Glück gehabt

NABU entlässt geheilten „Vogel des Jahres“ in die Freiheit

Mössingen – Der NABU hat am heutigen Montag einen geheilten Habicht in die Freiheit entlassen. Der noch nicht ganz einjährige Vogel war zwei Wochen zuvor verletzt ins NABU-Vogelschutzzentrum Mössingen eingeliefert worden. Einem zweiten, zufällig zeitgleich eingelieferten Habicht konnten auch die NABU-Fachleute nicht mehr helfen: Er starb bereits in seiner ersten Nacht an völliger Entkräftung. Der NABU hat den Habicht 2015 zum „Vogel des Jahres“ gekürt. Er will damit auch auf die vielen Probleme aufmerksam machen, mit denen der Greifvogel kämpft, etwa illegale Vergiftungen, eine naturfeindliche Landwirtschaft und insgesamt rückläufige Vogelbestände, die seine wichtigste Nahrungsgrundlage bilden.

NABU_Habicht_R_Roessner Foto: R. Rössner, NABU

Der jetzt freigelassene Habicht wurde am 11. Januar nach vielen Turbulenzen ins NABU-Vogelschutzzentrum eingeliefert: In Bisingen (Zollernalbkreis) hatte er sich bei der Jagd auf eine Taube schwer verletzt. Die Taube war gegen eine Glasscheibe der Stadthalle geprallt, hatte sich dabei das Genick gebrochen und starb sofort vor Ort. Der Habicht konnte seine Verfolgungsjagd nicht mehr abbremsen, donnerte gegen die Nachbarscheibe – und durchbrach sie. Im Innern der Halle flatterte er verletzt umher. Er hatte sich am rechten Flügel eine Schnittwunde zugezogen.

Der Hausmeister rief einen Falkner zu Hilfe, der den aufgebrachten Vogel behutsam einfing. Beide brachten ihn schließlich ins NABU-Vogelschutzzentrum Mössingen. „Der Habicht hatte Glück im Unglück“, meinte Zentrumsleiter Daniel Schmidt-Rothmund. „Ich hatte befürchtet, dass er sich bei einem so schweren Unfall auch ein paar Knochen gebrochen hat. Das hätte seine Überlebenschancen in den Keller stürzen lassen. Bei unserem Tierarzt haben wir dann aber auf den Röntgenbildern gesehen, dass alle Knochen heil geblieben sind. Nur die Schnittwunde musste genäht werden.“ So konnten Schmidt-Rothmund und sein Team den Habicht zwei Wochen lang gesundpflegen und schließlich wieder in die Freiheit entlassen.

Von 100 auf 1.200 bis 1.600 Habicht-Brutpaare in Baden-Württemberg

Der „Vogel des Jahres 2015“ ist ein seltener Gast im Vogelschutzzentrum, was auch damit zusammenhängen könnte, dass er sehr zurückgezogen lebt und selten zu beobachten ist. Verletzte Tiere werden daher selten gefunden. In Baden-Württemberg gibt es derzeit rund 1.200 bis 1.600 Brutpaare. Seit einiger Zeit sind die Bestände stabil. Habichte kommen in allen Landesteilen mit größeren Waldgebieten vor.

Mit der Wahl des Habichts zum Vogel des Jahres macht der NABU auf Erfolge, aber auch auf Probleme im Naturschutz aufmerksam. „Bis auf einen kümmerlichen Rest von etwa 100 Brutpaaren war der Habicht vor 50 Jahren in Baden-Württemberg fast ausgerottet“, erklärte der NABU-Landesvorsitzende Andre Baumann am Rande der Freilassung in Mössingen. „Nachdem er über Jahrhunderte schonungslos verfolgt wurde, hat ihm der massive Pestizideinsatz in der Landwirtschaft fast den Rest gegeben.“

Doch die Proteste des NABU und Anderer zeigten Wirkung: Seit den 1970er-Jahren ist es verboten, Greifvögel zu töten. Da auch einige der schlimmsten Pestizide verboten wurden, konnte sich der Bestand wieder erholen. Positiv wirkte sich zudem aus, dass die Wälder in Baden-Württemberg zunehmend naturverträglicher bewirtschaftet werden und in vielen Fällen Horstbäume geschont werden, also die Bäume, auf denen Greifvögel brüten. Hier sieht NABU-Landeschef Baumann dennoch Handlungsbedarf: „Wir brauchen auch in Baden-Württemberg einen gesetzlichen Schutz für Horstbäume, wie es ihn in anderen Bundesländern bereits gibt. Hier würde uns Entwicklungshilfe etwa aus Ostdeutschland gut tun.“

Schwindende Nahrungsgrundlage: 421 Millionen weniger Vögel in Europa

Daneben kämpft der Habicht wie viele andere Greifvögel nach wie vor mit weiteren Problemen: Weil er auch Fasane, Reb- und Auerhühner, Brieftauben und Haushühner erbeutet, ist er bei einigen Jägern, Taubenzüchtern und Hühnerhaltern verhasst. Das erklärt, warum er immer wieder Opfer von illegalen Vergiftungen und Abschüssen wird.

Da sich Habichte aber vor allem von Wildvögeln wie Ringeltauben, Krähen, Elstern und Eichelhähern sowie kleineren Säugetieren ernähren, sind sie zudem auf eine intakte Natur angewiesen. Der Rückgang der Bestände vieler Tierarten aufgrund einer naturschädigenden Landwirtschaft entzieht dem Habicht einen großen Teil seiner Nahrungsgrundlage. So leben heute aktuellen Studien zufolge 421 Millionen Vögel weniger in Europa als vor 30 Jahren. „Eine Landwirtschaft, die Natur schont und bereichert, wäre daher auch für den Habicht die beste Lebensversicherung“, sagte Baumann.

Vogelschlag: Glasfassaden als Todesfalle

Neben der Landwirtschaft und der gezielten Tötung von Vögeln sind auch Unfälle an Glasscheiben eine ernste Belastung für viele Vogelbestände. Denn nur selten überleben Vögel wie jetzt der Habicht in Bisingen solche Glaskollisionen. In Fachkreisen kursieren Schätzungen, dass europaweit täglich bis zu 240.000 (!) Vögel an Glasscheiben verunglücken. „Auch wir im Vogelschutzzentrum arbeiten zu diesem Thema und beraten etwa bei großen Bauprojekten“, erklärte Zentrumsleiter Schmidt-Rothmund. „Dabei kommt es vor allem auf eine gute Planung an. Einfach ein paar schwarze Vogelsilhouetten auf die Scheibe zu kleben, reicht leider nicht aus.“ Ziel müsse es sein, wirksam zu verhindern, dass sich Landschaften in Glasflächen spiegeln oder durch sie hindurch sichtbar sind. Punktartige Markierungen in den Glasscheiben sollten beispielsweise mindestens 25 Prozent Deckungsgrad aufweisen, bei Linien genügen mitunter 15 Prozent.

 

Infos zum Habicht, dem Vogel des Jahres: www.vogel-des-jahres.de

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