Luchs und Wolf auf der Alb

Baden-Württemberg bereitet sich auf die Rückkehr von Luchs und Wolf vor

Die Großraubtiere Luchs und Wolf breiten sich mehr und mehr in Mitteleuropa aus. Luchs und Wolf unterscheiden sich jedoch in ihrem Ausbreitungsverhalten: „Die natürliche Zuwanderung einzelner Wölfe nach Baden-Württemberg ist jederzeit möglich, langfristig ist sogar eine Rudelbildung denkbar“, wie Micha Herdtfelder von der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) erläutert. Hinweise auf die sporadische Anwesenheit einzelner Luchse gibt es hingegen schon seit vielen Jahren im Land, die Etablierung einer Luchspopulation wäre jedoch laut Herdtfelder nur möglich, wenn diese aktiv angesiedelt würden. Hierfür gibt es derzeit allerdings keinen politischen Konsens.

 

Obwohl der erste sichere Nachweis eines Wolfes im Land noch aussteht und bislang nur selten ein Luchs auftaucht, setzt sich das Land gemeinsam mit Verbänden aus Jagd und Naturschutz dafür ein, über die Tiere aufzuklären und im Dialog mit der Landwirtschaft schon im Vorfeld mögliche Konflikte zu entschärfen.

Eine Gefahr für Waldbesucherinnen und Waldbesucher bestehe jedoch keinesfalls, wenn die Tiere zurückkehren. „Luchse und Wölfe sind bereits in der Schweiz, in den Vogesen, in Sachsen, Bayern und Rheinland-Pfalz sicher nachgewiesen worden und leben dort teilweise schon als kleine Populationen, ohne dass es in diesen Regionen bislang zu gefährlichen Situationen mit Menschen kam“, erklärt der Wildbiologe, der an der FVA für die Überprüfung von Luchs- und Wolfhinweisen zuständig ist. Dies entspräche der natürlichen Zurückhaltung dieser Tiere gegenüber dem Menschen, der sie einst verfolgt und ausgerottet hat. “Dennoch sind es Wildtiere, denen man mit Respekt begegnen muss”, so Herdtfelder. Lebensraum finden die anpassungsfähigen Tiere auch in Baden-Württemberg, beispielsweise im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb. Herausforderungen durch die Rückkehr von Luchsen und Wölfen sind dort für die Nutztierhaltung zu erwarten: Ungeschützte Schafe oder Gehegetiere werden insbesondere von Wölfen gerne als leichte Beute angenommen. Ein effektiver Herdenschutz kostet Zeit und Geld – und erfordert Erfahrung.

 

Die Verbände aus Jagd, Landwirtschaft und Naturschutz arbeiten seit Jahren in der Arbeitsgruppe Luchs zusammen, welche im Jahr 2004 durch das Ministerium für Ländlicher Raum und Verbraucherschutz initiiert wurde. Aus der Arbeitsgruppe heraus ist ein zukunftsweisendes Projekt entstanden: Die FVA und die Universität Freiburg haben unter Beteiligung der Verbände das „Transfer- und Kommunikationsprojekt zum Umgang mit Großraubtieren in Baden-Württemberg“ ins Leben gerufen. Das Projekt wird vom Land finanziert. Ein erklärtes Ziel ist die Information der Bevölkerung über wissenschaftliche Erkenntnisse zu Luchs und Wolf. Des Weiteren geht es um den Aufbau von Strukturen, welche das Miteinander von Jagd, Landwirtschaft, Naturschutz und Verwaltung im Umgang mit Großraubtieren erleichtern. So bereiten beispielsweise die Projektpartner Naturschutzbund Deutschland (NABU) und der Landesschafzuchtverband derzeit gemeinsam mit dem Ziegenhalterverband und dem Gehegehalterverband die Übertragung von Schutzkonzepten aus anderen Wolfsregionen auf Baden-Württemberg vor. „Es ist im ureigensten Interesse des Naturschutzes, dass die Schäferei und die Ziegenhaltung in Baden-Württemberg gefördert werden. Ohne eine Beweidung können Magerrasen, Heiden und Hutewälder nicht erhalten werden. Deshalb dürfen wir die Tierhalterinnen und Tierhalter nicht mit Wolf und Luchs alleine lassen, Herdenschutz und Rissausgleich müssen tragfähig organisiert werden“, sagt Andre Baumann, NABU Baden-Württemberg. Neben der Nutztierhaltung beschäftigt sich auch die Jägerschaft mit der Rückkehr der Tiere: Der Landesjagdverband informiert gemeinsam mit der FVA seine Mitglieder über die Biologie und Lebensweise der zurückkehrenden Arten. Er informiert auch darüber, dass sich die Bejagung von Rehen, Wildschweinen und Hirschen durch die Rückkehr von Luchs und Wolf zwar verändern könnte, die Wildbestände dieser heimischen Tierarten jedoch durch die Großraubtiere nicht gefährdet werden.

Dass der Dialog über die anstehenden Herausforderungen zwischen den Pro- und Contra-Parteien noch mehr bedarf, betont Projektleiter Micha Herdtfelder von der FVA: „Häufig gibt es auf der regionalen Ebene kaum einen Dialog zwischen den unterschiedlichen Interessengruppen – teilweise schwelen alte Konflikte und es fehlt an der Bereitschaft, sich in die Sichtweise der anderen Gruppe hineinzuversetzen“. Ein nicht zu unterschätzendes Problem, welches in dem Projekt intensiv berücksichtigt wird. „Erst wenn es gelingt, dass alle Betroffenen die Interessen der jeweils anderen Seite anerkennen, entsteht die Bereitschaft, gemeinsam nach Lösungen zu suchen“, erklärt Herdtfelder. Diese Arbeit erfordere Fingerspitzengefühl und sei zeitintensiv. Das Projekt konzentriert sich aus diesem Grund auf vier Schwerpunktregionen im Land. Eine davon ist das Biosphärengebiet Schwäbische Alb. In dieser Region werden in den kommenden Monaten zunächst die einzelnen Interessengruppen über die Rückkehr der Arten sowie das Projekt informiert. Bei diesen Veranstaltungen erfahren die Projektbearbeiterinnen und Projektbearbeiter ihrerseits von den Teilnehmenden, welche Befürchtungen und Erwartungen die einzelnen Gruppen mit der Rückkehr von Luchs und Wolf verbinden. „Im Anschluss daran werden wir Vertreterinnen und Vertreter aus den einzelnen Interessengruppen einladen, gemeinsam an einen Tisch zu sitzen, um zunächst die unterschiedlichen Sichtweisen auszutauschen und dann gemeinsam nach konkreten Lösungen zu suchen, wie zum Beispiel auf der Schwäbischen Alb langfristig ein Miteinander von zurückkehrenden Beutegreifern und Menschen gelingen kann“, so Herdtfelder. Die Aufgabe der FVA sieht der Projektleiter darin, die wildbiologischen Sachinformationen beizusteuern und die Rahmenbedingungen für eine konstruktive Gesprächsführung sicher zu stellen. „Welcher Weg für die Region der beste ist, können wir nicht vorgeben – das müssen die betroffenen Verbände vor Ort gemeinsam erarbeiten”. Neben nachhaltigen Lösungen erhoffen sich die Projektpartner von diesem Vorgehen zudem einen Vertrauensaufbau auf der regionalen Ebene. Dazu Herdtfelder: „Im Idealfall kann das auch über das Thema „Großraubtiere“ hinaus positive Effekte für die Region haben“. Die betroffenen Verbände laden zu den geplanten Veranstaltungen ein.

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