Ehingen – Alb trifft Alpen
In Ehingen geht´s stets bergauf: Nach Norden ins Biosphärengebiet Schwäbische Alb, im Süden grüßen Oberschwabens Gipfel der Allgäuer Alpen.
Smaragdblau reflektiert der Theodul-Brunnen das grelle Mittagslicht (Foto oben). Geschäftsleute defilieren mit wichtiger Miene am Publikum des Cafés vorbei. Die Mehrzahl aber schlendert – ob mit Einkaufstüte bepackt oder mit Kinderwagen voraus. Auffällig oft treffen Radtouristen ein auf Ehingens weitem kopfsteingepflasterten Markplatz. Sie spähen orientierend umher: Wo verläuft der Donauradweg?
Der 2811 Kilometer lange Europafluss wird gesäumt vom beliebtesten internationalen Bike-Fernweg. Auf 1400 Kilometern führt er durch acht Länder. Hier grenzt er das Biosphärengebiet des Schwabengebirges nach Süden ab. Einige Dörfer der Ehinger Gemarkung zählen zum UNESCO Schutzgebiet (33,8 Prozent). Der Radaufstieg von hier über das Lautertal aufs Dach der Alb bei Münsingen gehört zu den attraktivsten Albüberquerungen.
Schief gewickelt: Wer glaubt, in diesen Zimmern geht´s bergab, der irrt. Mit Liebe und Verstand restaurierte denkmalgeschützte Häuser überraschen oft mit hohem Komfort. Bestes Beispiel (Foto unten): Das Heilig-Geist-Spital (1340), in dem heute das Stadtmuseum logiert.
Überhaupt scheint die Naturnähe das Leben in der verwinkelten Altstadt neu zu takten. Kaum Autos, viel Mensch. Ein bisschen wie Urlaub. Dieses Flair als weicher Standortfaktor kurbelt das Wirtschaftsleben an. Allen voran profitiert das Liebherr-Werk an Ehingens Stadtrand. Es zählt mit einem Weltmarktanteil von 50 Prozent zu den führenden Herstellern von Fahrzeugkränen. Etwa 30000 Liebherr-Mobilkräne sind weltweit im Einsatz. Die 35000 Mitarbeiter schätzen den Freizeitwert des Donaustädtchens und seiner vielfältigen Umgebung zwischen Alb und Alpen.
Dass dies Städtchen eine Perle sei am schönen Donaustrand, klang auch schon 1826 in der Oberamtsbeschreibung von Professor Memminger an. Besonders beeindruckte den Autor die Gastronomie: „Die Stadt zählt 24 Schildwirthschaften, 20 Brauereyen und ebenso viel Branntweinbrennereyen, 26 Becker und 19 Metzger.“
Die Zahl der Brauereien wuchs bis 1890 sogar auf 21 an. Das älteste Dokument, das einen Ehinger Bierbrauer namens Walter Wender erwähnt, trägt das Datum 1384. Diese Freude am Biergenuss und Kompetenz bei der Herstellung des Gerstensafts hat sich tief im Ehinger Kollektivbewusstsein verankert. Folge: Das Donaustädtchen profiliert sich heute mit dem Slogan „Bierkulturstadt“. Folgerichtig heißt dessen wandertouristisches Flaggschiff „Bierwanderweg“ – ein14 Kilometer langer Stadt-Land-Rundgang, der viele Angebote zu einem strahlenden Bier-Kultur-Mosaik verknüpft (mehr auf Seite 18). Der Großraum Ehingen aber macht auch Ausflügler ohne Affinität zu Deutschlands Lieblingsgetränk glücklich.
Beispiel Schloss Mochental: Gerade mal zehn Kilometer vom Marktplatz entfernt thront ein Prachtbau im Renaissance-Stil. Die Gastwirtin des Schlossstübchens dort oben sorgt für leibliches Wohl. Die geistige Nahrung steuert das Schloss-Museum bei. Die prächtigen Räumlichkeiten beleben wechselnde Kunstausstellungen. Drum herum: Natur pur des UNESCO-Biosphärenreservates Schwäbische Alb. Wolfstal, unteres Lautertal, Donautal – hier beginnen einige der schönsten Wanderrouten. Waren Sie schon mal in der „Kätheren Kuche“ bei Briel? In dieser Höhle haben noch vor 200 Jahren Menschen gelebt. Schlimm: Diese armen Schlucker mussten auch noch dafür bezahlen. Berühmt: Der älteste Baum der Schwäbischen Alb wächst nur drei Kilometer oberhalb Ehingens. Mit einem Umfang von 9,45 Metern genießt die über 500-jährige Ziegelhoflinde ihren Ruhestand.
Marktplatz: Auf dem stilvollen Platz befand sich bis 1877 der 1713 von österreichischen Stiftern errichtete Marienbrunnen. Nach 100 Jahren ohne Brunnen hatte Ehingen 1987 den Theodul-Brunnen eingeweiht mit Figuren des bäuerlichen und städtischen Lebens.
Ötzi-Baum: Karl V., der letzte mächtige Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, kämpfte gegen Luther. Just in jenem Augenblick vor einem halben Jahrtausend trieb auf der Alb bei Ehingen ein Baumsamen aus. Die Jahresringe summieren sich auf einen Umfang von 9,45 Metern.
PDF-Download: Print-Artikel runterladen
Printausgabe: Sphäre 3/2018, Seite 16-17; WEBcode 232171