Ortsportrait Trochtelfingen

Trochtelfingen – Denk-mal anders

Das denkmalgeschützte Fachwerk Trochtelfingens kontrastiert die Enge zwischen historischen Häusern mit der Weite seines mondänen Marktareals.

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Die Zeit steht still in Trochtelfingen – für einen kurzen, erholsamen Moment. Großzügig – ungewöhnlich weit öffnet sich die schmale Marktstraße vor dem Rathaus zu einem sonnigen Platz (Foto oben). Die hellen Fassaden der historischen Häuser reflektieren das grelle Sommerlicht. Am Horizont, wo die Kopfsteinpflaster-Promenade das Himmelsblau trifft, flimmert das vielgeschossige Ziegeldach des bald 600 Jahre alten Schlosses der Grafen von Werdenberg (Foto unten).

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Schloss der Grafen von Werdenberg, heute Grundschule (1450).

Eine Märchenkulisse. Doch warum zieht es Menschen auf ihren Ausflügen immer wieder in schnuckelig verwinkelte Altstädte? Warum restaurieren Gemeinden wie das Albstädtchen Trochtelfingen nicht nur einzelne Häuser, sondern gleich die komplette Innenstadt? Weil der Homo sapiens denkt. Er denkt nicht nur mal ebenso an seine Wurzeln, sondern schwelgt im Idealfall ein ganzes Leben lang immerfort vom Gestern. Grund: So wie in der Geometrie erst zwei Punkte eine Gerade definieren, so geben Vergangenheit und Gegenwart die Richtung der Lebenswege in die Zukunft vor. Vielleicht ist dies der Grund, warum die Trochtelfinger ihre historischen Zeugnisse ehren und die Touristen sich nach einem Besuch in das Städtle der Baudenkmäler verzehren.

Da gibt es beispielsweise die seit etwa 1500 bis heute noch teils erhaltene dreifache Stadtmauer samt Geschützturm zu bestaunen, die im wilden Mittelalter rund 1000 Einwohner vor Angriffen bewahrte. Mit dem stattlichen Schloss in der Ortsmitte (Foto oben) setzten die Grafen von Werdenberg 1450 sich und der Zimmermannskunst ein beschauliches Denkmal. Ein mächtiger Dachstuhl überspannt vier Geschosse. Die dafür benötigten langen16-Meter-Fichtenbalken hievten die Älbler mit viel Sachverstand, pfiffigen Hebelgeräten und Ochsenkraft in luftige Höhe. Der Stadtbrunnen dagegen dokumentiert einen leidvollen Teil der Ortsgeschichte. Als Andenken thront die Figur des heiligen Mauritius. 1779 widmeten ihm die Trochtelfinger dieses Denk­mal, weil sie glaubten, er habe ihre schreckliche Viehseuche beendet.

Allerdings spiegelt die architektonische Rückschau der Altstadt in weiten Teilen nur die letzten 300 Jahre wieder. Die meisten Fachwerkbauten entstanden nach 1726 als halb Trochtelfingen brannte. 52 Häuser gingen in Flammen auf, 72 Familien und 15 Alleinstehende verloren ihr Zuhause. Besonders den Armen standen schwere Zeiten bevor. Ein Rundgang im Denkmalstädtchen deutet den Alltag der Vorfahren nur an. Konkrete Gestalt der Alb von gestern können dagegen historische Schriften geben. So beschreibt Pfarrer Johler in seinem Buch von 1824 das schwierige Albleben. Zitat: „Zu bedauern sind die Alpbewohner, welche, weil in klüftiger Gebirgsart gleich jede Feuchtigkeit versinkt, … Regenwasser von Dächern in Hülben aufzufangen genöthigt sind. Da sie nun meistens Strohdächer haben, so bekommt dieses Wasser eine gelbliche Farbe und einen ekelhaften Geruch, zuweilen auch rothe Würmchen…“ Von dieser Not erzählt die makellose Ansicht der Denkmäler nicht. Außerdem: Die Trochtelfinger genossen das klare Wasser der Seckach.

Auch Stadtführungen, Märkte und Feste skizzieren ein Zeitfenster zurück zu den Anfängen. Von dort pfeilgerade über die Gegenwart richtungsweisend in die mögliche Zukunft der schönen Schwäbischen Alb.

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Marktplatz: Das Häuserensemble entlang der Marktstraße ist denkmalgeschützt. Von 1978 bis 1999 haben die Trochtelfinger ihren Stadtkern saniert.

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Kirche St. Martin, Baubeginn ab 1320.

 


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Printausgabe: Sphäre 2/2018, Seite 16-17


 

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