Neuffen

Der Esel von Neuffen

 

Der Esel von Neuffen

Es geschah vor vielen Jahren, dass die Festung Hohenneuffen von Feinden belagert wurde. Als die Besatzung jeden Angriff tapfer abwehrte, sollte der Hunger die Verteidiger zwingen, ihre Tore zu öffnen. Die Feinde wachten Tag und Nacht, dass niemand den Burgleuten Nahrungsmittel liefern konnte. Woche um Woche verging, und die Not der Besatzung wurde immer größer. Auch wenn jedem ein Stücklein Brot am Tag reichen musste, schrumpften die Vorräte zusammen. Bald waren die Neuffener so schwach, dass sie kaum mehr ihre Waffen heben konnten. Aber sie ergaben sich nicht.

Schließlich, als man schon alles Getier, selbst die Katzen, Ratten und Mäuse in der Burg aufgezehrt hatte, blieben nur noch ein Scheffel Korn und ein Esel übrig. Das Grautier hatte in Friedenszeiten das Wasser vom Tal heraufgeschleppt. jetzt musste man sich freilich mit der stinkenden Brühe aus der Zisterne begnügen.

Schon wollte man den Esel töten, da sagte ein alter Knecht: »Wartet, Kameraden, wir wollen ihn erst schlachten, wenn wir ihm das Korn gefüttert haben.« Da wunderten sich die anderen und meinten, das Brot aus dem Korn hätten sie selber bitter nötig. Als der Alte ihnen aber erklärte, was er vorhatte, taten sie nach seinem Willen.

Den Feinden vor der Burg war die Zeit lang geworden. Auch sie litten Hunger, denn die Dörfer in der Umgebung waren längst ausgeplündert. Viele murrten und wollten abziehen. Als gar köstliche Bratendüfte aus der Burg den Hang herabzogen, wurde ihr Unwillen noch stärker. Auf einmal sahen sie, wie von den Burgleuten eine sonderbare Kugel über die Mauer geworfen wurde. Sie rollte den Berg herab und blieb vor ihren Füßen liegen. Wie die Soldaten den Fund näher untersuchten, erkannten sie mit Verwunderung, dass man einen mit bestem Korn gefüllten Eselsmagen auf sie herabgeschleudert hatte. »Wenn die da oben Esel noch mit Korn füttern können, müssen wir lange warten, bis sie ausgehungert sind«, sagten sie. Ihr Anführer befahl, das Lager abzubrechen, und am andern Tag waren die Feinde weitergezogen. Der Ritter von Hohenneuffen ließ aus Freude über die glückliche Rettung einen Eselsfuß auf sein Wappen malen. Die Neuffener aber werden heute noch von ihren Nachbarn Eselfresser oder Esel genannt.

Zur Verfügung gestellt vom Albengel am Schopflocher Moor, besser als Otto-Hoffmeisterhaus bekannt

 

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