Naturschutz kontra Umweltschutz

Roter Milan verhindert Windkraftanlage in Römerstein

22.2.2007: Die schon genehmigten Windkraftanlagen (WKA) im Gewann Lenthalde bei Zainingen dürfen nicht errichtet werden, da Römerstein ein europaweit herausragendes Dichtezentrum von Milanen ist. Grundlage für das „Nein“ vom Landratsamt ist ein eigens in Auftrag gegebenes Gutachten des renommierten Vogelkundlers Wulf Gatter, von der international bekannten Forschungsstation Randecker Maar.

Diese auf den ersten Blick etwas überraschende Entscheidung kann erst dann nachvollzogen werden, wenn man sich bewusst wird, welche große Verantwortung gerade die Schwäbische Alb in Deutschland für diesen nur in Europa vorkommenden Greifvogel hat. Denn weltweit gibt es knapp 18000 Brutpaare, die ausschließlich in Europa vorkommen. Davon wiederum brüten zwei Drittel in Deutschland. Römerstein beherbergt so viele Rotmilane wie sonst kaum in Europa auf so engem Raum zu finden sind. Auf 86 Quadratkilometern konnten die Vogelkundler 15 Brutpaare beobachten. 2002 wurde der Rotmilan in die Vorwarnliste der neuen Rote Liste gefährdeter Brutvögel in Deutschland aufgenommen und genießt auch daher den Schutz der EU.

Erkenntnismängel und zum Teil widersprüchliche Ergebnisse kennzeichnen immer noch den Wissensstand zum Einfluss von Windenergieanlagen auf Vögel. Bisherige Gutachten zur Auswirkungen von Windkraftanlagen auf Vogelarten sind nach Ansicht von Wulf Gatter nicht repräsentativ und würden je nach Interessanlage eingesetzt. Dieses Gutachten jedoch, das als Grundlage zur Ablehnung der Errichtung der Windräder im Gewann Lenthalde in Römerstein-Zainingen bildet, wurde nicht von einem anderen Landstrich auf das Gebiet um Römerstein übertragen, sondern während einer sechsmonatigen Beobachtungszeit vor Ort erstellt.

Problematisch für die Zugvögel, zu denen auch der Rotmilan gehört, ist es, dass auf der Alb mögliche Standorte für Windkraftanlagen meist auf Kuppen ausgewiesen werden. Diese wiederum sind wichtige Thermik-Knotenpunkte innerhalb der Zugwege, auf denen Milane wandern.


SPHÄRE WISSEN: Warum gibt es in Römerstein so viele Rotmilane?

Greifvögel ziehen auf breiter Front über Mitteleuropa hinweg. Dabei kommt es zu lokalen Konzentrationen entlang des Albrandes, an Pässen und Tälern wie dem Randecker Maar bei Schopfloch und dem Filstal zwischen Geislingen und Wiesensteig. Römerstein liegt in südlicher Verlängerung dieser beiden Albtraufeinschnitte. Bedeutsam für die Greifvögel ist in diesem Bereich die Thermik, mit deren Hilfe sich die Vögel nach oben schrauben.

Ein weiterer Grund ist der hohe Wiesenanteil im Römerstein, die mosaikartig zu unterschiedlichen Zeiten bearbeitet werden und so für stetigen Futternachschub sorgen. Rotmilane jagen auf Äckern, Wiesen und Weiden, wobei sie frisch gemähte Wiesen oder kurzes Gras bevorzugen. Auch frisch bearbeitete Äcker gehören zu den Lieblingsjagdgründen, da sich auch hier viele kleine Tiere tummeln.

Weshalb fühlen sich Vögel durch Windenergieanlagen gestört?

Die Windräder stellen aufgrund ihrer Höhe unnatürliche Hindernisse dar, die kräfteraubend umflogen werden müssen. Zudem sorgen sie für Verwirbelungen der Luftschichten, was die Tiere nicht vorhersehen können. Sieht das Tier die Windkraftanlage zu spät, fliegt es dagegen und kommt ums Leben. Fachleute sprechen dann von „Vogelschlag“;. Davon sind nach aufgezeichneten Funden hauptsächlich Rotmilane mit 62 gefolgt vom Mäusebussard mit 39 toten Tieren betroffen und das obwohl der Mäusebussard in Deutschland sieben Mal häufiger vorkommt. Das Problem scheint jedoch nicht darin zu bestehen, dass die Milane die Windräder nicht sehen. Die Vogelkundler gehen eher davon aus, dass die Vögel beim Anblick der Rotoren sich nicht zu helfen wissen, dass sie kein Vermeidungsschema in ihrem Verhaltensprogramm haben.

Beobachtungen an den Windrädern in Westerheim

17. September 2006 Beobachtung zwischen 11 und 16 Uhr.
Beobachtete Vögel: Rohrweihen, Rotmilan, Mäusebussard und Turmfalke
Bussarde schreiben sich nördlich und östlich der Windenergieanlagen (WEA) in die Höhe und ziehen mit Umweg um die Räder weiter.
Rohrweihen ziehen unter Rotorhöhe, wobei ein Tier mehrfach irritiert die Richtung wechselt, der andere die Anlage weiträumig umfliegt.
Turmfalken ziehen weit oberhalb der Rotoren auf ihrer Bahn weiter.
Rotmilane ändern ihre Flugrichtung, teilweise versuchten sie an Höhe zu gewinnen, um weit über die Anlage zu fliegen. Drei Tiere fliegen in den Bereich der Anlagen, einer unbehelligt, der zweite kommt dem Rotor zu nahe, erschrickt und weicht in panikartigen Zickzackflügen mit ausgestreckten Fängen aus wobei er sich kurz seitlich und auf den Rücken wirft, sich dann fallen lässt und nach kurzem Irrweg weiter in die vorgesehene Richtung fliegt.

Aufgezeichnete Funde
Die Staatliche Vogelschutzwarte Brandenburg dokumentiert inzwischen bundesweit in einer zentralen Datenbank alle Meldungen von an Windenergieanlagen (WEA) verunglückten Vögeln und Fledermäusen. Sie beinhaltet Ergebnisse aus Publikationen, Zufallsfunden und systematischer Kontrollen. Mittlerweile umfasst die Datenbank Angaben zu 389 verunglückten Vögeln aus 84 Arten und 342 Fledermäuse aus 13 Arten. Von Eulen wurde nur Uhus gefunden, die Taggreifvögel führen die Liste an obwohl diese Tiere sprichwörtlich sehr gut sehen. Möglicherweise liegt es daran, dass Rotmilane im Jagdflug nach unten schauen und die Rotoren nicht sehen.

Milan im Detail

Rotmilane sind Zugvögel, die am Mittelmeer überwintern. In das Überwinterungsgebiet nördlich der Sahara ziehen die Rotmilane im Oktober / November und kommen dann im Februar / April wieder zurück.

Sie sind mit 65 cm Körpergröße noch größer als Mäusebussarde (dazu mehr >>), aber schlanker. Männchen wiegen bis etwa ein Kilo, Weibchen sind etwas schwerer, so dass man im Vergleich bei kreisenden Paaren die Geschlechter gut unterscheiden kann. Mit einer Flügelspannweite von bis zu 180 cm ist der Rotmilan schon eine imposante Erscheinung. Nicht nur der lange gegabelte Schwanz (daher wird der Rotmilan im Volksmund auch Gabelweihe genannt), auch die rostrote Schwanzoberseite, die rotbraune Unterseite und die großen hellen Felder auf den Handflügeln machen den Greifvogel unverwechselbar.

Zur Nahrung zählen kleine Säugetiere, kleine Vögel, Fische und Aas. Der Rotmilan jagt auch Sperbern, Wanderfalken oder Habichten die Beute ab.

Der Rotmilan ist zwar ein Zugvogel, es gibt aber auch mittlerweile Rotmilane, die in Deutschland überwintern. Sie müssen dann natürlich im Winter genug Nahrungsquellen vorfinden. Dabei scheint dem Rotmilan die Nähe von Mülldeponien besonders entgegenzukommen.

Im März beginnen die Überwinterer und Heimkehrer mit ihren Balzflügen. Rotmilane sind ausgesprochen reviertreu und kommen verpaart am Brutplatz an. Die Überwinterer halten auch in den Wintermonaten an ihrer Paarbindung fest, wahrscheinlich leben die Milane nicht nur in Saison-, sondern in Dauerehe zusammen. Der Brutbeginn liegt im April. Horste werden im Randbereich von Wäldern angelegt und regelmäßig wieder benutzt. Das Nest ist meistens mit Lumpen, Plastik, Papier und anderem Zivilisationsmüll ausgelegt. Es werden auch Ausweichhorste errichtet. Vom ersten Ei an bebrütet ausschließlich das Weibchen die meistens 2 bis 3 Eier. Nach 31 bis 32 Tagen beginnen die Jungen zu schlüpfen. In den ersten vierzehn Lebenstagen werden die Jungen nur vom Männchen mit Nahrung versorgt, danach beteiligt sich auch das Weibchen an der Jagd. Die jungen Milane bleiben rund 50 Tage im Horst und brauchen noch weitere vier Wochen, um völlig selbstständig zu sein.


SPHÄRE KOMMENTAR

Windkraft ist ein Thema für sich. Klar sollte man auf alternative Energie zurückgreifen können, um unabhängig von Erdöl- oder Erdgaslieferanten sowie der Atomenergie zu werden. Doch steht es dem Menschen zu, mit seiner ach so tollen Erfindung des Windrades die Tierwelt gedankenlos zu beeinträchtigen? Niemand kann die Folgen abschätzen. Auch die Entwicklung von Auto und Atomkraft war im Ursprung gut gemeint und richtet nun großen Schaden an Tier- und Umwelt an. Natürlich stellt sich die Frage, was einem ein Rotmilan in einer zerstörten Umwelt bringt. Doch retten wir mit den Windrädern, die unbedingt in den Wohnplatz dieser herrlichen Greifvögel gebaut werden sollten, tatsächlich unser Klima? Gehört da nicht ein komplexes Umdenken weltweit dazu? Wir könnten uns im Grunde einfach an den Tieren erfreuen und das Windrad woanders bauen, wo es keinen stört und sich effektiver dreht. Wobei hier schon der nächsten Haken ist, das Floriansprinzip „Heiliger Sankt Florian, verschon mein Haus, zünd‘ andere an!“ Die wenigsten Anwohner wollen diese immer riesenhafter werdenden Anlagen vor ihrer Haustüre haben. Die sind zumindest in Römerstein jetzt fein raus. Denn zum Glück gibt es ja den Rotmilan.

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