Glyphosatrückstände im Urin

Der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat bleibt in Europa für weitere 18 Monate zugelassen. Einen Tag vor Ablauf der Zulassung Ende Juni 2016 hat die EU-Kommission die weitere Verwendung genehmigt.

Glyphosat-Untersuchung: 75 Prozent der Deutschen deutlich belastet

Eine am 4. März 2016 in Berlin vorgestellte Datenerhebung zu Glyphosatrückständen im Urin weist eine deutliche Belastung von über dreiviertel der Bundesbevölkerung mit Glyphosat nach.
Demnach liegt bei 75 Prozent der Bürgerinnen und Bürger die Belastung mit mindestens 0,5 ng/ml um ein Fünffaches höher als der Grenzwert für Trinkwasser mit 0,1 ng/ml zulässt. Ein Drittel der Bevölkerung hat sogar eine 10-fache bis zu 42-fache Menge der für Trinkwasser zulässigen Grenzwerte im Urin.

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Die höchsten Belastungen ließen sich nach Altersgruppen aufgeschlüsselt bei Kindern von 0-9 und Kindern/Jugendlichen von 10-19 Jahren nachweisen, nach Berufsgruppen vor allem bei Landwirten. Fleischessende Studienteilnehmer, sogenannte Mischköstler, wiesen höhere Belastungen als Vegetarier und Veganer auf. Bio-Esser sind weniger belastet als Menschen, die sich konventionell ernähren.

Insgesamt ließen sich bei 99,6 Prozent von insgesamt 2009 Probanden eindeutig verifizierbare Glyphosatrückstände nachweisen. An der Erhebung nahmen Freiwillige aus allen Postleitzahlenbereichen der Republik im Rahmen der Urinale 2015 teil, einer Aktion der Bürgerinitiative Landwende und der Bio-Supermarktkette Basic. Die Analyse der Proben wurde von den Teilnehmern mit jeweils 50 Euro (??) selbst bezahlt.

Johannes Heimrath von der Bürgerinitiative Landwende erklärte:“Mit dieser Aktion wollten wir herausfinden, wie weit Glyphosat bereits in die Umwelt vorgedrungen ist. Bisherige Untersuchungen basierten stets nur auf kleinen Datenmengen im zweistelligen Bereich. Nun haben wir über 2000 Datensätze, und 99,6 Prozent der Proben enthalten Glyphosat – das heißt, wir alle sind belastet. Bei Bier kann ich entscheiden, ob ich Alkohol zu mir nehme oder nicht. Diese Freiheit habe ich demnach bei Glyphosat nicht – und ob das gesundheitsgefährdend ist oder nicht, kann bis heute niemand mit Sicherheit sagen. Da die Behörden es bisher versäumt haben, so eine Feldstudie zu machen, musste es eben die Zivilgesellschaft selbst in die Hand nehmen.“

Die von der emeritierten Veterinärmedizinerin Prof. Monika Krüger betreute und vom akkreditierten Labor BioCheck-Holzhausen  durchgeführte Untersuchung ist die weltweit größte bisher durchgeführte Felduntersuchung zum Nachweis von Glyphosat in Urinen.

„Die durchgeführte Untersuchung bestätigt die Ergebnisse des Umweltbundesamtes, dass Glyphosat im Urin bei einem Großteil der deutschen Probanden nachweisbar ist“, stellte Monika Krüger fest. „Es ist die zahlenmäßig bisher größte Untersuchung dieser Art weltweit und mit Probanden aus ganz Deutschland. Die nachgewiesenen Glyphosatkonzentrationen in den Urinen belegen eine erhebliche Belastung der Probanden. Zur gesundheitlichen Bedeutung dieser Ergebnisse müssen weitergehende wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt werden, um Zusammenhänge zwischen der Belastung mit Glyphosat durch Lebensmittel, durch Trinkwasser, durch beruflichen Kontakt etc. und dem Gesundheitsstatus sowie bestimmten Erkrankungen in der Bevölkerung zu erkennen“, so Krüger.

Der Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik der grünen Bundestagsfraktion und Agrarexperte Harald Ebner MdB sagte: „Bei Glyphosat darf es kein Weiter-So geben. Dass fast jeder von uns das Pflanzengift im Körper hat, heißt für mich ganz klar, dass es jetzt keine überstürzte Neuzulassung bis 2031 geben darf. Denn die gesundheitlichen Folgen von Glyphosat sind umstrittener denn je.“  Laut Ebner sei der Expertenstreit noch in vollem Gange, denn die Glyphosat-Bewertungen der Europäischen Chemikalien-Agentur (ECHA) und der gemeinsamen Pestizid-Komission (JMPR) der UN-Weltgesundheits- und Ernährungsorganisationen WHO und FAO stünden noch aus.

Auch das Umweltbundesamt sieht weiteren Forschungsbedarf zur Glyphosatbelastung der Bevölkerung. „Wahrscheinlich krebserregende“ Stoffe dürfen nach aktuellem EU-Recht nicht als „Pflanzenschutzmittel“ zugelassen werden.

„Die Bundesregierung muss in Brüssel das Vorsorgeprinzip nach vorne stellen und ein voreilige Zulassung von Glyphosat stoppen. Christian Schmidt darf dem Vorschlag der EU-Kommission kommende Woche daher keinesfalls zustimmen, notfalls muss Umweltministerin Barbara Hendricks ihn stoppen.“, so Ebner.

Die Untersuchungen wurden mit dem Abraxis-ELISA-Test im akkreditierten Labor BioCheck-Holzhausen nach Angaben des Herstellers durchgeführt. Die Validierung des ELISA-Tests erfolgte mit einer für den Glyphosatnachweis zugelassenen Methode (GC-MS/MS, Krüger et al. 2014). Mit den Untersuchungen sollten folgende Fragestellungen beantwortet werden: 1. Sind die Probanden mit Rückständen belastet? 2. Gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern? 3. Spielen Essverhalten, Alter, Wohnort, BMI sowie hauptsächlicher Kontakt zu Glyphosat eine Rolle für die Konzentrationen im Urin?

Die vollständige Studie ist als Download unter www.urinale.org verfügbar.

 

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Meldung vom 8. Oktober 2015

Grünflächenpflege auf Kosten von Gesundheit und Umwelt?

Der BUND Regionalverband Neckar-Alb führte eine Umfrage zum Glyphosateinsatz bei Gemeinden durch.

Wer setzt sich noch gerne auf eine Parkbank, deren Umfeld mit vermutlich krebserregenden Mitteln besprüht wurde? Wie schön ist eine Blumenbeet, wenn man weiß, dass vor der Aussaat sämtlichem Leben mit Glyphosat der Garaus gemacht wurde?

Der Bund für Umwelt und Naturschutz e.V. (BUND) fordert seit langem ein Verbot des heiß diskutierten Wirkstoffs, welcher  in vielen Unkrautvernichtungsmitteln wie z.B. „Roundup“ und „Unkraut Ex“ enthalten ist.  Glyphosat vernichtet die Bodenvegetation vollständig und schafft somit „saubere Flächen“. Allerdings ist es nach einer aktuellen IARC-Studie (Krebssachverständigenrat der WHO) wahrscheinlich krebserregend, zudem schädigt es als Totalherbizid die Bodenorganismen. Es befindet sich trotz der oben genannten Nebenwirkungen und der Kritik, auch des BUND, im Moment europaweit in der Wiederzulassung.

Konventionell wirtschaftende Landwirte nutzen glyphosathaltige Mittel zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit, doch welchen Grund gibt es für das Spritzen auf öffentlichen Flächen? Der BUND Regionalverband Neckar-Alb befragte alle Kommunen in den Landkreisen Tübingen, Reutlingen und im Zollernalbkreis zu ihrem Umgang mit dem umstrittenen Herbizid, um sich ein Bild der Situation zu machen: Von 28 Gemeinden, die auf die Umfrage reagierten, verwenden 18 nach eigenen Angaben keine glyphosathaltigen Herbizide, sie setzen auf Alternativen wie Heißdampf oder mechanische Verfahren. Einige streben an, in naher Zukunft auf den Einsatz zu verzichten. Eine Bilanz, die dennoch besser ausfallen könnte. Zumal bei einer Zahl von ca. 40 Gemeinden, die trotz Nachfrage nicht antworteten, eine nicht unerhebliche Dunkelziffer zu erwarten ist.

Rückmeldungen von 28 Kommunen in der Region Neckar-Alb: Davon setzen im Landkreis Reutlingen 3 Kommunen (bei 11 Rückmeldungen) Glyphosat zum „Flächensäubern“  ein, im Landkreis Tübingen 2 Kommunen (bei 7 Rückmeldungen) und im Landkreis Zollernalb 5 Kommunen (bei 10 Rückmeldungen).

Die BUND-Umfrage ergab, dass Glyphosat u. a. zur „Bereinigung“ von Gehwegen und Parkplätzen, selbst zur Vorbereitung der Aussaat von Blumenwiesen verwendet wird.

Nach Forderung des BUND hat Alexander Bonde, Minister für ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg, erfreulicherweise am 24.08.2015 angekündigt, man habe „aus Vorsorgegründen die Genehmigungsbehörden im Land angewiesen, keine neuen Genehmigungen von Glyphosat mehr zu erteilen.“ Der BUND RV Neckar-Alb fordert von Gemeinden und Straßenmeistereien, die noch Ausnahmegenehmigungen zur Anwendung von glyphosathaltigen Mitteln haben, diese, auch zum Schutz ihrer Mitarbeiter, nicht mehr einzusetzen.

Mittlerweile haben mehrere Bau- und Gartenmärkte angekündigt, den Wirkstoff aus dem Sortiment zu nehmen. „Sehr begrüßenswert“, so Barbara Lupp vom BUND RV Neckar-Alb, „denn schließlich kommt das Totalherbizid auch auf privaten Grünflächen und in Gärten immer noch zum Einsatz.“

Ratgeber pestizidfreie Kommunen PDF-Download >>

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