Tapferes Schneiderlein

Tradition & Handwerk: Textilfirma Flomax trotzt der Weltkonkurrenz

Die Textilhochburg Alb liegt am Boden. Aus den wirtschaftlichen Trümmern der Traditions­branche sprießen – entgegen dem Trend – in der Biosphäre wieder junge Pflänzchen.

Wo ein Wille ist, da findet sich stets ein Weg. Mit diesem herrlichen Optimismus beseelt, wagte sich Veronika Kraiser mit der Gründung ihrer Textilfirma Flomax in Gächingen vor 15 Jahren aufs holprige Parkett der Modebranche. Die Textilproduktion am Traditionsstandort Schwäbische Alb lag darnieder. Die Blütezeit der Leinenweber war endgültig Geschichte und die zahlreichen Arbeitsplätze auf der Alb erfreuten nun die Menschen in der Türkei und in China. Grimms Tapferes Schneiderlein kämpfte gegen Riesen, die mutige Schneiderin Veronika Kraiser (im Bild rechts) gegen Billiglohntrend. Allerdings nicht nach dem verwegenen Motto: „Sieben auf einem Streich“, sondern vielmehr mit Feinsinn für Ästhetik, Nischen und Leitzielen für ihr unternehmerisches Schaffen.

Wie haben damals selbst Freunde das Vorhaben belächelt. Heute sind die markanten Kollektionen der 44-Jährigen bei großen Edelversendern wie Deerberg gefragt. Kraiser hatte ihr Handwerk in einer Schneiderlehre gründlich erlernt, danach baute sie ihr Können beim Studium zur Entwurfs- und Schnittdirectrice aus. Die kleine aber feine Firma beschäftigt heute nicht weniger, aber bestimmt nie mehr als 20 Mitarbeiterinnen – so will es ihr Konzept. Die Firmenchefin will die Produkte mitleben, so wie ihre Kreationen alleine durch ihre Handschrift aufleben – in einer von Textilgiganten dominierten Modewelt.

Flomax Naturmode ist ein zertifizierter Betrieb, der Stoffe aus Naturfasern verarbeitet, die umweltschonend und sozialverträglich hergestellt werden. Wer nun an ein angestaubtes Bio-Image im kratzigen Wollpullover denkt, hat weit gefehlt. Kräftige Farben, bunte Muster, extravagante Farbstellungen und pfiffige Schnitte bilden ein unverwechselbares Design. „Was ich trage, produziere ich selbst“, liefert die Textilfachfrau die Erklärung für das hohe Produktniveau. Sie habe das Hobby zum Beruf gemacht und produziert das, was man in der Praxis lebt. Die Erfahrungen mit ihren beiden Kindern eingewoben, entwickelte Kraiser ein Oberbekleidungssortiment für die ganze Familie – von Babygröße bis XXL. Die Designerin entwirft alles selbst. Masche für Masche gibt sie die Vorlagen für die aufwendigen Muster in den Computer ein. Die Schnittschablonen allerdings fertigt die Gächingerin in ihrem Atelier klassisch mit Schneiderwinkel und Maßband.

Nach der ersten Kollektionsvorstellung 1996 auf der Messe Biofach in Frankfurt kam das Projekt schnell in Schwung. Vier Jahre später stieg Ehemann Volkert Kraiser als Betriebswirt mit an Bord, zeitgleich errichtete das Unternehmerpaar ein Produktionsgebäude und die Räume für den Fabrikverkauf – in natürlicher Holzbauweise versteht sich. 100 Quadratmeter misst der freundliche, sonnendurchflutete Raum, wo Nähmaschinennadeln flink durch den Stoff stochern und die Bügeleisen hitzig dampfen. Baumstammdicke Stoffballen in kräftigen Farben, wilde Blumenmuster auf endlosen Strickbahnen, ein Lachen hier, eine Unterhaltung dort. Stress? Akkord? Fehlanzeige. „Wir leben eine familiäre Atmosphäre“, skizziert die Schneiderin ihre Philosophie. Dabei fordert das Saisongeschäft im Frühjahr und Herbst von den Mitarbeiterinnen ein hohes Maß an Flexibilität. In Stoßzeiten gibt es viel Arbeit an der neuen Kollektion, zwischen den Messen kehrt Ruhe ein. „Unsere Beschäftigten tragen das mit“, zollt die Unternehmerin ihren Mitarbeiterinnen Anerkennung. Dafür können die Näherinnen sich ihren Arbeitstag ebenfalls flexibel gestalten – die Kleinen vom Kindergarten abholen inklusive.

Lokal statt global – Kraiser hat die Fühler in die Biosphäre ausgestreckt. Die Idee: Wolle von Schafen der Schwäbischen Alb zu verarbeiten. Im Stadtschäfer Stotz aus Münsingen fand die Gächingerin einen Verbündeten. Er hatte den Glauben an die hochwertige Wolle der Albschafe nie verloren – trotz des Verfalls der Preise in den 80-er Jahren und der übermächtigen Konkurrenz aus Neuseeland. Stotz konzentrierte sich bei der Züchtung nie ausschließlich auf die Fleischqualität, er hatte die Wolle immer im Blick. Nun zahlt sich die Traditionsverbundenheit aus. „Albmerino“ heißt das Projekt, das die beiden innovativen Betriebe jüngst mit Unterstützung aus dem Förderprogramm Plenum angeschoben haben. Flomax und Stotz machen das Fellkleid der Albschafe zur Marke und möchten so das verloren gegangene Wissen um die Wollverarbeitung zu neuem Leben erwecken. Man darf gespannt sein auf die separate Biosphärenkollektion in Braun- und Grautönen, ebenso wie auf immer neue, die Zeit überdauernde Alb-Pullover aus der Ideenschmiede in Gächingen. Wo ein Wille ist, da findet sich stets ein Weg.

Flomax

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Printausgabe: Sphäre 1/2010, Seite 4-5

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