Ortsportrait Wiesensteig

Wiesensteig

Grenzerfahrung – wie ein Keil drückt sich das Filstal in den Gebirgskörper. Am Horizont treffen vier Landkreise zusammen. Doch Grenzen stärken die Stadtgemeinschaft.

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Alpine Gipfelgefühle keimen auf, sobald Besucher über die schwungvollen Kehren über die Passstraßen von der Alb hinab ins Filstal gleiten. Der Weitblick über Wiesensteig hinweg kennt keine Grenzen. Mit unsichtbaren Schranken allerdings ist das Bilderbuch-Städtchen tief unten im Tal gerahmt. Steil fallen die Hangkanten bis an den Ortsrand. Das vermittelt Geborgenheit, einerseits. Andererseits muss, wer sich in einer Tal­enge gemütlich einrichtet, gegen die Winterkälte gewappnet sein. Doch Holz zum Heizen bieten Wiesensteigs Wälder genug.

Weniger üppig versorgt dagegen sind die Bewohner am Ende des Tals mit Nahverkehr hinauf auf die Alb. An Landkreisgrenzen ist das Nahverkehrsnetz naturgemäß ausgedünnt. Treffen vier Landkreise wie an diesem Albidyll aneinander, sind historische Lebensadern gekappt. Das sei mal anders gewesen, erinnert sich Roc­co Storr, Metzgermeister der Wiesensteiger Landmetzgerei. „Zur Alb, zu Westerheim hatte meine Elterngeneration noch einen besseren Draht gehabt“, schmunzelt der 52-Jährige. Denn: Immerhin heiratete seine Mutter aus Westerheim hinunter in sein schönes Städtle im Oberen Filstal, das im südlichen Zipfel des Landkreises Göppingen klemmt.

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Stadtmittelpunkt: Unterhalb der St. Cyriakus Kirche treffen sich zwei Albsteigen. Die historische Verbindung über den Filsursprung führt als Wanderweg auf die Alb.

Diese historische Verbundenheit hinauf auf die Alb verdankt Wiesensteig der Grafschaft Helfenstein. Deren größte Ausdehnung reichte übers Gebirge bis nach Blaubeuren. 1806 hatte Württemberg den Ort zur Oberamtsstadt erklärt. Die Stadt lebte auf, Handel und Handwerk blühten, weil anders als heute Wiesensteig als Verkehrsknoten mit Postkutschenverbindung in alle vier Himmelsrichtungen im Zentrum lag. Der Bau der Tälesbahn 1903 durchs Filstal schuf zudem viele Arbeitsplätze.

Das alte Wiesensteig brachte auch Denker und Künstler hervor. Als weltberühmter Sohn der Stadt erblickte Franz Xaver Messerschmidt am 6. Februar 1736 im damals bayerischen Wiesensteig das Licht der Welt. Über Schaffensstationen in München, Graz, Wien und Rom eroberte er schließlich die Kunstwelt von heute. Am 28. Januar 2005 versteigerte das Auktionshaus Sotheby’s eine von Messerschmidts Skulpturen für die Rekordsumme von 4,8 Millionen Dollar (3,7 Mio. Euro) an das drittgrößte Museum der Welt, den Louvre in Paris, mit bis zu zehn Millionen Besuchern jährlich.

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Gestern neu, heute alt: 1648, am Ende des 30-jährigen Krieges, brannte ganz Weisensteig nieder. Das Wirtshaus feierte Richtfest 41 Jahre nach der Katastrophe.

Bedeutend weniger Ausflügler nehmen sich das 2100-Seelen-Städtchen zwischen den Hangkanten der Alb als Ziel. Immerhin: 250000 Besucher jährlich hätten es werden können, als ein Baumwipfelpfad 2012 oberhalb Wiesensteigs entstehen sollte. Doch das Projekt schlug regionalpolitisch tiefe Gräben. Schließlich zog der Investor nach Wildbad davon.

Diese weitere Grenzerfahrung aber rückte die naturgegebene Lebensqualität hier im Täle wieder ins Bewusstsein. Der Filsursprung, das idyllische Freibad, der steilste und längste Skihang der Schwäbischen Alb, das schönste Fachwerksträßchen, das stolzeste Residenzschloss. Heimatliebe kennt halt keine Grenzen.

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Einkaufsstraße: 1100 Jahre Stadtentwicklung sind eine lange Zeit. Wiesensteig besitzt noch ein selbstverwaltetes Dorflädle, Metzger, Café, Restaurant, Apotheke und Bäcker. Aber auch Verkehr, den die sehr schmale Hauptstraße glücklicherweise runterbremst.

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Fakten kompakt

Wiesensteig – im Oberen Filstal

Wandern / Ausflug

  • Startort des Premiumwanderweges Albtraufgänger (100 km, 6 Tagesetappen)
  • Wanderungen rund um den Filsursprung
  • 7 Rundwanderwege zwischen 5 und 16 km

110 Gästebetten

  • in Gasthöfen, Hotels und Ferienwohnungen

Veranstaltungen

  • ganzjähriges Kulturprogramm im Schloss
  • Großes Bulli Abenteuer, Foto-Reportage, 11.03.17
  • Kindertheater am 22.03.17
  • Lebendige mittelalterliche Stadtführung, 21./22.04.2017 und 22./23.September
  • Ernst & Heinrich, schwäbisches Kabarett, 05.05.17
  • Musik zur Kaffeestunde am 15.10.17
  • Kabarett & Schmankerl, schwäb. Abend, 21.10.17

Sehenswert

  • Residenzschloss Wiesensteig
  • Marktbrunnen und Fachwerkbauten
  • Stiftskirche St. Cyriakus

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Printausgabe: Sphäre 3/2016, Seite 16-17


 

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