Entstehung – das Meer

Begleiten Sie uns auf eine Reise durch die Zeit der Schwäbischen Alb, bis hinein ins Erdmittelalter vor rund 240 Millionen Jahren: Es existiert ein einziger großer Superkontinent, der bald durch gewaltige Kräfte im Erdinnern beginnen wird, zu zerfallen. Riesige Kontinente wandern, Ozeane entstehen.

Die Alb taucht aus den Fluten auf: Die watteweichen Wolken, die hier den Albtrauf umspielen, muten an wie Wellen des Jurameers. Aus ihm erhob sich die Schwäbische Alb vor 150 Millionen Jahren.

Hier steigen wir ein, besuchen die für die Schwäbische Alb wichtigsten Stationen, um ihre Beschaffenheit und Relief zu verstehen. Denn neben den tektonischen Kräften ist es vor allem das Wasser, das durch Meeresablagerungen schon vor Urzeiten die Alb prägte. Und es feilt noch immer an der Gestalt dieses 220 Kilometer langen Karstgebirges zwischen Nördlingen und Tuttlingen.

Geopark_logoUNESCO Geopark Schwäbische Alb: Mehr Infos erhalten Sie unter: www.geopark-alb.de

Was sind schon läppische 240 Millionen Jahre? Überträgt man die Erdgeschichte seit ihrer Entstehung vor 4600 Millionen Jahren bis heute auf eine 24-Stunden-Skala, so beginnt unsere Zeitreise am Anfang des Erdmittelalters etwa um 22.45 Uhr. Das ist eigentlich noch gar nicht so lange her. Genauer: Ab 23 Uhr zerfällt der Superkontinent Pangäa. In 20 Minuten entwickeln sich die Kontinente, wie wir sie heute kennen. Dazwischen, von 22.50 Uhr bis 23.40 Uhr, beherrschen die Dinosaurier den Planeten. Wir, die früheste Form des modernen Menschen (archaischer Homo sapiens), entwickeln uns vor 100000 bis 200000 Jahren, zwei bis vier Sekunden vor Mitternacht.

Zurück zur Alb. Wie bildete sich ihr typisches Relief? Jäh erhebt sich heute der markante Albtrauf um bis zu 400 Höhenmeter aus dem Albvorland empor. Stolz ragen an dieser steilen Nordwestseite zerklüftete Felsen in den Himmel. Lieblicher präsentiert sich dahinter, in südöstlicher Richtung auf der Albhochfläche die dicht bewaldete Kuppenalb mit ihrem sanft welligen Relief. Eine Klifflinie markiert den Übergang zur Flächenalb, die sich sacht nach Südosten zur Donau hin neigt. Klifflinie? Schwer vorstellbar, dass Meeresfluten einst die Schwäbischen Alb bedeckten.

Doch bevor das Meer das heutige Europa erreichte, waren alle Kontinente noch in der riesigen Landmasse Pangäa vereint: Es ist heiß und trocken, gigantische Wüsten breiten sich aus, bedingt durch die enorme Landfläche. Zeitsprung, die Uhr zeigt zirka 23 Uhr: Wir befinden uns in der sogenannten Jurazeit, deren Gesteinsschichten die Schwäbische Alb heute ausmachen, vor rund 190 Millionen Jahren. Hier beginnt der Superkontinent langsam durch die Verschiebung riesiger Platten auseinanderzubrechen – in den nördlichen Teil Laurasia und den südlichen Gondwanaland. Das Tethysmeer, das bislang nur den Osten des Superkontinents umspielte, verschafft sich Raum und breitet sich nach Westen Richtung Europa aus. Tiefseebecken wogen, Korallenriffe bilden sich, verschiedenste Meerestiere schwimmen in den Fluten. Das Klima ändert sich: Im Bereich des Tethysmeers ist die Luft feucht und warm, tropische Gewächse entfalten ihre Blätter- pracht, Dinosaurier bevölkern das Land. Unterdessen driften die Kontinente immer weiter auseinander, die Meeresströmungen, die seither für den globalen Temperaturausgleich gesorgt haben, werden unterbrochen, das Weltklima dadurch rauer. Als die Landmassen das Tethysmeer schließlich umgeben, entwickeln sich seine Sedimente zu einem Sammelbecken von Fossilien – auch die Dinosaurier haben hier ihre Spuren hinterlassen. In unseren Breiten taucht am Ende der Jurazeit Südwestdeutschland aus den mehrmals hereingeschwappten Fluten auf. Die Schwäbische Alb erblickt das Licht der Welt.

An diesem Punkt nähert sich unsere Zeitreise allmählich der Erdneuzeit, so gegen 23.45 Uhr. Ein gewaltiger Bruch der Erdkruste vor rund 50 Millionen Jahren hat weitreichende Folgen: Am Oberrhein zwischen Frankfurt und Basel senkt sich die Erde bis zu 3,5 Kilometer in die Tiefe, die Erdkruste wird bis zu sieben Kilometer auseinander gezerrt – diese Zugspannungen halten bis heute an. Die Ränder des Grabens schieben sich in die Höhe, im Westen die Vogesen und der Pfälzerwald, im Osten der Schwarz- und Odenwald. Der einstige Meeresboden aus der Jurazeit mit mächtigen Schichten aus Ton, Kalk und Mergel hebt sich in Schrägstellung empor, nach Südost abfallend. Das Südwestdeutsche Schichtstufenland entsteht. Die Schwäbische Alb als Teil dieses Schichtstufenlands besteht aus der jüngs­ten Schicht, dem Jurakalk.

Allen voran ist es das fließende Wasser, das die einzelnen Land­stufen herausmodelliert. Härteres und weicheres Gestein wech­seln sich im schräggestellten Schichtpa­ket ab. Vor allem bei Ge­steinen der stärker gehobenen Land­schafts­teile und bei weniger widerstandsfähigen Schichten wie Ton und Mer­gel in den geneigten Bereichen hat das Wasser leichtes Spiel.

Unterschiedliche Gesteins­härten sind auch die Ursache für die sogenannten Zeugenberge, die sich trotzig aus dem Vorland der Schwäbischen Alb erheben. Wasser und Wind präparierten sie he­raus, ja trennten sie komplett von der Schichtstufe ab, wie etwa die Achalm bei Reutlingen oder die Drei Kaiserberge zwischen Göppingen und Schwäbisch Gmünd. Sie beweisen, dass die Alb einst fast bis Stuttgart reichte und heute noch, 1,6 Millimeter jährlich, zurückweicht. Anders entwickelten sich die Kegelberge wie die Limburg bei Weilheim an der Teck oder der Jusi in der Nähe Metzingens. Sie zeugen von der hochexplosiven Zeit vor rund 17 Millionen Jahren (23.54 Uhr), als in einem Umkreis von etwa 25 Kilometern rund um Bad Urach aus 355 Ausbruchstellen Gase, Wasserdampf und Gesteinsbrocken schossen. Mit ihren harten Schlotfüllungen trotzten sie der Abtragung – daher die Bezeichnung Härt­ling. Wo allerdings wasserundurchlässige Schichten die Vulkan­krater abdichten, sammelt sich Was­ser, es entstehen Hülen, Maare oder Torfmoore. Wie das Randecker Maar, dessen Kra­terrand 1,2 Kilometer durchmisst.

Und immer wieder ist es das Wasser, das Bizarres formt, auch unterirdisch. Karsterscheinungen nennt man die Ereignisse, die entstehen, wenn Regen in poröses Gestein dringt und dort abfließt. Regenwasser nimmt beim Versickern durch den Boden Kohlendioxid auf. Es wirkt dann wie eine Säure, die Kalk aus dem Stein löst. Folge: Höhlen, Dolinen und un­ter­irdische Wasserläufe bilden sich. Erreicht das mit Kalk angereicherte Wasser die Erdoberfläche, „fällt“ der Kalk wieder aus und lagert sich an. Beispiel: die imposan­ten, 25 Meter breiten Terrassen aus Kalktuff des Gütersteiner Wasserfalls bei Bad Urach, über die das Wasser ins Tal stürzt.

Solche Naturschauspiele wie Höhlen, Quelltöpfe oder Fossilienfunde greift der Verein Geopark mit Info­stellen auf der Alb thematisch auf (www. geopark-alb.de), wie beispielsweise das Urweltmuseum in Aalen.

Sekunde null: Starten Sie Ihre Entdeckungsreise in Wanderschuhen, hier und jetzt.

Printausgabe: Sphäre 1/2013, Seite 12

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