Die Alb dem Himmel nah

Vor 400 Jahren richtete Galilei sein Teleskop zum Himmel, 40 Jahre liegt die Mondlandung zurück – und wieder einmal war ein Älbler noch früher dran: Johannes Stöffler aus Justingen verewigt ein Stück Alb auf dem Mond.

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Seit Jahrhunderten wissen die Menschen, dass man auf der Albhochfläche in besonders klaren Nächten einen herrlichen Nachthimmel beobachten kann. 800 Meter über dem Rest der Welt ist hier oben die Luft rein und sternenklar. Die sogenannte Lichtverschmutzung aus den grellen Ballungsgebieten reicht kaum über die Hangkante hinauf. Ein wahres Eldorado für Himmelsstürmer spannt sich über den Horizont.

Dies hat wohl auch der junge Johannes Stöffler erlebt und ihn bewegt. Dieser ruhmreiche Albgenosse studierte seinerzeit zwar nur bei Kerzenschein, der glasklare Himmelsblick direkt aus der Mitte der Biosphäre aber inspirierten den Denker ungemein.

Der Schwabe Stöffler erblickte 1452 das Licht der Welt, drückte in Blaubeuren die Schulbank. Als Studiosus weilte er in Ingoldstadt. Bereits mit 21 Jahren wurde er in Justingen auf der Alb Kaplan. Nach seinen Lebzeiten vor über 500 Jahren reihte sich der Mathematiker und Astronom zwischen großen Namen wie Kepler ein.

Die Leidenschaft des jungen Pfarrers – die Astronomie – war im Mittelalter noch eng mit der Astrologie im Bunde. Darum verwundert es nicht, dass Stöffler seine hochgenauen astronomischen Tafeln auch für recht weitreichende Prophezeiungen nützte. So sagte er das Ende des Papsttums voraus. Für den 25. Februar 1524 prophezeite er gar eine Sintflut. Folge: Seine Weissagung löste eine Hysterie aus. Berichte aus Frankreich und Italien schildern: Gläubige verkauften Grund und Boden und bauten kleine Schiffe, andere horteten Lebensmittel und harrten in Burgtürmen dem Supergau.

Die Arche-Noah-Katastrophe blieb aus – dennoch genoss der Universalgelehrte viel Ruhm nicht nur auf der Alb. Er richtete sich im Justinger Pfarrhaus eine Werkstatt für astronomische Geräte und Himmelsgloben ein. Seine herausragenden Fähigkeiten blieben auch den Herrschenden nicht verborgen. Herzog Ulrich von Württemberg berief ihn zum 1. Professor für Mathematik in Tübingen.

Besonders eindrucksvoll waren seine Vorschläge zur Kalenderreform. Diese bildeten eine wertvolle Grundlage für den heutigen Gregorianischen Kalender, der die Julianische Zeitrechnung im 16. Jahrhundert Zug um Zug ablöste.

Der große Zeitsprung erfolgte über 50 Jahre nach Stöfflers Tod in Blaubeuren. Im Jahr 1582 folgte auf Donnerstag, den 4. Oktober sogleich Freitag, der 15. Oktober. Die Probleme der Osterberechnung im alten Julianischen Kalender waren damit vorerst behoben.

Doch wie bei allen Neuerungen dauerte es auch beim Gregorianischen Kalender bis er sich überall durchsetzte. Ein überzeugter Verfechter war der italienische Theologe und Astronom Giovanni Riccioli (1598 – 1671). Er setzte gar unserem hochgeschätzten Alb-Gelehrten ein himmlisches Denkmal: Riccioli benannte einen augenfälligen Mondkrater nach Stöffler (Foto: Blauer Kreis). Mit einem Durchmesser von über 120 Kilometern lässt er sich gut beobachten. Der urzeitliche Meteoriteneinschlag ließ im Krater einen Lava-See entstehen vom Ausmaß der Schwäbischen Alb. Der 2760 Meter tiefe, erstarrte Grund der so entstandenen Wallebene erscheint nun dunkel und glatt. Vielleicht sehen Sie in unserer Albluft den Mond nun ein wenig schwäbischer, zumindest aber klarer als tief unten im Tal.

Text & Foto: Hans-Peter Eppler

Experten-Tipp:

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Ein guter Feldstecher reicht für eine erfolgreiche Beobachtung aus. 6 Tage nach Neumond oder 5 Tage nach Vollmond liegt der Stöffler-Krater an der Schattengrenze (siehe blauer Kreis im großen Foto oben). Dann sind die Bedingungen zum Auffinden optimal. Die Formation hebt sich kontrast­reich von der zerklüfteten Umgebung ab. Legen wir nun in Gedanken Stöfflers Justingen ins Zentrum des Kraters, passen auch noch Memmingen und Stuttgart hinein.

Mond (Foto: Eppler, Laichingen)Eiskalt erwischt: Rund -160 Grad Celsius herrschen auf der Schattenseite des Mondes, +130 Grad in der Sonne. Die Faszination in höchs­ter Auflösung holt das Objektiv auf einen eisgekühlten Kamera-Chip. Um das Bildrauschen zu verringern, kühlte Sphäre-Mitarbeiter Hans-Peter Eppler aus Laichingen den Kamerasensor auf minus 35 Grad herunter.

Daten zum Mondfoto: Astrokamera SBIG ST-4000, 0,05 sec belichtet, 1.800 mm Brennweite, Blende 10, auf – 35 C gekühlt.

Printausgabe: Sphäre 2/2009, Seite 28/29

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