Atemberaubende Aussichten

SPHÄRE-Exklusiv: Probegucken auf den Schießplatz-Türmen

29.10.2006: Jetzt steht’s fest – am 1. April 2007 werden die Türme auf dem Truppenübungsplatz endgültig und definitiv Ihre stählernen Gittertore öffnen. Zur Information für neugierige Wanderer hämmerte Albvereinspräsident Günther Hecht am Freitag in prominenter Begleitung eine entsprechende Hinweistafel an jeden der vier Türme. Damit Sie, liebe SPHÄRE-Leser, schon jetzt und exklusiv einen kleinen Vorgeschmack auf die zu erwartenden Aussichten (siehe Fotos) bekommen können, hat die SPHÄRE-Redaktion für Sie Probe geschaut und den Aufstieg auf alle vier Himmelsstürmer der Biosphäre getestet.

Am imposantesten: der „Hursch“. Stolz und weithin sichtbar ragt der größte der vier Türme mit seinen 42 Metern über die herbstlich verfärbten Baumwipfel des Truppenübungsplatzes. Hinter einer verschrankten Wegbiegung führt ein staubiger Schotterweg zu dem mit Maschendrahtzaun umgebenen Fuß des stählernen Riesen. Allein der Blick hinauf zur Aussichtsplattform lässt einen taumeln – 42 Meter können ganz schön hoch sein. Wie viele Soldatensstiefel mögen diesen Turm schon hinauf gestiegen sein?

Himmelsstürmer

Leichtfüßig sind die ersten Stufen genommen. Den Blick nach vorn gerichtet, dort wo sich zwischen den Treppenstufen Stück für Stück dichtes Laub zu immer lichteren Wipfeln wandelt. Ein kurzer Blick nach unten. Sieben Meter unter einem wirken durch das weitmaschige Stahlnetz der Stufen ein ganzes Stück tiefer. Aber das ist ja erst der Anfang.

Ein paar Etagen weiter fasst die zweite Hand ans Geländer. Ein Stück Sicherheit zur Beruhigung des durchs Treppensteigen und die Höhenluft leicht beschleunigten Pulses. Ein kurzes Verharren und ein erneuter Blick nach vorn: Der Wald erstreckt sich wie ein in warmen Rot- und Gelbtönen wogendes Meer. Wie auf einem Leuchtturm – mit dem kleinen Unterschied, dass rechts und links der Hände keine Mauern, sondern stählerne Verzweigungen das Gewicht des Turmes halten.

Zwischenstufen

Einmal tief durch atmen, den warmen Oktoberwind tief in die Lungen pumpen. Dann geht es weiter. Stufe für Stufe. Wie viele davon mögen noch vor einem liegen? Die Zwischenräume im stählernen Netz scheinen mit jedem Schritt zu wachsen – links und rechts, über und unter einem. Was mussten die Bauerarbeiter empfunden haben, als sie in dieser Höhe den Turm Etage für Etage zusammenschraubten. 35 Meter Meter Höhe. Die Stimmen oben verstummen. Nur noch der aufkeimende Wind pfeift auf den feinen Drahtnetzen, die das Gelände sichern. Leise. Unter den Füßen wiegt sich kaum spürbar der Turm. Der Griff der Hände wird fester. Ein kurzer Blick nach oben. Da liegen immer noch einige Meter, die jetzt gegen den Zug der Wolken zu kippen scheinen. Die Spannung steigt – auf die Sicht von ganz oben.

Die letzten Meter führen weiter, im eckigen Kreis des stählernen Geländers. Von den 233 Stufen fehlen nur noch wenige, die scheinen nur immer schmaler zu werden. In den Stimmen der Angekommenen lässt sich erahnen, was auf einen wartet. Noch einmal Innehalten, den Blick inzwischen nach innen gerichtet, das leise Schwanken des Turmes ein wenig lauter vernehmbar. Auch der Wind übt sich im unauffälligen Crescendo. Dann die letzten erwartungsvollen Schritte, die die Füße fast alleine gehen.

Der Ausblick

Atemberaubend: die Weite um einen herum, die Sicht in alle Himmelsrichtungen. Als wären einem Flügel gewachsen. Hinter Gruorn taucht die Abendsonne die Kuppenalb euphorisch in ein blasses Violett. Ein unwirkliches Bild – wie aus einem stilisierten Märchenbuch. Die Baumwipfel unter einem sind in eine unerwartete Entfernung gerückt. Im Norden reicht die weite Sicht über das Lenninger Tal bis weit ins Neckartal zu den Schlöten Altbachs. Im Nordosten ist Zainingen zu sehen, während einem beim Blick in Richtung Süden der gesamte Übungsplatz zu Füßen liegt. Im Westen duckt sich tief unter einem der breite Albrücken mit seinen endlosen Mischwäldern, die sich wie dicht gewobene Teppiche in Richtung Horizont ausbreiten.

 

SPHÄRE WISSEN: Turmgeschichten

Die 4 ehemaligen Beobachtungstürme hatte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben dem Schwäbischen Albverein nach einer langwierigen Klärung von komplizierten Eigentums- und Haftungsfragen überlassen. Im Gegenzug musste sich der Albverein dazu verpflichten, die Türme instand zu setzen und dauerhaft in Schuss zu halten. Die Kosten, die dem Albverein rund um das Turmprojekt bisher entstanden sind betragen laut Albvereins-Vizepräsident Günther Hecht rund 150.000 Euro.

Am letzten Mittwoch hatte der Landkreis die Türme offiziell freigegeben. Schon am Freitag führte Hecht gemeinsam mit Gerhard Walker, dem Vorsitzenden des Lenkungsausschusses vom Biosphärengebiet Schwäbische Alb, und Ermsgauleiter Walter ein Komitee aus Bürgermeistern, Ortsvorstehern und Pressevertretern der umliegenden Gemeinden auf die Türme. Die SPHÄRE-Redaktion war mit von der Partie und hat einige Fakten zu den einzelnen Türmen für Sie zusammengetragen:

Der „Sternenberg“ (im Fachjargon „B4“) ist eine erst im Jahre 2004 sanierte und umfunktionierte Mühle aus Kaiser Wilhelms Zeiten. Er kann von Böttingen aus erwandert werden und misst gerade einmal acht Meter. Dafür liegt der Turm auf einer Anhöhe und bietet bei guter Sicht einen grandiosen Ausblick auf das ferne Alpenpanorama. Im Gegensatz zu den anderen drei Türmen ist der Sternenberg-Turm gemauert und wird auch künftig nur in Begleitung durch den Albverein zugänglich sein – um einer möglichen Zerstörung vorzubeugen.

Der Turm B2 wurde mit „Waldgreut“ betitelt und misst 20 Meter Höhe. Die Bauarbeiten an diesem Turm wurden erst in diesem Jahr abgeschlossen. Lässt man beim Blick von der Aussichtsplattform Zainingen im Rücken, breitet sich vor einem stolz und eigen das noch nicht in gerade Linien gezwungene Landschaftsbild des Übungsplatzes aus. Am Horizont dahinter: alte und nicht mehr begehbare Türme, die von ihrer bewegten Vergangenheit erzählen.

Wie die anderen drei Stahlgitter-Kolosse wurde auch Waldgreut im Jahre 1981 zusammengeschraubt. „Von einer Firma, deren Kernkompetenz der Bau von Überlandleitungen war“, berichtet der Architekt Gehr, der die Turmbauarbeiten auf dem Übungsplatzgelände schon damals begleitet hatte. So wurden die Mastbauten aus Stahlverstrebungen durch eine frei rausragende Aussichtsplattform ergänzt. In deren Mitte befindet sich noch heute ein kleiner Raum, der einst als Dienstraum diente und künftig einen sicheren Unterschlupf bei plötzlich aufziehenden Gewitter bieten soll – „wie ein faradayscher Käfig“, erklärt Gehr. Maximal 10 Besucher dürfen aus statischen und sicherheitstechnischen Gründen zur gleichen Zeit den Turm besteigen.

Mit „Heroldstatt“ betitelte die Bundeswehr den Turm B3. Er ist über Ennabeuren erreichbar und misst ganze 30 Meter. Wie die anderen Türme wurde auch er mit Doppelstab-Gittern eingezäunt – „aus haftungsrechtlichen Gründen“, wie Hecht erklärt. Schließlich musste laut Gesetz ein versehentliches Betreten des noch ungesicherten Turms ausgeschlossen werden. Um die den Fuß des Turmes eng einschließenden Gitterstäbe herum umgrenzt ein weiterer Zaun aus Maschendraht mehr als 30 Ar vom Turmgelände. „Auch eine haftungsrechtliche Sicherheitsmaßnahme“, erklärt Hecht. Sprengstoffexperten hatten dieses Stückchen Erde sorgfältigst auf Munitionsbelastung untersucht und jedes einzelne Bohrloch für die Zaunpfosten auf mögliche Blindgänger geprüft. Bei immerhin einem waren sie fündig geworden.

Der imposanteste Turm von allen ist mit seinen 42 Metern Höhe unumstritten der B1 – bei ehemaligen Soldaten auch als „Hursch“ bekannt. Seine Aussichtsplattform liegt ganze 895 Meter über dem Meeresspiegel. Wie bei den anderen Türmen schützt ein Draht-Geflecht entlang des Geländers vor einem versehentlichen Absturz. Diese Absicherung bezeichnet Gehr rückblickend als eine der größten Herausforderungen im Hinblick auf die Statik. Schließlich durfte an dem feinen Draht weder Eis noch Schnee hängen bleiben, der Wind keinen zu großen Widerstand darin finden noch sein Gesamtgewicht den Turm in die Knie zwingen. Die Lösung war ein feiner Draht aus einem Chrom-Nickel-Stahl-Gemisch, das bisher nur an windbelasteten Brücken Einsatz gefunden hatte.

Weitere Turmgeschichten finden Sie hier:
Foto-Reportage zu Turmbauarbeiten auf dem „Hursch“>>

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