige Menschen außerhalb ihres Haushaltes dort treffen. Zusätzlich muss man beachten, dass in Innenräumen auch dann eine Ansteckung stattfindet, wenn man sich nicht direkt mit jemandem trifft, sich aber ein Infektiöser vorher in einem schlecht belüfteten Raum aufgehalten hat!
  • 2.) Man sollte die Zeiten der Treffen und die Aufenthaltszeiten in Innenräumen so kurz wie möglich gestalten.
  • 3.) Man sollte durch häufiges Stoß- oder Querlüften Bedingungen wie im Freien schaffen.
  • 4.) Das Tragen von effektiven Masken ist in Innenräumen nötig. In der Fußgängerzone eine Maske zu tragen, um anschließend im eigenen Wohnzimmer eine Kaffeetafel ohne Maske zu veranstalten, ist nicht das, was wir als Experten unter Infektionsvermeidung verstehen. Dabei ist zu beachten, dass der Dichtsitz der Maske für ihre Effektivität mindestens genauso wichtig ist, wie die Abscheideeffizienz des Materials.
  • 5.) Raumluftreiniger und Filter sind überall dort zu installieren, wo Menschen sich länger in geschlossenen Räumen aufhalten müssen (Wohnheime, Schulen, Alten- und Pflegeheime, Betreuungseinrichtungen, Büros und andere Arbeitsplätze).
  • 6.) In großen Hallen und Räumen ist die Ansteckungsgefahr viel geringer als in kleinen Versammlungsräumen. Wenn man also wieder Theater, Konzerte, und Gottesdienste stattfinden lassen will, sollte das in großen gut gelüfteten Hallen stattfinden oder wenn möglich ins Freie ausgewichen werden.

Die Kombination dieser Maßnahmen führt zum Erfolg. Wird das entsprechend kommuniziert, gewinnen damit die Menschen in dieser schweren Zeit zugleich ein Stück ihrer Bewegungsfreiheit zurück. Wer sich zum Kaffee in der Fußgängerzone trifft, muss niemanden in sein Wohnzimmer einladen. Dort ist die Einhaltung der bekannten Hygieneregeln zu erwarten, zu Hause dagegen nicht.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christof Asbach Dr. Gerhard Scheuch Dr. Sebastian Schmitt
Präsident der Ehemaliger Präsident der Kassenwart der Gesellschaft Gesellschaft für Aerosol- ISAM (International Society für Aerosolforschung (GAeF) forschung (GAeF) for Aerosols in Medicine)
Dr. Birgit Wehner Dr. Andreas Held
Generalsekretärin der Stellvertretender Gesellschaft für Aerosol- Präsident der GAeF forschung (GAeF)


Link zum ausführlichen Positionspapier >>


WEBcode #21202

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