Mensch – das Leben

Festen Boden unter den Füßen spürt Markus Mayer aus Bad Urach-Wittlingen täglich bei der Arbeit (Foto). Seine Hände greifen nach den Wurzeln und nicht nach den Sternen. Er gehört zu jenen Bauern auf der Alb, die Regionalität ehrlich leben. Er verkauft seine Fleisch-Produkte im Hofladen und auf den Wochenmärkten der Kleinstädte im Tal. Solchen Menschen, wie auch der Alb-Natur selbst, sind Spekulationsblasen gänzlich fremd. Es erntet nur, wer beizeiten sät. Die Finanzkrise bestätigt, dass dieses Überlebensprinzip immer Bestand hat.

Wir haben es geschafft: Markus Mayer und seine Frau Maria halten ihre Schweine auf Stroh, betreiben einen von Ausflüglern gut besuchten Hofladen, steuern mit ihrem mobilen Verkaufslaster die Wochenmärkte der Albtäler an und haben das eigene Dach überm Kopf, das zudem viel Energie von der Sonne liefert. (Foto: Sonnenhof Wittlingen- Bad Urach)

Denn: Wer der Mutter Erde mehr nimmt, als sie gibt, steht nach gerade mal einem halben Jahrhundert mit dem Rücken zur Wand. Globalisierung, Energiewende, Währungsunion – nur zehn Jahre lang konnte der Euro als stabiler Wert für harte Händearbeit bestehen. Heute herrscht Angst: Kann ich meine Schulden fürs Häusle zahlen, wie sicher ist der Arbeitsplatz? Was ist mein Erspartes als Rente am Lebens­abend noch wert? Hier ist verlassen, wer sich auf andere verlässt. Ausweg: Rückbesinnung auf die eigenen Kräfte. Da wiederum liegt das typische Albleben krisensicher im Trend. Ein eigenes Dach überm Kopf gehört in den Albdörfern zum Grundwohlstand. Dies macht unabhängig von Mietwucher wie er in Städten grassiert, ausgelöst durch die Gier der Spekulanten.

Hatte noch in den 60er-Jahren fast jeder seine fünf Kühe im Haus, die Miste davor und dahinter im Garten Gemüse, Kartoffeln und Kräuter, so mischt sich heute zunehmend städtische Luxusästhetik ins Dorf­idyll. Festungen aus blickdichten, asiatischen Thujahecken ersetzen heimische Sträucher, die Insekten und Vögeln Platz zum Leben bieten könnten. Toter Rasen grünt auf englisch korrektes Golfplatzniveau gestutzt. Trotzdem – die Krautgartenkultur ist noch nicht verschwunden – sie ruht in einer Art Winter- oder besser Wohlstandsschlaf. Denn Oma und Opa schleppen immer noch die Gießkanne zu den Salatköpfen hinterm Haus, oder zum dorfeigenen Krautgarten­areal.

Kopftuch und Kittelschurz, staubige Cordhüte und Arbeitshose sind hier immer noch Ausdruck eines von großer Antriebskraft strotzender Lebensintelligenz. In Krisenzeiten ließe sich diese schnell reanimieren. Die Zeit dafür scheint reif. Korruption, Großbauprojektskandal, Banken-Betrug, Lebensmittelpanscher, Schlamperei in Altersheimen, Organhändler in Krankenhäusern nähren den Wunsch nach mehr Menschlichkeit. Und wo hoffen sie diese zu finden? Auf dem Land, auf der Schwäbischen Alb, wo die knorrige Faust lieber in die Erde greift, als mit Superlativen zu prahlen und vom großen Tun nur zu reden.

Die Alb beherbergt viele dieser autarken Macher. Noch hängen sie nicht entmündigt im sozialen Netz, in dem von Wahlperiode zu Wahlperiode nach parteipolitischem Gusto über die Lebenswerte entschieden wird. Kindertagesstätten nein, morgen ja, Turbo-Abi nein, morgen ja – und was wird aus der Rente? Albfamilien kennen diese Sorgen auch. Aber – nicht nur bei der Kartoffelernte stehen Söhne, Töchter und Enkel auf dem Roderer zusammengeschweißt als Team, sondern auch beim Älterwerden sorgt dieser effektive Sozialverband und deren familieninterner Generationenvertrag für ein sorgenfreieres, erfülltes Albleben.

Eigenständigkeit auf der Alb: Schwäbische Alb ist chic, so wünschen es sich heute schrille Marketing-Strategen. Lifestyle – nein danke. Die Alb ist auch ohne hippe Slogans schön.

Leben von der Alb: Wer selbst sät, weiß, was er erntet. Dies ist heute der einzige Garant für gesunde Nahrung. Pferdefleisch, Bio­eier-Schwindel und Futterskandal sollten eigentlich endlich wach rütteln.

Älter werden mit der Alb: Holz hacken, Unkraut jäten – das hält fit. Falls die Gesundheit doch nicht mehr will, gibt´s ja noch die Familie.

 

Printausgabe: Sphäre 1/2013, Seite 14

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