Kein Gift ins Wohnzimmer

NABU-Tipp: Giftfreie Weihnachtsbäume für die gute Stube

Topmodels gibt es auch bei Weihnachtsbäumen. Sie sind jung – die meisten höchstens zehn Jahre alt –, gerade gewachsen, 1,50 bis 1,75 Meter groß, ebenmäßig geformt und pieken nicht. Besonders geschätzt wird zurzeit der Typ Nordmanntanne. So kommen die Weihnachtsbäume aus den Plantagen in unsere guten Stuben, jedes Jahr geschätzt 2,5 Millionen allein im Südwesten, und verbreiten mit ätherischen Ölen weihnachtlichen Duft. „Doch auf den Plantagen wird in der Regel kräftig gespritzt und gedüngt: Insektizide gegen Rüsselkäfer und Läuse, Herbizide gegen konkurrierendes Gewächs und Mineraldünger für einen gleichmäßigen Wuchs und für eine intensive Grün- und Blaufärbung der Nadeln“, warnt Johannes Enssle, NABU-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg.

Bei den Plastikversionen, die sich rund 15 Prozent des Marktes erobert haben, muss man für den typischen Duft freilich nachhelfen. „Es gibt aber weitere Alternativen, die ökologisch gesehen jedem weit gereisten, gespritzten Baum aus riesigen Monokulturen vorzuziehen sind – Bäume aus dem Wald, aus zertifiziertem Anbau, mehrjährige Bäume mit Wurzelballen und solche aus der Region“, fügt der Forstexperte an.

Regional, mit Zertifikat oder direkt aus dem Wald sind ökologische Alternativen zum konventionellen Plantagenbaum

Variante 1: Von drauß vom Walde komm ich her
„Das Nonplusultra sind Bäume, die beim Durchforsten des Waldes ohnehin weichen müssen, um anderen Bäumen Platz zu machen“, betont Enssle. Die Bäume stehen mitten im Wald statt auf Plantagen und brauchen keinen zusätzlichen Platz. Dafür sind sie nicht ganz so perfekt gezogen. „Am unbedenklichsten sind heimische Arten, dazu gehören Fichten, Kiefern und Weißtannen“, erklärt er. Eine gute Anschaffung könne statt eines echten Baumes ein stilisierter, geschnitzter sein, rät der NABU-Landeschef. „Alternativ lassen sich auch Tannenzweige oder eine Zimmerpflanze schmücken.“

Variante 2: Baum mit Siegel
Eine sinnvolle Alternative sind aus Sicht des NABU Weihnachtsbäume mit Siegel: „Mit dem Kauf eines Baumes mit Siegel – Naturland, Bioland, Demeter oder Forest Stewardship Council (FSC) – setzen Verbraucherinnen und Verbraucher ein Zeichen für den giftfreien Anbau von Weihnachtsbäumen“, sagt Enssle. Einen Überblick über Anbieter nach Regionen gibt die Waldschutzorganisation Robin Wood unter www.robinwood.de.

Auf insgesamt 29 Hektar Fläche pflegen 60 Betriebe in Baden-Württemberg ihre Bio-Weihnachtsbäume. „Das entspricht gerade mal 1,2 Prozent der Gesamtfläche an Weihnachtsbaumkulturen im Land – hier gibt es reichlich Entwicklungspotential, das die Verbraucherinnen und Verbraucher nutzen sollten“, rät Enssle. Auf 46 Ar, aufgeteilt auf mehrere kleinere Flächen, stehen beispielsweise die Bäume von Werner Götz aus Abtsgmünd bei Aalen. 350 bis 400 Bäume mit Bioland-Zertifikat verkauft der Landwirt jährlich, viele ab Hof an Stammkundschaft, weitere über eine Bioland-Gärtnerei. Die Bäume werden über zehn Jahre gezogen, in Form geschnitten und den Bioland-Regeln entsprechend wenn nötig nach einer Bodenprobe mit Kalimagnesium und Phosphor für schöne, grüne Nadeln gedüngt. „Wir verursachen keine Einträge ins Grundwasser, etwa durch Stickstoff, und brauchen keine Pestizide. Statt den Bewuchs zwischen den Reihen wegzuspritzen, nehme ich den Rasenmäher“, betont Götz. Am Rand wachsen Schafgarbe, Kleearten und andere Pflanzen und bieten Insekten Nahrung. Dadurch überleben viele Insekten, die für den Landwirt nützlich sind und etwa Läuse vertilgen. Totalverluste wie in konventionellen Weihnachtsbaumkulturen gibt es daher nicht.

Variante 3: Eingetopft statt Einwegbäume
Eine Alternative zum geschlagenen Baum sind solche mit Wurzelballen. Bevor der Christbaum von Terrasse oder Balkon für die Feiertage ins warme Wohnzimmer umzieht, sollte er sich in Keller oder Garage akklimatisieren, damit er den Besuch im Warmen gut übersteht. „Wer ihn von unten über eine Schale alle zwei Tage gießt und hell stellt, schafft gute Überlebenschancen. Der Ausflug ins Warme sollte aber nur kurz dauern, damit der Baum nicht mitten im Winter frisch treibt. Nach dem Auszug muss der Ballen für einige Zeit vor Frost geschützt werden“, empfiehlt Enssle.

Variante 4: Wenn schon konventionell, dann regional
Rund 56 Prozent der hierzulande verkauften Weihnachtsbäume kommen laut baden-württembergischen Landwirtschaftsministerium aus der Region. „Es ist gut für die Qualität und besser fürs Klima, wenn die Bäume nicht auch noch quer durch die Republik anreisen“, betont Waldexperte Enssle. Die übrigen geschätzten 1,1 Millionen Bäume werden importiert, etwa zehn Prozent aus anderen Ländern wie Dänemark, der Rest aus anderen Bundesländern. Jede Menge Christbaummonokulturen gibt es jedoch auch in Baden-Württemberg, etwa in der Ortenau und im östlichen Odenwald. „Auf den bis zu zwei Hektar großen Äckern werden oft Kunstdünger, Totalherbizide wie Glyphosat und Insektizide eingesetzt, um mit weniger Aufwand vermeintlich perfekte Bäume zu produzieren“, kritisiert Enssle.


Gift im Wohnzimmer?

2017 testete Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Weihnachtsbäume auf Rückstände

76 Prozent der getesteten Weihnachtsbäume mit Pestiziden belastet

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat die Nadeln von 17 Weihnachtsbäumen von einem unabhängigen Labor auf Rückstände von knapp 140 Pestiziden untersuchen lassen. Bei 13 der analysierten Bäume wurde das Labor fündig. Insgesamt wurden bei dem Test neun verschiedene Pestizide gefunden, von welchen fünf zu den gefährlichsten zählen, die derzeit in der EU eingesetzt werden.

Am häufigsten wurde mit neun Funden das Insektizid Lambda-Cyhalothrin festgestellt. Es ist unter anderem akut toxisch, schädigt Nervenzellen und das Hormonsystem, ist giftig für Bienen und Wasserlebewesen und reichert sich in Organismen an. In Weihnachtsbaum-Plantagen wird es zur Insektenbekämpfung eingesetzt. Ein weiterer bei dem BUND-Weihnachtsbaum-Test gefundener Wirkstoff, Parathion-Ethyl, ist illegal und darf bereits seit 15 Jahren in der EU nicht mehr eingesetzt werden. Der Wirkstoff wurde früher unter der Bezeichnung „E 605“ verkauft und war im Volksmund als „Schwiegermuttergift“ bekannt, weil es nicht selten für Suizide oder Morde missbraucht wurde. In zwei Weihnachtsbäumen wurde auch das umstrittene Totalherbizid Glyphosat nachgewiesen.

Herbizide, Fungizide, Insektizide – auch Spuren eines illegalen Pestizids gefunden

„In Weihnachtsbaumplantagen werden jede Menge Herbizide, Insektizide und Fungizide eingesetzt. Auffällig und beunruhigend ist die hohe Mehrfachbelastung, viele Weihnachtsbäume sind einem regelrechten Pestizidcocktail ausgesetzt“, sagt die BUND-Pestizidexpertin Corinna Hölzel. Mehr als die Hälfte der getesteten Bäume war mit mindestens zwei Wirkstoffen belastet, ein Baum enthielt sogar Rückstände von vier Pestiziden. Die untersuchten Weihnachtsbäume stammten überwiegend von deutschen Plantagen und wurden stichprobenartig in Baumärkten, Gartencentern und im Straßenverkauf an 15 Orten im gesamten Bundesgebiet erworben.

Auch Baden-Württemberg ist betroffen

Unter den untersuchten Bäumen befand sich auch eine Nordmanntanne aus Baden-Württemberg. Auf ihren Nadeln wurden neben dem hochgiftigen Lambda-Cyhalotrin auch das Herbizid Prosulfocarb nachgewiesen, ein besonders leicht flüchtiger Wirkstoff. Die Konzentration an Lambda-Cyhalotrin betrug 60 Mikrogramm pro Kilogramm, das entspricht der dreifachen Höchstmenge für die meisten pflanzlichen Lebensmittel. „Natürlich wird niemand wird auf die Idee kommen, sein Weihnachtsmal mit den Nadeln vom Christbaum zu garnieren“, kommentiert Gottfried May-Stürmer, Agrarreferent des BUND Baden-Württemberg. „Trotzdem hat ein starkes Nervengift nichts in unseren Wohnzimmern zu suchen“.

Gifte gelangen in Böden und Gewässern

Die Verwendung von Pestiziden in der Land- und Forstwirtschaft ist in erster Linie ein Umweltproblem. „Die Gifte gelangen in Böden und Gewässer, sie töten und schädigen Bienen und andere Insekten und zerstören auch die Lebensräume anderer Nützlinge“, sagte die BUND-Pestizidexpertin. Nicht zu vernachlässigen seien jedoch auch mögliche gesundheitliche Auswirkungen. „Wir müssen davon ausgehen, dass Pestizide ausdünsten, wenn die Bäume in die warme Stube gebracht werden“, sagt so Hölzel.

Besser: Bio-Weihnachtsbäume

Der BUND rät Verbraucher*innen dazu, zertifizierte Bio-Weihnachtsbäume zu kaufen, die garantiert frei von Schadstoffen sind, oder einen Baum aus heimischen FSC-zertifizierten Wäldern, die nicht mit Pestiziden behandelt werden. Auskunft hierüber gibt zum Beispiel das örtliche Forstamt. Bio-Bäume erkennen Verbraucher am Siegel der Öko-Anbauverbände Bioland, Naturland oder Demeter.

Sphäre-Wissen:


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