Der schwarze Pudel
Im Wasserstock draußen, zwischen Granheim und Gundelfingen spukt es schon seit alten Zeiten her. Es steht dort ein Feldkreuz und an diesem vorbei zu sein ist jeder recht herzlich froh. Als einst zwei Geschwister von einer Hochzeitsschenk in Gundelfingen nach Hause gingen und zum Kreuze kamen, da saß ein schwarzer Pudelhund unter dem Kreuze. Er stierte mit seinen feurigen Augen die Heimkehrenden fürchterlich an, that Ihnen jedoch nichts. Sein Rachen war auch ganz feurig. Der Bruder, der etwas im Kopfe hatte, wollte mit Steinen nach ihm werfen, dies wäre bös abgelaufen. Zuweilen lässt er sich nicht sehen, dagegen müssen ihn dann die Leute tragen, bis auf Luken herein, wo man die Kirche sieht. Dann weicht er. Aber unter seiner Last schwitzen die Leute, dass sie es kaum aushalten können.
Aus: Aus Schwaben. Sagen, Legenden, Aberglauben, Sitten, Rechtsbräuche, Ortsneckereien, Lieder, Kinderreime. Anton Birlinger (1874)
Zusammengestellt von: Steffen Dirschka, Stadtarchivar Münsingen
Die feindlichen Brüder von Gundelfingen
Auf der Burg Hohengundelfingen im Lautertal lebte vor vielen Jahren ein Ritter, der hatte zwei Söhne, Eberhard und Konrad. Eberhard war der jüngere und das Ebenbild des Vaters: rauh, habgierig und jähzornig. Deshalb schätzte ihn jener auch und übertrug ihm sogar das Recht der Erstgeburt. Eberhard wurde damit der Erbe der Stammburg. Seinem Sohn Konrad baute der Vater eine Burg auf einem Hügel im Tal und nannte sie Niedergundelfingen.
Der Bau erforderte hohe Kosten und dies ärgerte Eberhard, der seinem Bruder den Besitz neidete. Als die Burg vollendet war, lud man zu einem großen Fest. Eberhard aber blieb verbittert zu Hause. Wie nun der Vater spät in der Nacht von dem Gelage heimkam, machte der Sohn ihm heftige Vorwürfe. Ein böses Wort gab das andere und schließlich schlugen die beiden mit den Waffen aufeinander ein. Der Vater, müde vom Wein, konnte sich der wütenden Angriffe Eberhards nicht lange erwehren. Der indessen zögerte nicht, ihm den Todesstoß zu versetzen und warf den Leichnam über die Mauern der Burg Hohengundelfingen hinunter ins Tal. Dort fand Konrad anderntags seinen toten Vater und schwor dem Mörder blutige Rache. Von nun an glühte ein unversöhnlicher Hass in den Herzen der beiden Brüder.
Eines Tages verirrte sich Konrad auf der Jagd in der Wald- und Felsenwildnis jener Gegend. Als er endlich aus dem Dickicht herausfand, stand er vor einer kleinen Hütte. Er trat näher und bemerkte im Garten bei den Blumen ein Mädchen, das war so schön, wie er noch keines gesehen hatte. Es lebte in jener Einsamkeit mit seiner Mutter, einer Witwe. Der Ritter wurde freundlich aufgenommen und bewirtet und er fühlte sich wohl in der bescheidenen Hütte. Immer wieder aber musste er dem Mädchen bei seinen Hantierungen zuschauen, denn alles, was es tat, war voll Anmut und Liebreiz. Bald ritt er fast täglich hinüber zu der Waldhütte, um das Mädchen zu sehen und mit ihm sprechen zu können und seine Liebe zu dem schönen Bauernkind wurde so stark, dass er beschloss, es zu seiner Burgherrin zu machen. Die Mutter segnete das Paar und man bestimmte den Tag der Hochzeit, die mit großem Glanz gefeiert werden sollte.
Eberhard hatte jeden Schritt seines Bruders durch Späher überwachen lassen und wusste, was ihn nach jenem Waldtal trieb. Auch er erfuhr von dem geplanten Hochzeitsfest und er beschloss in seinem bösen Herzen, die Braut zu entführen. In einer stürmischen Herbstnacht erschien er mit einem Haufen bewaffneter Knechte vor der Waldhütte, riss das Mädchen mit Gewalt von der Seite seiner Mutter und wollte es nach Hohengundelfingen bringen. Konrad aber hatte Kunde von der Untat seines Bruders erhalten und versuchte, mit einer Schar Reisiger den Räubern den Weg abzuschneiden. Im stockfinsteren Wald kam es zu einem erbitterten Kampf, in dem die schöne junge Braut durch einen Pfeilschuss getötet wurde. Konrad irrte die ganze Nacht durch das Gehölz, sie suchend und nach ihr rufend. Aber erst in der Morgendämmerung fanden seine Knechte die blutige Leiche des Mädchens. Bei ihrem Anblick wurde Konrad schier ohnmächtig vor Zorn und Trauer. Plötzlich ertönte über ihm ein teuflisches Höhngelächter. Er blickte auf und sah droben auf der Mauer von Hohengundelfingen seinen Bruder stehen, der sich an seinem Schmerz weidete. Da griff Konrad nach Pfeil und Bogen und legte auf den Mörder an. Im gleichen Augenblick schoss auch Eberhard seinen Pfeil ab – und beide trafen tödlich.
Von den Burgen Hohen- und Niedergundelfingen blieben nur Ruinen. Die Geister der beiden unseligen Brüder aber sollen heute noch, wie die Sage erzählt, zwischen den alten Mauern umherirren, über den Tod hinaus erfüllt von glühendem Hass.
Aus: Der Schatz im Berg. Sagen aus den Kreisen Reutlingen und Tübingen (2007)
Zusammengestellt von: Steffen Dirschka, Stadtarchivar Münsingen
WEBcode 233171