Nationalpark Schwarzwald erwünscht

Positionsschreiben der Hochschullehrer und Wissenschaftler Baden-Württembergs zur Gründung des Nationalparks Nordschwarzwald; Hohenheim, den 06.06.2012

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Kretschmann,

sehr geehrter Herr Minister Bonde,

mit großem Interesse haben wir – Hochschullehrer und Wissenschaftler aus Baden-Württemberg und weiteren Bundesländern – über die Presse die Diskussion über einen möglichen Nationalpark Nordschwarzwald verfolgt. Da von dem Vorhaben auch die Hochschulen, Fachhochschulen und wissenschaftliche Einrichtungen des Landes Baden-Württemberg betroffen sein werden, möchten wir in diesem Schreiben kurz unsere Position darlegen.

Wir befinden uns momentan in einer Phase großer Umbrüche. Weltweit schwinden die natürlichen Ressourcen in nie gekanntem Ausmaß. In den letzten Jahrzehnten wurden in rasender Geschwindigkeit ganze Ökosysteme verändert oder zerstört. Täglich verschwinden große Gebiete tropischer Regenwälder und werden für den Anbau von Energie- und Nahrungspflanzen in monotones Ackerland umgewandelt. Zeitgleich erfolgt auch bei uns eine weitere Intensivierung der Land- und Forstwirtschaft mit neuen vollautomatischen Erntemaschinen, neuen Generationen von Pestiziden, Massenproduktion und einer generellen Sortenverarmung. Der Artenrückgang beschleunigt sich durch diese vielfältigen Veränderungen weiter und liegt schon heute 100 bis 1000 Mal höher als die natürliche Aussterberate.

In diesem Kontext sehen wir die Einrichtung eines Nationalparks in Baden-Württemberg, bei der eine Fläche von rund 10.000 ha im Nordschwarzwald unter besonderen Schutz gestellt werden soll, als sehr erstrebenswert an. Die Ausweisung eines Nationalparks ist eines der wichtigsten Instrumente, das dem Naturschutz im Kampf um den Erhalt der Artenvielfalt zur Verfügung steht. Bei einer fachlich durch die Forst- und Biowissenschaften begleiteten Umsetzung kann ein solcher Park zu einem echten Gewinn für die Region, die Natur sowie auch für die Forschung werden.

Nationalparks sind ausgezeichnete Freilandlaboratorien für die Wissenschaft, auf der natürliche Prozesse untersucht und Hypothesen in Langzeitexperimenten getestet werden können. Wie weltweit viele Ergebnisse in der Forschung zeigen, kommt neben den deterministischen, also vorhersagbaren Abläufen in Naturvorgängen, den stochastischen, zufallsbedingten Entwicklungen in der Natur eine sehr hohe Bedeutung zu. Diese wird von uns jedoch noch viel zu wenig verstanden. Gerade aber die unvorhersagbaren Anpassungen und Entwicklungen steuern und erhalten evolutive Prozesse in Ökosystemen. Insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel sind für uns als Wissenschaftler großflächige Gebiete, in denen sowohl deterministische als auch stochastische Prozesse weitgehend unbeeinflusst ablaufen können, von zentraler Bedeutung, um aus der natürlichen Dynamik lernen und gegebenenfalls Konsequenzen ziehen zu können.

 

Alte Wälder mit viel stehendem und liegenden Totholz, wie es ein Nationalpark Nordschwarzwald mittel- bis langfristig aufweisen würde, sind wahre Schatzkammern der Artenvielfalt und beherbergen zahllose hoch spezialisierte Tier-, Pilz- und Pflanzenarten. Ein Hauptziel im Hinblick auf künftige Generationen sollte es daher sein, zumindest einen Teil dieser Artenvielfalt auf kleiner Fläche wieder herzustellen. Dazu könnte ein Nationalpark Nordschwarzwald im Verbund mit weiteren Parks in anderen Bundesländern einen entscheidenden Beitrag im Sinne der Biodiversitäts-Strategie der Bundesrepublik Deutschland leisten.

Bei der Umsetzung ist allerdings auch von entscheidender Bedeutung, dass behutsam und im Einklang mit den örtlichen Gegebenheiten vorgegangen wird. Insbesondere sind die Belange besonders gefährdeter und schützenswerter Arten zu berücksichtigen. Das gilt z.B. für das Auerhuhn, für dessen Erhalt der vom Land Baden-Württemberg vorgesehene „Aktionsplan“ richtungsweisend bleiben muss. Wenn die dafür und für weitere seltene Arten des Schwarzwaldes erforderliche spezifische Ausrichtung der Parkgestaltung zum Tragen kommt und ebenso ökonomische Belange der einbezogenen Gemeinden berücksichtigt werden, dann ist die zügige Entwicklung eines Nationalparks unsererseits sehr zu begrüßen und für Mensch und Natur gleichermaßen Gewinn bringend. In diesem Sinne hoffen wir, dass sich die Region unter Berücksichtigung aller Interessen für die zukunftsweisende Einrichtung eines Nationalparks Nordschwarzwaldes entscheidet.

 

Die Unterstützer des Nationalparks Nordschwarzwald

  • Prof. Dr. Manfred Ayasse, Institut für experimentelle Ökologie, Fachbereich Biologie, Universität Ulm, Ulm
  • Prof. Dr. Franz Bairlein, Institut für Vogelforschung, Vogelwarte Helgoland, Wilhelmshaven
  • Prof. Dr. Peter H. Becker, Institut für Vogelforschung, Vogelwarte Helgoland, Wilhelmshaven
  • Prof. em. Dr. Hans-Heiner Bergmann, Ethologie und Didaktik der Biologie, Fachbereich Biologie/Chemie, Universität Osnabrück
  • Prof. em. Dr. Peter Berthold, Max-Planck-Institut für Ornithologie, Vogelwarte Radolfzell, Radolfzell
  • Prof. Dr. Oliver Betz, Institut für Evolution und Ökologie, Abteilung Evolutionsbiologie der Invertebraten, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen
  • Prof. Dr. Katrin Böhning-Gaese, LOEWE Biodiversität und Klima Forschungszentrum, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Frankfurt
  • Prof. Dr. Alexander Borst, Max-Planck-Institut für Neurobiologie, Martinsried
  • Prof. Dr. Roland Brandl, Allgemeine Ökologie und Tierökologie, Fachbereich Biologie, Philipps-Universität Marburg, Marburg
  • Prof. Dr. Renate Bürger-Arndt, Naturschutz und Landschaftspflege, Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie, Georg-August-Universität Göttingen, Göttingen
  • Prof. Dr. Jorge A. Encarnação, Säugetierökologie, Tierökologie und spezielle Zoologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießn
  • Prof. em. Dr. Wolf Engels, Baden-Württembergisches Brasilien-Zentrum, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen
  • Prof. Dr. Nina Farwig, Conservation Ecology, Fachbereich Biologie, Philipps-Universität Marburg, Marburg
  • PD Dr. Joanna Fietz, Verhaltensphysiologie landwirtschaftlicher Nutztiere, Universität Hohenheim, Stuttgart
  • Prof. Dr. Katharina Foerster, Lehrstuhl für Vergleichende Zoologie, Institut für Ökologie und Evolution, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen
  • Prof. Dr. Susanne Foitzik, Evolutionsbiologie, Institut für Zoologie, Johannes Gutenberg Universität Mainz, Mainz
  • Dr. Ronald Fricke, Kurator für Ichthyologie, Staatliches Museum für Naturkunde, Stuttgart
  • PD Prof. Dr. Eberhard Frey, Geowissenschaften, Staatliches Museum für Naturkunde und Zoologisches Institut, Karlsruher Institut für Technologie, Karlsruhe
  • Prof. Dr. Jörg U. Ganzhorn, Ökologie, Zoologisches Institut, Universität Hamburg
  • Apl. Prof. Dr. Sven Gemballa, Institut für Ökologie und Evolution, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen
  • Prof. Dr. Gerhard Heldmaier, Tierphysiologie, Ökologie, Philipps-Universität Marburg, Marburg
  • Dr. Hubert Höfer, Abteilungsleiter Biowissenschaften, Staatliches Museum für Naturkunde, Karlsruhe
  • Dr. Adam Hölzer, Abteilungsleiter Botanik, Staatliches Museum für Naturkunde, Karlsruhe
  • Prof. Dr. Marcus A. Koch, Biodiversität und Pflanzensytematik, Fakultät für Biowissenschaften, Universität Heidelberg, Heidelberg
  • Prof. Dr. Heinz-R. Köhler, Abteilung Physiologische Ökologie de Tiere, Institut für Ökologie und Evolution, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen
  • Prof. Dr. Tilman Lamparter, Karlsruhe Institute of Technology KIT, Karlsruhe
  • Prof. em. Dr. K. Eduard Linsenmair, Lehrstuhl für Tierökologie und Tropenbiologie, Theodor-Boveri-Institut für Biowissenschaften, Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Würzburg
  • Prof. Dr. Rainer Luick, Natur- und Umweltschutz, Hochschule für Forstwirtschaft Rottenburg, Rottenburg
  • Prof. em. Dr. Wolfgang Maier, ehem. Zoologisches Institut, Institut für Ökologie und Evolution, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen 
  • Prof. em. Dr. Jochen Martens, Systematische Zoologie, Johannes Gutenberg Universität Mainz, Mainz
  • Prof. Dr. Nico Michiels, Evolutionsökologie der Tiere, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen
  • Prof. em. Dr. Franz Oberwinkler, ehem. Organismische Botanik, Institut für Ökologie und Evolution, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen
  • Prof. em. Dr. Josef H. Reichholf, Zoologisches Staatssammlung, Technische Universität München, München
  • Prof. Dr. Konrad Reidl, Vegetationskunde, Naturschutz, Stadtökologie, Naturerfahrung, Naturerleben, Institut für angewandte Forschung, Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, Nürtingen
  • Prof. Dr. Dierk Reiff, Neurobiologie – Tierphysiologie, Institut für Biologe I (Zoologie), Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg
  • Prof. Dr. Gunter M. Rothe, AG Rothe, Institut für allgemeine Botanik, Johannes Gutenberg Universität Mainz, Mainz
  • PD Dr. Hans Martin Schaefer, Evolutionsbiologie und Ökologie, Institut für Biologie I (Zoologie), Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg
  • Prof. Dr. Stefan Scheu, Abteilung Tierökologie, Johannes-Friedrich-Blumenbach Institut für Zoologie und Anthropologie, Georg-August-Universität Göttingen, Göttingen
  • PD Dr. Ralph O. Schill, Abteilung Zoologie, Biologisches Institut, Universität Stuttgart, Stuttgart
  • PD Dr. Jutta Schmid, Institut für experimentelle Ökologie, Fachbereich Biologie, Universität Ulm
  • Prof. em. Dr. Hans-Ulrich Schnitzler, Lehrstuhl für Tierphysiologie, Institut für        Neurophysiologie, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen
  • PD Dr. Gernot Segelbacher, Arbeitsbereich Wildtierökologie und Wildtiermanagement, Forstzoologisches Institut, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg
  • PD Dr. Björn M. Siemers, Max-Planck-Institut für Ornithologie, Seewiesen 
  • Prof. Dr. Simone Sommer, Evolutionsgenetik, Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung, Berlin
  • Prof. Dr. Volker Stefanski, Verhaltensphysiologie landwirtschaftlicher Nutztiere, Universität Hohenheim, Stuttgart
  • Prof. Dr. Johannes Steidle, Fachgruppe Tierökologie, Institut für Zoologie, Universität Hohenheim, Stuttgart
  • Prof. Dr. Ilse Storch, Arbeitsbereich Wildtierökologie und Wildtiermanagement, Forstzoologisches Institut, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg
  • Prof. Dr. Katja Tielbörger, Lehrstuhl für Ökologie der Pflanzen und Abteilung Vegetationsökologie, Institut für Ökologie und Evolution, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen
  • Prof. Dr. Jürgen Tomiuk, Abteilung Allgemeine Humangenetik, Fakultät für Medizin, Eberhard Karls Universität Tübingen, Tübingen 
  • Dr. Robert Trusch, Kurator für Lepidoptera, Staatliches Museum für Naturkunde, Karlsruhe
  • Dr. Erich Weber, Zoologische Sammlung (Kurator), Institut für Evolution und Ökologie Universität Tübingen, Tübingen
  • PD Dr. Ulrike Weiler, Verhaltensphysiologie landwirtschaftlicher Nutztiere, Universität Hohenheim, Stuttgart
  • Prof. Dr. Michael Wink, Institut für Pharmazie und molekulare Biotechnologie, Fakultät für Biowissenschaften, Universität Heidelberg, Heidelberg
  • Prof. Dr. Harald Wolf, Institut für Neurobiologie, Fachbereich Biologie, Universität Ulm, Ulm
  • Prof. Dr. Volkmar Wolters, Tierökologie, Justus-Liebig-Universität Gießen, Gießen
  • Dr. Friederike Woog, Kuratorin für Ornithologie, Staatliches Museum für Naturkunde, Stuttgart
  • Prof. Dr. Birgit Ziegenhagen, Naturschutzbiologie, Fachbereich Biologie, Philipps-Universität Marburg, Marburg
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