Abschluss-Zeugnis

Verbände-Bilanz: Wie gut war Grün-Schwarz für Natur und Umwelt?

BUND und NABU bewerten aktuelle Legislaturperiode mit „gut bis befriedigend“ – Landesregierung muss sich bei Flächenverbrauch, Mobilität und Klimaschutz stärker anstrengen.

Die Landesverbände von BUND und NABU haben ihre Bilanz der zu Ende gehenden Legislaturperiode vorgestellt. Der grün-schwarzen Landesregierung unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann stellen sie ein gutes bis befriedigendes Zeugnis aus. „Insgesamt hat die Landesregierung in den letzten fünf Jahren unter grüner Führung deutliche Anstrengungen im Natur- und Umweltschutz unternommen“, loben die Landesvorsitzenden Brigitte Dahlbender (BUND) und Johannes Enssle (NABU). „Die scheidende Landesregierung hat vor allem im Naturschutz und in der naturverträglichen Landwirtschaft Verbesserungen eingeleitet, die jetzt verstetigt werden müssen.“ Im Bereich des Umweltschutzes stagnieren die Entwicklungen an einigen Stellen. „Für eine Wende hin zu einer nachhaltigen Mobilität hätte die Regierung mehr tun müssen. Auch der hohe Flächenverbrauch ist nach wie vor ein großes Problem“, betonen Enssle und Dahlbender. An die kommende Regierung appellieren sie, die guten Konzepte der scheidenden Landesregierung umzusetzen und den Natur- und Umweltschutz noch mehr ins Zentrum zu rücken: „Die Landespolitik muss sich noch stärker anstrengen als bisher, sonst werden wir unseren Anteil zum Schutz von Insekten und Klima nicht leisten.“

Klima und Energie

Die durchwachsene Bilanz im Klimaschutz und in der Energiepolitik zeigt sich in der Novelle des Klimaschutzgesetzes mit den ungenügenden Reduktionszielen für den Kohlenstoffdioxidausstoß. „Tragischerweise steht Baden-Württemberg selbst mit diesem wenig wirksamen Gesetz besser da als die anderen Bundesländer“, stellt Dahlbender fest. Als große Verbesserungen sehen die Verbände den Einsatz der Landesregierung für die Südquote beim Ausbau der Windenergie. Angesichts der sich zuspitzenden Klimakrise bleibt noch viel zu tun. „Wir vermissen weiterhin einen Fahrplan zum Ausstieg aus der Nutzung der klimaschädlichen Kohlekraftwerke in Baden-Württemberg und eine ausreichende Unterstützung für Bürgerenergieanlagen“, betont die BUND-Landesvorsitzende.

Mobilität und Luftreinhaltung

Wieder einmal hat es eine Landesregierung nach Einschätzung beider Verbände versäumt, die Wende hin zu einer neuen, klimaschonenden Mobilitätskultur einzuleiten. „Zu viel Geld fließt immer noch in den Straßenbau. Im Klartext bedeutet das mehr Verkehr, mehr CO2-Emissionen, höhere Luftbelastung und mehr Flächenverbrauch“, beschreibt Dahlbender die Auswirkungen. „Der von der Landesregierung ins Leben gerufene ,Strategiedialog Automobilwirtschaft‘ kreist zu sehr um rein technologische Fragen beim Auto und um sogenannte umweltfreundliche Antriebe. Es fehlt die Perspektive für eine neue, klimaschonende Mobilitätskultur und welchen Platz der Autoverkehr darin einnehmen soll.“ Positiv bewerten NABU und BUND die angestrebte Zukunftsoffensive für Bahnen, Busse sowie den Rad- und Fußverkehr, die in dieser Legislaturperiode in Fahrt gekommen ist. „Hier kann das Engagement des Verkehrsministeriums durchaus als bundesweit vorbildlich bezeichnet werden“, so Dahlbender.

Flächenverbrauch

Der Landesregierung ist es in dieser Legislaturperiode nicht gelungen, den Flächenverbrauch wesentlich zu reduzieren. „Wir kritisieren, dass es CDU und Grüne in ihrer Uneinigkeit weder geschafft haben, beim Bund im Zuge der Novellierung des Baugesetzbuches auf eine Abschaffung von § 13b Baugesetzbuch hinzuwirken, noch gegenüber den Gemeinden schärfere Landesvorgaben durchzusetzen“, betont Brigitte Dahlbender. Ausdrücklich zu loben sind hingegen die Landesförderprogramme zur Innenentwicklung, zur verstärkten Förderung des sozialen Wohnungsbaus, zur Einstellung von Flächenmanagerinnen und -managern in den Kommunen sowie die vielfältigen Beratungsangebote.

Naturverträgliche Landwirtschaft

Im Bereich der naturnahen Landwirtschaft hat sich die Landesregierung mit einer positiven und zukunftsgerichteten Weiterentwicklung der Landwirtschaft anfänglich sehr schwer getan. Während der ersten vier Jahre ist zum Beispiel bezüglich der Pestizidreduktion nichts geschehen. NABU und BUND erkennen aber ausdrücklich an, dass nach dem landesweiten Volksbegehren „Rettet die Bienen“ ein Sinneswandel eingetreten ist. Durch das Biodiversitätsstärkungsgesetz wurden viele Weichen hin zu einer Stärkung des ökologischen Anbaus, dem besseren Schutz von Streuobstbeständen, mehr Blühflächen und der Verantwortung des Landes für die landeseigenen landwirtschaftlichen Flächen gestellt. „Mit Blick auf die Situation in der Tierhaltung hat die Landesregierung allerdings zu wenig unternommen, um die Massentierhaltung und die Schlachthöfe besser zu kontrollieren und Veränderungen hin zu mehr Tierwohl auf den Weg zu bringen“, so Enssle.

Schutz der biologischen Vielfalt 


Im Naturschutz hat die Landesregierung einen großen Schritt nach vorne gemacht. „Die Aufstockung des Personals in der Umweltverwaltung um mehr als 200 Stellen und die Erhöhung der Finanzmittel um zusätzliche 30 Millionen Euro pro Haushaltsjahr hat die staatliche Naturschutzverwaltung in dieser Legislaturperiode deutlich handlungsfähiger gemacht“, erklärt Enssle. Durch den Druck des landesweiten Volksbegehrens „Rettet die Bienen“ wurde im Juli 2020 das bundesweit vorbildliche Gesetz zur Stärkung der Biodiversität erlassen. „Als sehr positiv bewerten wir auch das Sonderprogramm Biologische Vielfalt, das mit weiteren 15 Millionen Euro pro Jahr dazu beiträgt, die Bestandsentwicklung von Insekten, Vögeln und Fledermäusen zu verbessern“, so Enssle. Erfolge beim Rückgang der biologischen Vielfalt zeigten sich jedoch nur langsam, die Maßnahmen konnten aufgrund der Kürze der Zeit noch nicht ihre volle Wirkung entfalten. „Wir brauchen einen Marathonlauf im Sprinttempo, um das Artensterben aufzuhalten.“

Schutzgebiete


Neben dem Moorschutz wurden auch bei den Großschutzgebieten viele positive Entwicklungen angestoßen. Gerade die Biosphärengebiete nehmen als Modellregionen, die Naturschutz und nachhaltige Entwicklung vorleben, eine bedeutende Rolle ein. „Hier müsste sich die Landesregierung im Bereich Flächenverbrauch, Klimaschutz und Mobilität noch stärker engagieren, um bei den betroffenen Landkreisen und Kommunen modellhaft gute Beispiele mit Ansporn zur Nachahmung anzuregen. Es braucht ein übergreifendes Agieren der zuständigen Ressorts“, fordert Enssle. Die Ausweisung klassischer Naturschutzgebiete wurde in dieser Legislaturperiode dagegen vernachlässigt. In der nächsten Legislaturperiode sollte es hier eine neuerliche Offensive geben.

BUND und NABU sind parteipolitisch neutral. Doch sie verstehen es als ihre Aufgabe, für die Wähler*innen das Handeln der Politiker*innen im Umwelt- und Naturschutz zu beobachten und zu bewerten.


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