Münsingen-Magolsheim

Der böse Baldecker

Auf der Burg Baldeck im Seeburger Tal lebte einst ein Ritter, ein gar hartherziger und grausamer Herr, den die Bauern fürchteten und hassten. Seine Tochter aber war überaus schön und hatte dazuhin ein gütiges und engelreines Herz. Sie mühte sich, gutzumachen, was ihr Vater Böses getan und nahm sich voller Mitleid der Armen und Kranken an. Tag für Tag stieg sie hinunter in ihre Hütten, brachte den alten Leuten zu essen, putzte und kehrte ihre Kammern, wusch ihre Wäsche, kleidete arme und verwaiste Kinder mit dem Tuch ihrer eigenen Gewänder und tat Gutes, wo sie nur konnte. Aber alles musste sie vor ihrem bösen Vater verheimlichen.

Schließlich erfuhr jener doch von ihren Besuchen bei den armen Leuten im Dorf und ärgerte sich so sehr darüber, dass er ihr die härtesten Strafen androhte, wenn sie noch einmal gegen seinen Willen die Burg verlassen würde. Das Mädchen aber gedachte des Elends der armen Leute und warf nun jeden Tag heimlich Brot in den Burggraben hinab, wo es die Frauen und Kinder in der Dunkelheit des Abends abholen konnten. Einmal aber kehrte der Baldecker früher als erwartet von der Jagd zurück und kam gerade dazu, als seine Tochter das Brot für die Armen über die Mauer warf. Da ergrimmte er so sehr, dass er mit gezücktem Schwert auf das Mädchen losging. Jenes wich erschrocken zurück und sprang über die niedere Brüstung des Balkons in den Abgrund. Der Vater wollte es zurückhalten, griff aber ins Leere und stürzte ihm nach.

Als die Armen am Abend wieder das Brot holen wollten, fanden sie die beiden Leichen am Grunde der Schlucht. Beide wurden in der Kirche zu Magolsheim begraben. Der Ritter musste zur Sühne seiner Schuld jahrelang umgehen. An das Edelfräulein aber denken die Menschen noch heute in Dankbarkeit.

 

Aus: Der Schatz im Berg. Sagen aus den Kreisen Reutlingen und Tübingen (2007)

Zusammengestellt von: Steffen Dirschka, Stadtarchivar Münsingen

 

Die Kommentare sind geschlossen.