Urlaubsporträt: Grünten

Urlaubsporträt: Grünten – ein markanter Bergrücken entwickelt sich zum Mekka für grüne Aktivfreizeitler

Warum CO2-intensiv in die Ferne schweifen, wenn das Schöne liegt so nah? Majestätisch markiert ein 1737,9 Meter hoher, gedrungener Bergrücken den Beginn der Alpen: Der Grünten. Wegen seiner exponierten Lage wird er in der Ferienregion rund um den Alpsee liebevoll „der Wächter des Allgäus“ genannt.

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Foto: Vom Grünten hinab in Blickrichtung Süden duckt sich malerisch die Urlaubsdestination Oberstdorf am Ende des Tals im Schatten der deutschen 2000er.

Wächter des Allgäus

Warum CO2-intensiv in die Ferne schweifen, wenn das Schöne liegt so nah? Majestätisch markiert ein 1737,9 Meter hoher, gedrungener Bergrücken den Beginn der Alpen: Der Grünten. Wegen seiner exponierten Lage wird er in der Ferienregion rund um den Alpsee liebevoll „der Wächter des Allgäus“ genannt.

Das Tor der Alpen mit dem Grünten-Gipfel als markantem Außenposten des Allgäus geht mit der schwäbischen Alb auf Tuchfühlung. Bei glasklarer Fernsicht rückt der in Luftlinie nur 100 Kilometer entfernte Alpengipfel so greifbar nahe, dass mancher den „Katzensprung“ in die Aktivregion rund um den Alpsee per Fahrrad Richtung Immenstadt plant. Von Ulm über die Traumroute des „Illerradwegs“ bis zum Fuße des monu­mentalen Felsrückens bei Burg­berg genügen zwei E-Bike-Batterieladungen. Diese etwa 130 Kilometer lange Radtour wäre auch ohne Strom in zwei Tagen gut machbar. Schneller geht es mit der Bahn. CO2-freundlich, ohne Stau und Stress erreicht man ab Ulm nach 1:38 Stunden das Traumziel „Grünten“ – das Ein­fachticket zu 23 Euro.

Sendemast des Bayerischen Rundfunks: Markant ragt der weiß-rote Funkturm in den stahlblauen Allgäuhimmel. Doch markiert das Monument der Nachrichtentechnik nicht die absolute Grünten-Höhe. Die nämlich befindet sich rechts davon (kleine Spitze, scheinbar tiefer) in 1737,9 Metern über dem Meer.

Tapetenwechsel, Stimmungswandel – die sportive Atmosphäre hier im Allgäu steckt regelrecht an. Während im 17 Kilometer südlicher gelegenen Oberstdorf mehr der Kur-Urlauber seinen beschaulichen Spaziergang absolviert, trifft man am Grünten den ambitionierten Sommertouristen. Er sucht und findet als trainierter Radler verborgene Wege durch einsame Täler, in die kein Auto-Tourist hineinfahren darf. Das asphaltierte „Königsträßle“: Es führt in 1000 Meter Höhe in ein enges Hochtal hinein. Diese Tour nehmen auch gerne E-Biker unter die Räder. Es locken zahlreiche zünftige Alpen mit Rohmilch und Bergkäse zu einer urgemütlichen Rast.

Panoramasüchtig – nach der Einstiegsdroge Grünten keimt der Wunsch nach mehr.

Der Grünten-Gipfel selbst ist freilich den wadenstarken Wanderern vorbehalten. Ab dem Örtchen Burgberg (751 m) wahlweise steil im Zickzack vorbei an der Einkehr „Grüntenhaus“, das erste Hotel in den Allgäuer Alpen oder etwas entschärft: zuerst mit dem Erzgruben Auto-Urlauberzügle zum gleichnamigen Bergwerkmuseumsdorf hinauf, um dann zu Fuß den Grünten-Gipfel zu erobern – das 1737,9 Meter hohe „Übelhorn“. Auf den trocken-mageren Alpwiesen rund um das dort aufgetürmte Denkmal zur Erinnerung an die im ers­ten Weltkrieg gefallenen Gebirgsjäger herrscht oft Picknick-Laune. Im Gegenlicht der grellen Mittagssonne zieht der Schatten des 92 Meter hohen rot-weißen Sendeturms des Bayerischen Rundfunks bedächtig seinen Kreis. Im Hintergrund blitzen die Dächer von Oberstdorf durch den Dunst – die südlichste Gemeinde Deutschlands.

Ausgeruht – so schön kann Naherholung sein.

Auffällig viele junge Wanderer suchen hier ihr Gipfelglück vorbei an kargen Alpwiesen, auf denen Enziane blühen und die Silberdistel gedeiht. Diese Charakterpflanze für Trockenrasen in Karstgebirgen übrigens erhob das Biosphärengebiet Schwäbische Alb wegen ihrer Seltenheit zu ihrem Wahrzeichen. Mystische Bergmischwälder spenden wohltuend Schatten auf diesem schweißtreibenden Anstieg hinauf zu den windzerzausten Krüppelkiefern, die den kahlen Gipfel säumen wie der schüttere Haarkranz eine hochglanzpolierten Glatze. Der Name Grünten ist abgeleitet von „Grind“, was im Allgäuer Dialekt Glatzkopf bedeutet. Kahl geschoren haben die Burgberger ihren Hausgipfel bereits ab 1800, weil sie für das he­-
rausschmelzen von einer Tonne Eisen aus der Erzgrube etwa 100 Tonnen Holz verfeuern mussten. Doch davon wissen heute weder die dort heimischen Apollofalter, noch die glücklichen Birk­hühner. Hin und wieder entdeckt der aufmerksame Beobachter sogar einen Steinadler.

Angestrengt – auf Anspannung folgt Entspannung.

Herrlich, wandern unplugged ohne Seilbahnen und Besucherrummel. Doch wenn selbst Nationalparke mit Baumwipfelpfaden (Bayerischer Wald) und 50 Millionen teuren Besucherzentren (Schwarzwald) nach Rekorden gieren, sollen da nicht auch private Investoren an der Freude mit der schönen Natur verdienen? Solch eine Gier spaltet aktuell seit 2019 leider auch die Grünten-Region: „Berg-Welt“ soll ein 30-Millionen-Projekt heißen, das nach dem Motto „Kasse statt Klasse“ Gondeln und Wald­erlebnisbahnen durch die Luft schwirren lässt, während Streichelzoo und Spielplatz dafür sorgen, dass in einer 550-Mann-Gaststube der Rubel rollt.

Pausenlos – ein Kommen und Gehen am Gipfel.


 

Übersichtskarte

 


Starzlachklamm: Blick in den Schlund der Alpen

Dieses Naturschauspiel sollte sich keiner entgehen lassen. Der tosende Bach Starzlach hat sich über Jahrtausende auf einer Länge von 500 Metern hier eng und tief in den Gebirgskörper eingefräst (Foto oben). Stege und Tunnel erschließen die wilde, unzugängliche Schlucht. Mehrere Wasserfälle und kesselartige Wassermühlen veranschaulichen die Kraft der Starzlach. Wassermühlen entstehen, weil in Löcher gefallene Steine vom Wasser herumgewirbelt sich stetig in die Tiefe schleifen. Seit 1932 ist dieser urige Abschnitt des Gebirgsbaches erschlossen. Er zählt neben der Breitachklamm nahe Oberstdorf zu den wichtigsten Hotspots des Allgäus. Etwa eine Million Besucher haben dieses Naturschauspiel in den letzten 70 Jahren bestaunt. Aktuell zählten die ehrenamtlichen Kassenwarte am unteren Eingang der Klamm jährlich rund 50000 Besucher.

 

Radweg: Von Ulm in die Alpen entlang der Iller

Vom Fuße der Schwäbischen Alb ins Allgäu verbindet der Iller-Radweg den mit 162 Metern höchsten Kirchturm der Welt in Ulm mit den höchsten Bergen bei Oberstdorf. Auf 147 fast autofreien Kilometern (bis zum Grünten 130 km) führt die Route meist auf geschotterten Wegen auf dem Illerdamm. Ideal für Mountain-Bikes oder E-Bikes. Rund um den Grünten erfreuen sich auch Rennradler an verkehrsarmen Asphaltstrecken.

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Printausgabe: Sphäre 1/2020, Seite 24-27

Einsam – wacht die Statue der Vergänglichkeit.
Einsam – wacht die Statue der Vergänglichkeit.

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