Obst und Gemüse viel zu teuer

Obst und Gemüse von der Mehrwertsteuer befreien, fordern Gesundheitsorganisationen

Die Inflationsrate in Deutschland ist so hoch wie zuletzt vor 28 Jahren. Das merken VerbraucherInnen auch im Supermarkt und auf den Wochenmärkten insbesondere bei Obst und Gemüse. Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) waren die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Produkte im November 2021 um 20,8 Prozent höher als im November 2020. Dies ist die höchste Preissteigerung gegenüber einem Vorjahresmonat seit Juli 2011. Gegenüber Oktober 2021 stiegen die Preise um 4,1 Prozent. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, erhöhten sich gegenüber dem Vorjahresmonat vor allem die Preise für pflanzliche Erzeugnisse. Sie lagen im November 2021 um 29,4 Prozent höher als im November 2020.(1) Die gemeinnützige Gesundheitsorganisation diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und weitere an der Social-Awareness-Kampagne #SagEsLaut teilnehmenden Organisationen fordern eine Mehrwertsteuerbefreiung auf Obst und Gemüse, damit sich die 8,5 Millionen Menschen mit Diabetes und alle an Prävention von chronischen Erkrankungen Interessierte in Deutschland ihre gesunde Ernährung leisten können.

Für Menschen mit Diabetes, allen voran Menschen mit Typ-2-Diabetes, die gerade dabei sind, ihre Ernährung gesünder zu gestalten, ist der aktuelle Preisanstieg von Obst und Gemüse nicht förderlich. Insgesamt wird dieser Bevölkerungsgruppe empfohlen, mehr pflanzliche und weniger Produkte vom Tier zu essen. „Für Menschen mit Diabetes kann ein Plus an fleischfreien und pflanzlichen Lebensmitteln ein echter Bonus für die Gesundheit sein“, sagt Prof. Dr. Diana Rubin vom Vivantes Klinikum in Berlin, Vorsitzende des Ausschusses Ernährung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), und ergänzt: „Wir wissen mittlerweile, dass eine Ernährungsform, die reich an pflanzlichen Lebensmitteln ist, vor zahlreichen Krankheiten wie Typ-2-Diabetes, Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützt. Bei vielen Menschen mit Typ-2-Diabetes spielt vorhandenes Übergewicht eine zentrale Rolle. Werden zum Beispiel bewusst mehr Gemüse, Salat, Hülsenfrüchte oder Vollkornprodukte gegessen, nimmt man damit automatisch weniger Kalorien auf als beispielsweise im Vergleich zu verarbeitetem und fettreichem Fleisch. Sie sättigen auch deutlich besser als Fleisch und Wurst, die zudem das Risiko für erhöhte Blutdruck- und Blutfettspiegelwerte beinhalten. Für einen gemäßigten Blutzuckerverlauf bieten sich stärkeärmere Gemüse- und Obstsorten wie Tomaten, Gurken, Paprika, Zitrusfrüchte oder Beerenobst ideal an.“

Die hohe Preissteigerung bei Obst und Gemüse kann für Menschen mit Diabetes eine hohe Hürde sein. Andreas Wartha (57) aus Düsseldorf hat seit seiner Diagnose Typ 2 vor drei Jahren radikal seine Ernährung umgestellt, viel Obst und Gemüse in seine Mahlzeiten integriert und so 35 Kilogramm abgenommen. Dadurch kann er seine Erkrankung momentan ohne Medikamente managen. „Ich muss mir diese Ernährungsform aber auch leisten können. Mittlerweile fahre ich einmal pro Woche über die polnische Grenze, wenn ich meine Mutter am Stettiner Haff besuche, um mich dort kiloweise mit Obst und Gemüse einzudecken. Das macht mich wütend. Uns Menschen mit Typ-2-Diabetes werden hier unnötig Steine in den Weg gelegt. Ich bin ganz klar dafür, Obst und Gemüse komplett von der Mehrwertsteuer zu befreien.“ Andreas Wartha, der als Influencer auf Instagram (@der_diabetes_experte) mehrere Tausend Follower hat, beteiligt sich daher derzeit an der Social Media-Awareness-Kampagne #SagEsLaut auf YouTube, Facebook und Instagram, in der er auf die Bedürfnisse der Menschen mit Typ-2-Diabetes aufmerksam macht.

Seit 2017 fordert diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe zusammen mit der Deutschen Allianz für Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) die „gesunde Mehrwertsteuer“. Dabei sollen gesunde Lebensmittel wie Obst und Gemüse steuerfrei werden, normale Lebensmittel wie Nudeln, Milch oder Fleisch mit sieben Prozent und Produkte mit viel zugesetztem Zucker, Salz oder Fett wie Fertiggerichte, Chips oder Süßigkeiten mit 19 Prozent besteuert werden. Zusätzlich sollte der Steuersatz für die besonders gesundheitsschädlichen Softdrinks wie Cola oder Limo von 19 Prozent auf 29 Prozent erhöht werden. „Süßgetränke spielen eine ganz entscheidende Rolle bei der Entstehung von Typ-2-Diabetes und Adipositas. Daher ist es bedauerlich, dass die Ampel-Koalition im allerletzten Moment einen Rücktritt von ihrem Vorhaben zur Einführung einer Zuckersteuer gemacht hat“, kommentiert Nicole Mattig-Fabian, Geschäftsführerin von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe und ergänzt: „Wir kennen viele Menschen mit Diabetes wie Andreas Wartha, die sich derzeit eine gesunde Ernährung schlichtweg nicht leisten können. Obst und Gemüse dürfen keine Luxusgüter sein, die Mehrwertsteuer sollte dringend auf null Prozent gesenkt werden. Und die EU hat gerade mit der Änderung der EU-Mehrwertsteuer-Rahmenrichtlinie den Weg dafür frei gemacht, einen ermäßigten Steuersatz von unter fünf Prozent anzuwenden. Es kommt also auf den Willen der Ampelregierung an.“


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