Ritterschlag für Dickkopfweizen

Bundesanstalt nimmt Schwäbischen Dickkopf-Landweizen in Rote Liste gefährdeter Nutzpflanzen auf – 2012 erste größere Ernte

 „Man muss essen, was man retten will“, lautet die Devise von Jan Sneyd, pensionierter Professor der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt in Nürtingen (HFWU). Und der Erfolg gibt ihm Recht. Vorrangig unterstützt durch das Traditionsbäckerhaus Veit in Bempflingen erfolgte jetzt so etwas wie der Ritterschlag für den vom Aussterben bedrohten Dickkopfweizen, den zu retten sich beide Parteien auf die Fahnen geschrieben haben: Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung in Bonn hat nun dem Antrag zur Aufnahme in die Rote Liste bedrohter Nutzpflanzen stattgegeben. Der Schwäbische Dickkopf-Landweizen bleibt damit als Kulturgut und Lebensmittel erhalten. Nach der Ernte 2012 soll es die ersten Dickköpfli-Brötchen beim Bäckerhaus Veit zu kaufen geben.

 

„Ich freue mich sehr, dass unser gemeinsames Engagement, das ja nun schon über mehrere Jahre läuft, zu diesem Erfolg, zur Aufnahme in die Rote Liste bedrohter Nutzpflanzen geführt hat“, sagte Erdmute Veit-Murray, Geschäftsführerin des Bäckerhause Veit. „Professor Sneyd und wir vom Bäckerhaus hatten von Anfang an dasselbe Interesse: ‚Schützen durch nützen’, betonte die Geschäftsführerin.

Es war ein langer Weg von der ersten Ähre bis zur ersten richtigen Ernte im vorigen Jahr: Dr. Jan Sneyd hegte und pflegte schon während seiner Zeit als Dozent an der Hochschule in Nürtingen alte Getreide-Landsorten und die Rettung dieser Sorten hat ihn auch im Ruhestand nicht losgelassen. „Die Weizensorten und Landsorte aus der Dickkopfreihe waren in Baden-Württemberg noch vor 60 Jahren sehr verbreitet, dann aber durch die ertragsstärkeren Hochzuchtsorten fast völlig verdrängt“, erzählt er. 2008 stand der Dickkopfweizen vor dem Exitus. Zwei Jahre wären die restlichen Körner noch keimfähig gewesen, dann wäre er unwiederbringlich ausgestorben gewesen. „Händeringend habe ich Interessenten gesucht, doch alle haben abgewunken“, so Sneyd. Der Zufall kam ihm genau zu diesem Zeitpunkt zu Hilfe. Der Professor lernte Erdmute Veit-Murray kennen, Chefin des Bäckerhauses Veit, und sie zeigte sich von Anfang an dem Projekt gegenüber aufgeschlossen.

In einem mehrjährigen Projekt konnte aber ein qualitativ hochwertiger Genotyp mit mittlerem Ertrag unter anderem im Freilichtmuseum Beuren und auf den „Spitzäckern“ in Neckarhausen bei Walter Wahl gerettet und 2011 auf dem Haldenhof in Beuren-Balzholz erfolgreich vermehrt werden.

„Unser bisherigen Untersuchungen der Inhaltsstoffe, Back- und Eiweißeigenschaften verliefen vielversprechend“, versichert die Firmenchefin. Bereits im Jahre 2012 erwarten Professor Sneyd und Erdmute Veit-Murray eine größere Körnerernte und dann wird es auch erste schmackhafte „Dickköpfli“ –Brötchen in den Veit Bäckereifachgeschäften und beim „Slow-Food Tag“ im Freilichtmuseum Beuren am 23.September geben.

„Für mich hat sich mit diesem Projekt eine ganz neue Sicht auf das Prinzip der Nachhaltigkeit eröffnet, das wir seit Jahren verfolgen“, betont Geschäftsführerin Erdmute Veit-Murray. „Mir war nicht bewusst, dass wenn die Landwirte bestimmte alte Sorten nicht mehr anbauen, diese auf den Feldern aussterben und dann nur noch im Kühlraum der Hochschule oder Genbanken begrenzte Zeit keimfähig gehalten werden können.“

Sie sieht das Engagement ihres Hauses als einen Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt in der Region. „Wir haben als mittelständische Bäckerei, die in der Region ihre Wurzeln hat und für die Region produziert, eine Verantwortung und die nehmen wir auch gerne wahr“, sagt Erdmute Veit-Murray.

Sphäre-Wissen:

Wie kommt ein Produkt in die Rote Liste bedrohter Arten?

Es gibt mehrere strenge Kriterien: beispielsweise muss ein Weizengenotyp (keine eingetragene oder zugelassene Sorte!) vor allem an die natürlichen regionalen Bedingungen angepasst sein, es muss sich um eine einheimische Pflanze handeln, sie muss historisch und kulturell bedeutend sein, von genetischer Erosion bedroht und es muss ein Nutzungspotential („Essen, was man retten will“) vorhanden sein.

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