Wiege der Kunst

Kunst & Albgeschichte: Blaubeurens Urmuseum öffnet Perspektiven

Tradition und Handwerk gehören zum Menschen, seit er denken kann. Wie lange er bildhaft denkt und somit Kunstverstand beweist, belegt die älteste figürliche Darstellung der Welt – die „Venus“, gefunden in der Schelklinger Höhle Hohle Fels und jetzt für immer daheim im neuen Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren.

Menschenbilder gestern und heute: Im Menschenbildraum ist neben der Wildschwein-Venus aus der Nachgrabung vom Hohle Fels eine Bronze-Plastik von Berthold Müller-Oerlinghausen zu sehen. Der „Sitzende Jüngling“ stammt aus dem Jahr 1952. Das Konzept des Raumes zeigt: Der Mensch schafft von sich ein Zeichen.

Menschenbilder gestern und heute: Im Menschenbildraum ist neben der Wildschwein-Venus aus der Nachgrabung vom Hohle Fels eine Bronze-Plastik von Berthold Müller-Oerlinghausen zu sehen. Der „Sitzende Jüngling“ stammt aus dem Jahr 1952. Das Konzept des Raumes zeigt: Der Mensch schafft von sich ein Zeichen.

Es ist kalt, deutlich eisiger als heute. Es ist ruhig, deutlich stiller als heute. Vor rund 40000 Jahren brauste noch kein LKW am Hohle Fels vorbei. Statt der Dachlinie des Städtchens Schelklingen blickte der Urmensch aus seiner aktuell berühmtesten Höhle verträumt auf die Skyline der eiszeitlichen Schwäbischen Alb.

Vielleicht spielte dieser Mensch im Fellgewand auf eben jener Gänsegeierknochenflöte, deren Fund im Jahre 2008 die Wissenschaft aufrüttelte. Vielleicht trug er die weltweit älteste figürliche Darstellung einer Frau um den Hals, die nun im Original als „Venus“ (Foto rechts) seit Mai dieses Jahres in Blaubeuren ihre neue Heimat gefunden hat. Das 49 Jahre alte Urmuseum wurde zu diesem Zwecke für 7,8 Millionen Euro aufwendig renoviert, vergrößert, professionalisiert.

Dieser Höhlenbewohner hatte in etwa unseren Körperbau – etwas kleiner zwar – aber nicht minder intelligent. Er denkt, er beobachtet – vielleicht gerade das Reiherpärchen, welches sich mit leisem Flügelschlag aus der vorbeiplätschernden Ach majestätisch erhebt. Er schnitzt – vielleicht eben jenen Wasservogel, der nur 70 Zentimeter entfernt von den neun Bruchstücken der Venus im Albschlamm schlummerte. Das Museum widmet jedem dieser einmaligen Funde einen eigenen, thematisch gestalteten Raum: Insgesamt zehn Funde kommen nach einer langen Reise durch die wissenschaftlichen Räume der Uni Tübingen und durch die Schauvitrinen des Landesmuseums an den Ursprungsort zurück. Insgesamt  zehn dramatisch wichtige Exponate sind es, die sich nun um die 30 Gramm leichte und 6 Zentimeter kleine Venus scharen.

Diese „Superfrau“ verdrehte der Archäologenwelt regelrecht den Kopf. Denn: Bislang glaubte man, dass der Homo Sapiens vor 40000 Jahren eher Darstellungen von Tier-Mensch-Skulpturen anfertigte, mit denen er seine religiösen Vorstellungen bildhaft machte. Frauendarstellungen passten bislang eher in die Zeit vor 18000 bis 28000 Jahren. Die Urgeschichte musste neu geschrieben werden. Die Archäologie-Koryphäen haben unserem Höhlenbewohner bei Schelklingen solch eine Kunstfertigkeit bislang nicht zugetraut.

Was diese Höhlenfunde für das Verständnis der Vergangenheit bedeuten, will das neue Museum zeigen. Deshalb werden die Schaustücke mit zahlreichen Seminaren und Besucherprogrammen flankiert.

Sphäre-Ausgabe 2/2014; S. 34-35
WEBcode 14234

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