Eifer mit Feuer

Tradition & Handwerk: Unser täglich Brot ist mehr Muße als Muss

Im Jahre 1808 zwang eine Verordnung der Alb die Backhäuser auf. Heute schätzen die Menschen das Brot aus dem großen Holzbackofen.

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Heiße Luft schlägt ins Gesicht. Die Ofenwandung scheint zu glühen. Jetzt wird´s staubig. Mit einem langen Schieber, der sogenannten „Kruck“, versenkt Johanna Hirning die Asche der „Büscheles“ im Schacht am Ofenloch. Es ist 7.00 Uhr in Schopfloch. Die Frauen des Liederkranzes der kleinen Teilgemeinde Lenningens hoch auf dem Albtrauf heizen dem Gemeindebackhaus kräftig ein.

Würziger Dampf zieht über den Kamin der Bürgerbackstube im kleinen Rathaus in den stahlblauen Albhimmel. Drinnen ist es heiß. Alles geht Schlag auf Schlag, sonst stimmt die Temperatur im Ofen nicht. Das Thermometer dient nur als Richtlinie. Lieber verlassen sich die Bäckerinnen auf ihr Gefühl. Im Schlund des Ofens verschwinden sieben bis acht „Büscheles“ oder „Krähle“, wie die Schopflocher sagen. Dieses staubtrockene Kleingeäst, das die Frauen zu handlichen Gebinden geschnürt haben, sorgt für schnelle und korrekte Backtemperatur.

Dann heißt es warten, bis die Glut stirbt. Sie soll recht aschig sein, erläutert Inge Wörner, die ihr Brot nur im Backhaus bäckt. Wie sie tun es viele Frauen, vor allem die Älteren. In der Biosphäre gibt es mehr Backhäuser als Rathäuser, was den Stellenwert dieser verrußten vier Wände in den Albgemeinden unterstreicht. Denn: Hier werden die Ortsthemen ebenso heftig diskutiert wie in den Ratsstuben. Je größer die Städte, desto weniger Backhäuschen – und um so weniger Interesse am Gemeinwesen? Tradition und Gemeinschaft stehen wohl in direktem Zusammenhang mit der Menge des Brotteigs.

Denn so wie Politik eine hitzige Sache ist, fordert auch das Holzofenbrot von den Frauen eine Menge Schweiß. Büschele machen, anheizen, das zu weißer Asche verglühte Holz mit dem Schieber in den Ascheschacht kratzen. Anschließend die bis zu zwei Quadratmeter große Backfläche mit einem Besen auskehren. Niemand möchte beim Vesper auf Kohlestücke beißen. Dann kommt der „Hudelwisch“ – ein triefend nasser Lappen, den Johanna Hirning geschickt mit einem langen Holzstil über die Schamottsteine tanzen lässt. Es zischt. Einerseits will sie so den Ofen säubern, andererseits reguliert sie mit dem Lappen die Hitze. Immer wieder legt sie ein Zeitungsblatt auf die Schamottsteine. „Das Papier darf nicht anbrennen, es sollte sich nur bräunlich verfärben“, erklärt die leidenschaftliche Bäckerin. Bei rund 250 Grad Celsius verschließen sich die Poren des Teiges rasch, es gibt eine knusprige Kruste. So bleibt das Brot innen schön saftig.

In der Zwischenzeit war Rita Schmid in der Pfarrhausgarage nicht untätig. Mit einer großen Teigmaschine knetete sie den Brotteig. „Je Kilo Mehl gibt es einen Laib Brot mit etwa 1,5 Kilo“, erläutert sie. 33 Kilo Mehl Type 812, sieben Würfel Hefe, Salz und warmes Wasser. So einfach lautet das Rezept für einen Schubkarren voll leckerem Holzofenbrot. In großen Wannen chauffieren die Frauen den wabbeligen Teig mit ihren Leiterwägelchen ins Backhaus.

Nun wird erneut in die Hände gespuckt: Das Brot wird eingeschossen. In die Einlaibform, eine kleine Alu-Schüssel mit sehr langem Stiel, füllt Inge Wörner  den Brotteig (kleines Bild rechts), Johanna Hirning setzt damit Laib um Laib in den heißen Backofen (kleines Bild links). Nach dem 33. Teigklumpen ist der Backofen voll. Diese Arbeit muss zügig vorangehen, denn je länger das Ofentürchen offen ist, desto mehr Hitze geht verloren. „Und nachheizen geht nicht“, schmunzelt die erfahrene Bäckerin.

Wieder heißt es warten. Je nach Tradition der Gemeinde bäckt das Brot unterschiedlich lang. Eineinviertel Stunden sind’s in Schopfloch. Dann ba­lanciert Inge Wörner jeden Laib mit einer langen Backschaufel aus dem Ofen. Johanna Hirning bestreicht die Laiber mit kaltem Wasser. Dadurch bekommen die Brote einen schönen Glanz. Noch mal kurz in den Ofen, dann ist das Backwerk vollendet.

Gebacken wird schon seit Menschengedenken, auf der Alb jedoch nicht in den Gemeindeback­häusern. Diese gibt es noch gar nicht so lange. Eine Württembergische Verordnung vom 13. April 1808 besagt: „Da die Backöfen in den Häusern gefährlich sind, sollen Communbacköfen errichtet werden.“ Der König hatte das Backen am heimischen Herd  verboten, nachdem zu viele Häuser abgebrannt waren. Solche Einrichtungen hat das Oberhaupt auch vorangetrieben, um den Raubbau in den Wäldern einzudämmen. Backhäuser optimieren den Wirkungsgrad und schonen den begehrten Rohstoff Holz – eine Art frühzeitlicher Klimaschutz? Es dauerte fast 90 Jahre, bis sich die Backhäuser in den schwäbischen Dörfern durchgesetzt hatten.

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Printausgabe: Sphäre 2/2007, Seite 4-5

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