Steinzeit-Mensch

REPORT: Steinbrüche halten die Wirtschaft massiv in Schwung

Tonnenschwer grüßt die Steinzeit der Alb hinunter ins holländische Flachland. Der Zaininger Steinbruch liefert exklusiv geschottertes Albgold für den Wegebau.

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Er ist ein Mann, der lebt im Gestern, aber gleichzeitig in der Zukunft. Er leitet ein Unternehmen, das nimmt, was die Schwäbische Alb ihm gibt. Er sprengt Kalkblöcke aus dem Gebirge, wo sich vor über 200 Millionen Jahren die Überreste von Urmuscheln und Korallen Schicht auf Schicht türmten.

Dieter Rösch betreibt zwei Steinbrüche. Einer bei Merklingen, der andere bei Römerstein-Zainingen (Fotos). Der Feldstetter schreddert den Boden des Jurameeres zu Schotter, Kies und Sand. Er verwandelt das Gestein des Gestern zum Rohstoff für Morgen. So wie das sauerstoffreiche Blut eines Sportlers zwar unsichtbar ist, aber dennoch dessen Leistung befördert, durchzieht tonnenweise Erdgestein die Lebensader der Hochleistungsindustrie der Schwaben. Fundamente, Mauern, Beton, Zement, Autobahnen, Bahngleisstrassen: Jeder Mensch verbraucht 8000 Tonnen Urgestein, sobald er Schulen, Kindergärten, sein Auto – ja sogar Zahnpasta benutzt.

„Er mache aus Steinen Geld“, tuscheln die Neider, er muss „ein Allroundtalent“ sein, loben die Anderen, die genau wissen, dass bald jedes Mitglied des „Industrieverbands Steine Erden“ (kurz ISTE), das bis heute den harten Konkurrenzkampf überlebte, auf schwäbisch gesagt „ein Käpsele“ sein muss.

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26 Betriebe sprengen, baggern, transportieren mit Megalastern den Albstein in ihre Steinmühle. Doch nur Röschs Biosphärensteinbruch Zainingen liefert exklusiv bis Holland. Warum? Die Geschichte lehrt: Steinbrüche enstanden dort, wo Bedarf ist. Lange Wege kosten viel Geld. Deshalb besaß noch vor 100 Jahren bald jede Gemeinde ihren eigenen Bruch. Neben jeder Erhebung einer stolzen Burg klafft auch ein Graben oder Loch zur Gewinnung des Mauersteins. „Es ist wegen der Farbe“, schmunzelt der 55-jährige Dieter Rösch, der mit seinem Vetter Berthold seit 1999 den 1937 gegründeten Betrieb der Eltern übernahm. „Dieses helle Gelb haben nur wir“ und dieses einmalige Gelb soll alle künftigen wassergebundenen Radwege dieses sandigen Flachlands verschönern. Der sonst gräuliche Muschelkalk ist der fröhlichen Biker-Nation wohl zu trist. Doch waren bei der staatstragenden Entscheidung nicht nur Designer und Farbpsychologen am Werk. Die Holländer nahmen den Zaininger Weißjura auch im Labor unter die Lupe. „Nach einer fünf Jahre währenden Versuchsreihe waren sie von der Qualität des Schwammriffs bei Zainingen überzeugt – Rösch liefert jährlich 20000 Tonnen.

Einst war die Arbeit im Steinbruch ein Knochenjob. Schon die Ägypter brachen Weichgestein, wie Kalkstein oder Sandstein. Sie hievten mit 100-facher Muskelkraft per Holzschlitten und Seilwinden die zu mächtigen Quadern behauenen Blöcke bis zu 150 Meter hinauf. Die welthöchste Cheops-Pyramide bezeugt noch heute die bald 4500 Jahre alte Tradition dieses Handwerks. Steinbrüche auf deutschem Gebiet gab´s in größerem Maßstab erst seit der Römerzeit. Noch vor 100 Jahren spalteten und schleppten Arbeiter von Hand das Gestein in Loren, die über Schienen halbwegs kräftesparend die Strecke zur Steinmühle überwanden. „Der Gesteinsabbau war bis in die fünfziger Jahre im wahrsten Sinne des Wortes ein Handwerk“, erinnert sich Rösch.

Heute dagegen zählt ein Ausbildungsjob im Steinbruch zu den coolsten Sachen, wie ein Werbefilm auf You-Tube mit dem Titel „Rock-Stars gesucht“ künftigen Azubis vermitteln will. Der demographische Wandel und in Folge die Nachwuchssorgen sind inzwischen auch in der Steine- und Erden-Industrie spürbar.

Besonders spektakulär empfinden Berufssuchende die Sprengung. In einem mittelgroßen Bruch wie dem Zaininger, arbeiten heute nur sechs Spezialisten. Mit ein bis zwei Sprengungen pro Woche holt sich das Werk 5000 bis 10000 Tonnen aus dem steinernen Herz der Alb. Ein wenig bedauert Rösch, dass sich sein Handwerk zunehmend in Verwaltungsakte auflöst. „Bevor ein Abbau von Rohstoffen beginnen kann, steht ein langwieriges und aufwendiges Genehmigungsverfahren an“, beschreibt Rösch die Sachzwänge seines Unternehmertums. So was dauert in der Regel zwei bis drei Jahre, in Ausnahmefällen bis zu zehn Jahren.

Doch Rösch lebt nicht nur vom Gestern – jenen versteinerten Urmeereszeugen – sondern steht heute in der Pflicht für das Morgen. Was wird aus dem Steinbruch, wenn er keine Flächen mehr zukaufen kann? Was wird aus den Mitarbeitern, wenn es keine Genehmigungen gibt? Was wird aus dem Lebensraum, indem sich mittlerweile seltene Tiere wohlfühlen? Rösch muss zu Ende denken. „Rekultivierung der Flächen im Steinbruch“, heißt das Gebot, weswegen er Kontakt zu Umweltverbänden sucht. Die Vorgaben des Naturschutzes gehören zu seinem Unternehmensziel, deshalb sponsert der Feldstetter gerne das NABU-Biosphärenmobil und den GeoPark Schwäbische Alb. Denn: Im Ges­tern steckt immer die Zukunft.

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Printausgabe: Sphäre 1/2015, Seite 46-48

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