Trink? Wasser

Nitratbelastung in Gewässern: EU-Kommission verklagt Deutschland
 
27. Oktober 2016: Die EU-Kommission hat nun die im 28. April 2016 angekündigte Klage gegen die Bundesrepublik beim Europäischen Gerichtshof eingereicht.Deutschland wird verklagt wegen der anhaltenden Verunreinigung der deutschen Gewässer durch Nitrat. Trotz der weiter hohen Belastung hat Deutschland keine strengeren Gegenmaßnahmen ergriffen. Dazu ist das Land laut geltendem EU-Recht jedoch verpflichtet. Als Hauptursache gilt falscher Umgang mit Gülle und Kunstdünger in der Landwirtschaft. Die von der Bundesrepublik zuletzt im Jahr 2012 übermittelten Zahlen sowie mehrere Berichte deutscher Behörden aus jüngster Zeit zeigen eine wachsende Nitratverunreinigung des Grundwassers und der Oberflächengewässer, einschließlich der Ostsee.

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Nitrat ist für das Wachstum von Pflanzen von entscheidender Bedeutung und wird häufig als Düngemittel eingesetzt. Allerdings führen überhöhte Mengen zu starken Wasserverunreinigungen – mit entsprechenden Folgen für die menschliche Gesundheit, die Wirtschaft und die Umwelt. Eine zu hohe Nitratbelastung fördert in Süßwassergewässern und in der Meeresumwelt das Wachstum von Algen, die anderes Leben ersticken (Eutrophierung). Das verschlechtert die Wasserqualität enorm. Eine Nitratkonzentration von über 50 mg/l kann zudem erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung haben, insbesondere auf schwangere Frauen und Kleinkinder. Zudem verursacht die Entfernung von Nitraten aus dem Trinkwasser hohe Kosten.

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Die Nitratrichtlinie

Die Nitratrichtlinie, die die EU-Staaten im Jahr 1991 beschlossen haben, hat zum Ziel, die Wasserqualität in Europa zu verbessern, indem die Verunreinigung von Grund- und Oberflächenwasser durch Nitrat aus landwirtschaftlichen Quellen verhindert und der Einsatz beispielhafter landwirtschaftlicher Verfahren gefördert wird. Alle EU-Länder müssen ihre Gewässer überwachen und jene bestimmen, die durch Verschmutzung bedroht sind. Des Weiteren müssen sie Aktionsprogramme aufstellen, um Nitrat-Verunreinigungen zu verhindern und zu verringern. In Deutschland ist die Düngeverordnung der wesentliche Bestandteil des nationalen Aktionsprogramms zur Umsetzung der Richtlinie.

Der heutige Beschluss folgt auf eine sogenannte mit Gründen versehene Stellungnahme, die den deutschen Behörden im Juli 2014 übermittelt wurde. Darin wurde Deutschland aufgefordert, stärker gegen die Verunreinigung von Gewässern vorzugehen. Trotz der wachsenden Nitratbelastung hat Deutschland aber keine hinreichenden Zusatzmaßnahmen getroffen, um seine einschlägigen Rechtsvorschriften entsprechend der EU-Nitratrichtlinie zu überarbeiten. Da die Europäische Kommission der Auffassung ist, dass die Verunreinigung der Gewässer durch Nitrat auch im Rahmen der laufenden Überarbeitung des nationalen Aktionsprogramms nicht ausreichend angegangen wird, hat sie beschlossen, Deutschland vor dem Gerichtshof der EU zu verklagen.

Ablauf von Vertragsverletzungsverfahren

Die Europäische Kommission ist als „Hüterin der Verträge“ dazu verpflichtet, die Anwendung geltenden EU-Rechts in allen EU-Ländern zu überwachen. In Vertragsverletzungsverfahren können die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten Verstöße eines Mitgliedstaates gegen das EU-Recht geltend machen. Es besteht aus drei Stufen. Wenn die Kommission vermutet, dass europäisches Recht nicht fristgemäß, unvollständig oder überhaupt nicht in nationales Recht umgesetzt wurde, sendet sie im Vorverfahren zunächst ein Fristsetzungsschreiben/Mahnschreiben, in dem sie einen Mitgliedstaat auffordert, innerhalb einer bestimmten Frist zu einem aufgetretenen Problem der Anwendung des Unionsrechts Stellung zu nehmen. Die zweite Stufe ist die mit Gründen versehene Stellungnahme. Hier wird der Mitgliedstaat aufgefordert, den Verstoß innerhalb einer bestimmten Frist abzustellen. Kommt der Mitgliedstaat dem nicht nach, kann die Kommission ein gerichtliches Verfahren vor dem EuGH einleiten. Wenn der Gerichtshof eine Vertragsverletzung feststellt, kann er z.B. ein Zwangsgeld oder andere Strafzahlungen verhängen.

 

Nitrat im Grundwasser: Woher es stammt

Ein Liter Trinkwasser darf maximal 50 Milligramm Nitrat enthalten. Im Grundwasser ist die Nitratbelastung je nach Gegend sehr unterschiedlich.

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Das Umweltbundesamt (UBA) hat diese Nitratbelastung im Grundwasser abgeglichen mit der Nutzung des jeweiligen Wasser-Einzugsgebiets. Die Untersuchungen ergaben: Das Nitrat stammt hauptsächlich aus der Landwirtschaft, und zwar aus dem dort eingesetzten Stickstoffdünger.

In Waldgebieten ist das Grundwasser am wenigsten belastet: Weniger als vier Prozent der dortigen Messstellen zeigten eine Nitratkonzentrationen über 50 Milligramm. Bei Grünland, also Wiesen und Weiden, zeigten sieben Prozent der Messstellen Nitratwerte über dem Grenzwert. In Siedlungsflächen waren es 16 Prozent, in Ackerbaugebieten lag bei 24 Prozent der Messstellen die Nitratkonzentration über 50 Milligramm je Liter Wasser. (Quelle: Bundesamt für Kartographie und Geodäsie)

 

Nitrat in Baden-Württemberg

NABU fordert die gesellschaftliche Folgekosten nicht verschweigen

Es liege in der Natur landwirtschaftlicher Betriebe, dass sie stärker als Industriebetriebe von den sie umgebenden Umweltfaktoren abhängig sind. Dazu gehören zum Beispiel Boden, Wasser, Bestäuber und humusbildende Bodenlebewesen. Damit sind die wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten landwirtschaftlicher Betriebe von Faktoren abhängig, die zugleich Lebensgrundlage der gesamten Gesellschaft sind. „Die Nitratwerte im Grundwasser liegen bereits an rund zehn Prozent der Messstellen im Land über dem gesetzlichen Grenzwert, weitere 20 Prozent überschreiten den Warnwert. Die Einträge stammen in erster Linie aus der Landwirtschaft“, erläutert Goedecke, Referent Landwirtschaft beim NABU Baden-Württemberg. „Es darf nicht sein, dass Steuerzahlerinnen und Steuerzahler die Arbeit der Landwirtschaft auf dem Wege der Agrarförderung honorieren und anschließend zusätzlich für die Schäden in der Umwelt aufkommen müssen. Der NABU fordert deshalb eine grundlegende, auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Reform der Agrarförderung.“

 

„Die mittlere Nitratkonzentration im Grundwasser nimmt zu, aber auch ab“, formuliert der Jahresbericht 2015 zur Grundwasserüberwachung in Baden-Württemberg: mehr >>

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