Naturpark du Verdon

 Naturparkportrait: Verdon-Schlucht, Frankreich

Die Verdon-Schlucht gilt als der spektakulärste aller französischer Canyons mit Felsabstürzen bis zu 700 Metern. Tief im engen Tal tost ein Wildbach, dessen außergewöhnliches Grün ihm den Namen gab. „Grün“ heißt auf Französisch „vert“.

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Enge Himmel

Die Verdon-Schlucht gilt als der spektakulärste aller französischer Canyons mit Felsabstürzen bis zu 700 Metern. Tief im engen Tal tost ein Wildbach, dessen außergewöhnliches Grün ihm den Namen gab. „Grün“ heißt auf Französisch „vert“.

Messerscharf begrenzt grelles Licht den Schatten. Die Kräfte von Jahrmillionen andauernder Erdbewegung haben die Gebirgsebene von Valensole in der französischen Provence schlussendlich in zwei Teile gesprengt. Die Kerbe im Kalkgestein scheint bodenlos: Ost oder West. Sonnenüberflutet oder schwarz wie die Nacht. Dazwischen schimmert ein enges Band strahlenden Himmelblaus oder es funkelt mystisch ein smaragdfarbenes Grün – je nach dem, ob man auf der linken oder rechten Talseite geht, und ob sich der Blick nach oben richtet oder hinab, auf die wilden Fluten des Gebirgsflusses Verdon.

Fotos & Text Sphäre-Verlag

Besonders laut brüllt der 166 Kilometer lange Wildbach nach der Stadt ­Cas­­tellane. Denn auf den folgenden 21 Kilometern hinunter zum großen Stausee Lac de Sainte-Croix schneidet sich das türkisfarbene Band tief in das Massiv, rund 250 bis 700 Meter . Die enge Schlucht misst am Grund zwischen nur sechs und 100 Meter Breite (Foto unten), die sich gegenüberliegenden Steilflanken liegen 200 bis 1500 Meter voneinander entfernt.

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Talenge: Der Canyon ist sechs bis 100 Meter breit.

Diese einzigartige Natur- und Klimakulisse blieb vom Einfluss der Menschen weitgehend verschont. Denn: Der Abstieg über mehrere hundert Meter und später wieder hinauf, ist nur konditions- und willensstarken Zeitgenossen vorbehalten. Bis heute – zum Glück – denn Seilbahnen und andere Auf- und Abstiegshilfen gibt es nicht.

So kann der Naturgenießer auf einem der spektakulärsten Wanderwege, „Sentier Martel“ genannt, tief unten in der Schlucht mutterseelenallein wandeln, kraxeln, hangeln, balancieren. Zumindest in der touristenarmen Zeit um Pfingsten, wo die Temperaturen noch keine schweißtreibenden Rekordmarken erreichen. Halteseile sichern schwierige Passagen – hier mal eine Brücke am Talgrund, dort mal eine Stahltreppe um glatt abfallende Felswände herum (Foto). Dennoch keimt stellenweise Furcht vor einem Sturz in die hoch aufschäumenden Fluten auf. Der 1928 angelegte „Sentier Martel“ schrumpft bisweilen auf Schreibtischbreite, links ein Felsüberhang, rechts senkrecht hinab in die reißenden Fluten.

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Enge Himmel: Das Spiel mit Licht und Schatten.

Diese Schlucht kann tödlich sein: „Drei deutsche Urlauber beim Canyoning in Seitenarm des Verdon ertrunken“, titelte die Süddeutsche 2010. „Durch von Unwetter anschwellenden Fluten davongerissen“, meldete die Kölnische Rundschau 2008. Deutsches Auto in den Fluten entdeckt, Radwanderer vermisst.

In den 80er-Jahren erlangte die Gorges du Verdon Weltruhm. Die spektakulären Kletterfilme des Franzosen Patrick Edlinger (✝), ein Pionier des sogenannten „Freeclimbing“, vermittelte die Faszination dieser Felswände nun auch über Europas Grenzen hinaus (Film siehe Linksammlung unten). Edlinger besaß Kultstatus, vor allem wegen seiner waghalsigen Touren 700 Meter über dem Verdon – ohne Sicherung, kein Klettergurt, nur etwas Magnesium an den Händen und den nackten Füßen. Seine Bewunderer haben ihn „Spider-Man der Schluchten“ genannt.

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Die Verdon-Schlucht ist nichts für Seilbahntouristen.

Die Verwaltung des Naturpark Verdon logiert in Moustiers-Sainte-Marie – eine malerische Gemeinde (Foto unten), die nur acht Kilometer vom Ausgang der Schlucht entfernt liegt. Dicht gedrängt schmiegen sich historische Häuserfassaden vor einer steil aufragenden Felskulisse an den Berghang. Oberhalb des Dorfes thront die Wallfahrtskapelle Notre-Dame-de-Beauvoir (im Foto). Eine Schlucht teilt das Dorf in zwei Hälften, die eine altertümliche Bogenbrücke verbindet.

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 Moustiers-Sainte-Marie: Die Naturparkverwaltung residiert in diesem geschichtsträchtigen Bergdorf.

Moustiers ist bereits im 5. Jahrhundert aus einem Kloster heraus entstanden. Im 17. und 18. Jahrhundert verhalf die Fayencekunst dem Ort zu seiner wirtschaftlichen Blütezeit. Es lebten einst bis zu 3000 Menschen von den kunstvoll bemalten Tonwaren – heute nur noch 700. Einige Künstler im Ort haben die Keramik-Traditionen wieder aufleben lassen. Es gibt sogar ein attraktives Keramik-Museum (siehe Linksammlung unten)

Von hier aus lässt sich der gesamte Naturpark Verdon erkunden. Er besitzt einen ähnlichen Schutzstatus wie das Biosphärengebiet Schwäbische Alb. Von 29 in Frankreich vorkommenden Fledermausarten findet der Kenner 21 im Naturpark Verdon. Der Gänsegeier ist zurückgekehrt mit seinem mächtigen Fluggerät von 2,5 Metern Spannweite. Farbenprächtig präsentiert sich die Kulturlandschaft – die Lavendelfelder, eine blau-violette Verführung von Auge und Nase. Den bezaubernden Duft konzentrieren nicht nur Parfümeure in ihren Flacons, sondern auch Imker konservieren den Geschmack der Provence in süßestem Honig und Schnapsbrenner in alkoholscharfen Likören.

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Schweres Gerüst: Wenn Pfade unbegehbar werden.

Doch was wäre ein Wanderziel, ohne dass man nicht seine erhitzten Muskeln auch beim Baden abkühlen kann. Kein Problem: Am Ende der Verdon-Schlucht liegt der „Lac de Sainte-Croix“. Als zweitgrößter Stausee bedeckt er eine Fläche von fast 22 Quadratkilometern mit einer Länge von fast 15 Kilometern. Dem erst ab 1974 angestauten Fluss Verdon musste auch das Dorf „Les Salles-sur-Verdon“ weichen, das 400 Meter entfernt neu aufgebaut wurde. Im Blick stets das mystisch funkelnde Smaragdgrün. Darüber allerdings nicht die Enge des Himmels der Verdon-Schlucht, sondern das endlose Blau der heißen französischen Provence.

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Übersichtskarte Canyon du Verdon

  •  Homepage Parc du Verdon >>
  • Ausgangspunkt für Touren: Moustiers-Sainte-Marie / Keramikmuseum >>
  • Kletterfilm: In den 80er-Jahren erlangte die Gorges du Verdon Weltruhm. Die spektakulären Kletterfilme des Franzosen Patrick Edlinger (✝), ein Pionier des sogenannten „Freeclimbing“, vermittelte die Faszination dieser Felswände nun auch über Europas Grenzen hinaus. Edlinger besaß Kultstatus, vor allem wegen seiner waghalsigen Touren 700 Meter über dem Verdon. Teil 1 >> / Teil 2 >> / Teil 3 >>

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Starke Landschaften: Naturpark Verdon

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Spurwechsel: Am Canyon du Verdon sind die gegenüberliegenden Flanken oben auf dem Hochplateau unerreichbar. Unten hilft dem Wanderer eine moderne Stahlbrücke beim Seitenwechsel.

Naturpark du Verdon: Fast doppelt so groß wie das Biosphärengebiet Schwäbische Alb verzaubert dieser französische Naturpark mit sieben abwechslungsreichen Landschaften: Schluchten, hohe Berge oder fruchtbare Tiefebenen, in denen sich Lavendelfelder im warmen Sommerwind wiegen. Das Rückgrat dieses Schutzgebietes bildet der Fluss Verdon, der am Ende des 21 Kilometer langen spektakulären Canyons in den zweitgrößten Stausee Frankreichs mündet, den Lac de Sainte-Croix.

Die Naturparkidee ist vergleichbar mit der des UNESCO-Biosphärenreservates Schwäbische Alb: Öko-Bewusstsein schaffen, touristische und landwirtschaftliche Nutzung dahingehend beeinflussen, dass das Kultur- und Naturerbe erhalten bleibt. „Die Akteure des Gebiets verpflichten sich, eine Balance zwischen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen und den Schutz der Umwelt zu finden“, formuliert die „Charta 2008-2020“. Den Naturpark gibt es seit 1997, umfasst 46 Gemeinden mit rund 20000 Einwohnern. Das Park-Team besteht aus 26 Mitarbeitern. Sie forcieren auch die regionale Speisekarte: Linsen, Kichererbsen, Kartoffeln, Knoblauch und Zwiebeln, dazu etwas Schwein, Geflügel und Lämmer. Gern wird in Öl geschmort – auch die berühmten schwarzen Trüffel.

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Parc naturel régional du Verdon: 1800 km2 (Vergleich: Biosphärengebiet Schwäbische Alb: 853 km2) / Höhe: 477 (Stausee Lac de Sainte-Croix) bis 1930 m (Mourre de Chanier) 

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Printausgabe: Sphäre 3/2014, Seite 20-23

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