Gewinn für Natur und Mensch

Über 300 europäische Schutzgebietsverwaltungen appellieren an Regierungen, den Naturschutz zu stärken

Naturschutz darf kein Spielball politischer und wirtschaftlicher Interessen eines Landes sein. Die Deklaration von Bad Urach ruft europäische Regierungen auf, die Schutzgebietsverwaltungen in ihren Aufgaben zum Schutz der biologischen Vielfalt wie des Klimaschutzes unterstützen.

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Berlin, 7. Oktober 2011: Eine der größten Konferenzen im Bereich des Naturschutzes, die EUROPARC Conference 2011, ging mit der Verabschiedung der Bad-Urach-Deklaration am 24. September in Bad Urach zu Ende. In der Deklaration werden die europäischen Regierungen aufgefordert, den Naturschutz durch personelle und finanzielle Ausstattung zu unterstützen und die sich über Jahre verschlechternden Bedingungen in vielen Schutzgebieten zu stoppen.

Europarc-Konferenz im schönen Bad Urach im Biosphärengebiet Schwäbische Alb

Die parlamentarische Staatssekretärin, Ursula Heinen-Esser im Bundesumweltministerium, regte in ihrer Rede an, möglichst europaweit einheitliche Qualitätsstandards für Nationalparks, Biosphärenreservate und Naturparks zu entwickeln und verwies dabei auf die positiven Erfahrungen in Deutschland, insbesondere im Rahmen der Dachmarke „Nationale Naturlandschaften“. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz, hob darüber hinaus den Wert der Nationalen Naturlandschaften für die regionale Wertschöpfung hervor.

„Qualität zählt – Gewinn für Natur und Mensch“, das Motto der Konferenz wird in den Nationalen Naturlandschaften bereits in zahlreichen EUROPARC-Projekten umgesetzt. Die Evaluierungen der Nationalparks und Biosphärenreservate sichert beispielsweise vergleichbare Qualitätsstandards in den Schutzgebieten. Die Zertifizierung von regionalen Herstellern und Dienstleistern als „Partner der Nationalen Naturlandschaften“ stärkt regionale Wirtschaftskreisläufe und schafft qualitativ hochwertige Angebote für Besucher, Freiwillige in den Parks engagieren sich unter dem Label „Ehrensache Natur“ für die Pflege und den Erhalt der wertvollen Natur- und Kulturlandschaften. Das Umweltbildungsprogramm „Junior Ranger“ vermittelt Kindern den hohen Stellenwert unserer Naturschätze und gibt ihnen Grundlagen zum verantwortungsvollen Handeln. Das von der Commerzbank seit 1990 getragene „Praktikum für die Umwelt“ ermöglicht Studierenden, praktische Erfahrungen in den Nationalen Naturlandschaften zu sammeln, die ihnen den Einstieg ins Berufsleben erleichtern können.

Die jährliche Schutzgebietskonferenz der EUROPARC Federation, der europäischen Dachorganisation für Großschutzgebiete, fand in diesem Jahr auf Einladung des Landes Baden-Württemberg und der Deutschen Sektion, EUROPARC Deutschland, vom 21. bis 24. September in Bad Urach, Baden-Württemberg statt. In Workshops, Vorträgen und auf Exkursionen diskutierten die über 300 internationalen Teilnehmer aus 40 verschiedenen Ländern drängende Natur- und Umweltschutzthemen und tauschten sich über Möglichkeiten zum Schutz von Europas Naturlandschaften aus.

Die Konferenz wurde vom Bundesamt für Naturschutz, dem NABU, dem WWF, der Allianz Umweltstiftung sowie der Commerzbank unterstützt.

Bad-Urach-Deklaration zur Stärkung der Schutzgebiete in Europa

Wir, die heute hier versammelten Mitglieder der Förderation EUROPARC, wenden uns an die Europäische Kommission, das Europaparlament und die nationalen Regierungen Europas und  erklären im Hinblick auf die auf dieser Konferenz erarbeiteten Ergebnisse, dass nur qualitativ hochwertige und gut gemanagte Schutzgebiete in Europa einen modellhaften Beitrag zur Umsetzung der Konvention über die Biologische Vielfalt und zum Klimaschutz leisten können. Die EU und die europäischen Staaten sind aufgefordert, die rechtlichen, finanziellen und personellen Voraussetzungen zu schaffen, um die Ziele der Biodiversitätskonvention bis 2020 zu erreichen.

Das ursprüngliche Ziel der EU, den Schwund an biologischer Vielfalt bis 2010 zu stoppen, ist in allen 27 Mitgliedsstaaten gescheitert.

Eine der Ursachen liegt darin, dass in vielen Schutzgebieten die Aufgaben nur unzureichend oder gar nicht erfüllt werden können. In den letzten Jahren haben sich die Bedingungen in vielen Gebieten sogar deutlich verschlechtert. Dabei nimmt die Bedeutung der Schutzgebiete als „Schatzkammern“ der Biologischen Vielfalt in Europa stetig zu. Wenn in diesen der Verlust Biologischer Vielfalt nicht gestoppt werden kann, wird dies außerhalb der Gebiete erst recht nicht möglich sein.

„Qualität zählt – Gewinn für Natur und Mensch“ – unter diesem Motto stand daher die diesjährige Jahreskonferenz der EUROPARC Federation. Das bedeutet für die Qualität der Natur-, Regional- und Nationalparks sowie der Biosphärenreservate in Europa und damit auch im Gastgeberland Deutschland:

dass diese nach vergleichbaren Standards rechtlich gesichert werden müssen,

dass es einer den Aufgaben angemessenen personellen und finanziellen Ausstattung bedarf, die für die Entwicklung und Verwaltung der Schutzgebiete notwendig ist.

Nur auf dieser Grundlage können die bei der Ausweisung der Gebiete definierten Ziele am besten erreicht werden. Hierzu haben sich die Vertragsstaaten der Konvention über die Biologische Diversität (CBD) und die Mitgliedstaaten der UNESCO verpflichtet. Die Kriterien der IUCN und der UNESCO sind anerkannte Grundlagen für die Entwicklung von Schutzgebiete.

Nach den internationalen Vereinbarungen und nationalen Gesetzen sollen Schutzgebiete folgende Aufgaben erfüllen:

  • Schutz der natürlichen und biologischen Vielfalt und ihrer Prozesse, auch mittels großer Wildnisgebiete,
  • Entwicklung von Modellen für den Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel,
  • Bildung für eine nachhaltige Entwicklung,
  • Forschung und Monitoring,
  • Etablierung und Weiterentwicklung nachhaltiger Landnutzungsmodelle, die Naturschutzstandards einbeziehen und ökonomisch tragfähig sind,
  • Etablierung und Weiterentwicklung nachhaltiger Wirtschaftsweisen in allen anderen Wirtschafts- und Lebensbereichen (Tourismus, Energiegewinnung, Abfallwirtschaft, Handwerk, Industrie etc.),
  • Aufbau regionaler Wirtschaftskreisläufe und Wertschöpfungsnetzwerke

Hierzu sind folgende Voraussetzungen erforderlich:

  • Schutzgebiete sind im europäischen Rahmen und durch nationale Gesetzgebung zu sichern,
  • Schutzgebiete sind den für ihre Ausweisung und ihr Management zuständigen staatlichen Institutionen unmittelbar zu unterstellen,
  • Schutzgebiete sind nach modernen Managementprinzipien zu verwalten und regelmäßig zu evaluieren,
  • Schutzgebiete müssen als Motoren nachhaltiger Regionalentwicklung deutlicher als bisher auftreten,
  • Schutzgebiete müssen ihre jeweiligen Kernbotschaften und gesetzlichen Aufgaben in vielfältigen Kooperationen und Netzwerken umsetzen,
  • Schutzgebiete müssen das europäische Naturerbe in nachhaltig genutzten Kulturlandschaften ebenso in neu entstehenden Wildnisgebieten schützen und bewahren

Handlungsbedarf

Wir, die Mitglieder der EUROPARC Federation rufen daher die nationalen und regionalen Regierungen und die Europäische Kommission auf:

  • Schaffen Sie die gesetzlichen Rahmenbedingungen, um die Aufgaben der europäischen Schutzgebiete effizient zu erfüllen  und deren Funktionen voll zum Tragen kommen zu lassen.
  • Stärken Sie das Bewusstsein für den ökonomischen Wert der Schutzgebiete mit den zur Verfügung gestellten ökosystemaren Leistungen, insbesondere deren Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung und zur Schaffung von Arbeitsplätzen.
  • Geben Sie den Schutzgebieten – auch unter schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen – die dazu erforderlichen Kompetenzen und stärken Sie die Parkverwaltungen durch eine entsprechend hochwertige personelle, finanzielle und technische Ausstattung.
  • Überwachen Sie regelmäßig die Erreichung der Schutzziele und der Effektivität des Schutzgebietsmanagement und installieren Sie hierfür entsprechende Monitoringprogramme und Evaluierungsverfahren.
  • Lösen Sie den viele Schutzgebiete belastenden Konflikt zwischen ungestörter Entwicklung von Wildnis und dem Erhalt wertvoller Kulturlandschaften und Natura-2000-Gebieten, die für die Bewahrung der biologischen Vielfalt notwendig sind.
  • Unterstützen Sie den Austausch- und die Kooperation zwischen den europäischen Schutzgebieten.
  • Sensibilisieren Sie Entscheidungsträger, relevante Akteure und die Öffentlichkeit für die Bedeutung und den Wert der Schutzgebiete und die Erhaltung der biologischen Vielfalt.
  • Beziehen Sie einen umfassenden Schutz von natürlichen Höhlen und Karst-Naturerscheinungen in die Schutzgebietsverwaltung mit ein.

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