Kopfsteine

Tradition & Handwerk: Vielfältige Kunstobjekte in Grabenstetten

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Die Schwäbische Alb als Ausstellungsraum für Skulpturen – das Künstlerpaar Raphael Habel und Christine Pütter lässt sich inspirieren zu Objekten aus Stein, Holz oder Mosaik.

Das Schicksal wollte es so, dass die Wege zweier Künstler sich in Grabenstetten treffen. Es sollte der Beginn einer Lebensgemeinschaft sein, aus der heraus sich immer neue Ideen entwickeln. Das kreative Paar Raphael Habel und Christine Pütter bereichert die Alb mit Steinskulpturen, Malerei, sakralen und modernen Mosaiken, Holzobjekten und Kunstevents.

Diese wilde Ideenschmiede pulsiert inmitten des Albdörfchens Grabenstetten, das hoch über Bad Urach thront. Beim Tag der offenen Tür im Skulpturengarten, am 5. September 2010, erhielten rund 250 Kunstliebhaber Einblick über die gesammelten Werke im Freien, als auch im alten Bauernhaus in der Junggasse, dessen Scheune Raphael Habel zum Atelier ausgebaut hat. Skulpturen, von der Bildhauerin aus Stein gemeißelt, präsentieren ihre Anmut in einem Spiel aus Licht und Schatten, das die Herbstsonne in den verwunschenen Garten schickt. Nichts ist zufällig in diesem harmonischen Arran­gement, wo ganz zentral ein Walnussbaum seine mächtigen Arme ausbreitet. Und doch wirkt die Anordnung der Hecken, Sträucher, Stauden und Bäume natürlich. Die Skulpturen gehören ganz einfach dazu, ebenso die modernen Holzobjekte von Habel. Sie sind nicht sofort zu entdecken, sie ducken sich unter dichtem Blätterwerk, verbergen sich in Nischen. Ein perfektes Zusammenspiel von Kunst und Natur, wie auch die beiden Künstler das Miteinander suchen – Teamwork eben, seit 2001.

Teamwork prägt seit jeher die gestalterische Laufbahn  von Raphael Habel, der im Großraum Stuttgart seine Ausbildung absolvierte. Zunächst eine Lehre und Beschäftigung als Siebdrucker. „Du sollst erst mal etwas Rechtes lernen“, bestimmte damals der Vater und bekannte Künstler Otto Habel, der in der Domkirche St. Eberhard in Stuttgart das Altarmosaik schuf. Bald folgte der Sohn jedoch seiner experimentellen Ader in der Freien Kunstschule in Nürtingen und in der Staatlichen Kunstakademie Stuttgart. „Ich arbeitete viel mit meinem Vater, der Austausch war mir wichtig“, beschreibt Habel den Vorteil, gemeinsam Neues zu entwickeln. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1996, erfindet er nun mit seinem beruflichen Weggefährten Tilo Carozzi aus St. Johann neue Techniken, „due idee“ nennen sie sich. „Kunst ist ein Ellenbogengeschäft. Ich dagegen suche die gemeinsa­me Auseinan­der­setzung“, schwärmt das hauptsächlich frei schaffende Multitalent von dieser Partnerschaft. Ge­sell­schaftskritische Denkmodelle aus Holz, die später großformatig Ausstellungen im Freien bestücken sollen, zieren das Atelier. Momentan plant der 57-Jährige Bildhauersymposien im Freien, dann wieder arbeitet er an at­mosphärischen Trennwänden aus Glas, hergestellt aus abfotografierten Lichtprojektionen, die zuvor Parabolspiegel reflektiert haben. Mehrfach trommelte „due idee“ verschiedene Künstler zu Performances an der St. Johan­ner Allee zusammen. Im Sommer 2003 verwandelte dort das Event „Nachträume“ durch Licht- und Klangprojektionen in der Dunkelheit die Landschaft zum Aktionsraum von Mensch, Natur und Kunst (www.due-idee.de).

Ebenso sensibel für besondere Landschaften fand Christine Pütter auf der Schwäbischen Alb ihre zweite Heimat. „Ich habe geheult vor Glück, als ich das erste Mal auf die Alb kam“, erinnert sich die in Halle aufgewachsene Gebrauchsgrafikerin. Kurz vor der Wende übersiedelte sie nach Westdeutschland. Die künstlerische Ader der 54-Jährigen prägten die Eltern, die sich der Malerei und Grafik verschrieben hatten. „Sie waren meine ersten Lehrer“, blickt die temperamentvolle Gestalterin zurück. So schuf sie schon als Neunjährige Plastiken aus Bronze.

Ein Frauentorso aus Holz von Raphael Habel sollte nach einem schweren Schicksalsschlag die beiden Künstler zusammenführen. 1997 verlor Christine Pütter ihre älteste Tochter Undine. Zufällig stieß sie auf die hölzerne Skulptur, die damals vor dem Wohnhaus Habels stand. „Da wusste ich: derjenige, der das geschaffen hat, macht den Grabstein für meine Tochter“, erzählt die Mittfünzigerin von der Fügung. Vier Jahre später zog sie zu Habel nach Grabenstetten, begann 2002, inspiriert von Steinarbeiten in Italien, mit ihrer Karriere als Bildhauerin – zunächst als Schülerin ihres Partners. Ganz behutsam nähert sich die Künstlerin heute ihren Objekten. „Ich lausche in den Stein, um zu hören, was er mir sagt. Nie würde ich ihm meinen Willen aufzwingen“, erklärt sie ihr Vorgehen. Pütter versteht sich als Werkzeug, um die Kräfte, die im Stein wohnen, freizulegen. Ihre Skulpturen leben tatsächlich. Und hinter jedem Objekt, jedem Gemälde oder Mosaik der beiden Künstler steckt eine Geschichte – Geschichten, die das Leben schreibt.

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Printausgabe: Sphäre 3/2010, Seite 6-7

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