Biosphäre: Pfälzerwald-Nordvogesen

Winterportrait: Grenzüberschreitendes deutsch-französisches Biosphärenreservat 

Andere Länder, andere Sitten. Frankreich und Deutschland unterscheiden sich in diesem grenzüberschreitenden Biosphärenreservat in Dialekt, Lebensstil, kulinarischen Ansprüchen und augenfällig im forstwirtschaftlichen Landschaftsbild. Doch in einem Punkt sind sich beide Staaten einig: Hier regiert nur Natur.

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Foto: Blick von der Burg Klein Arnsberg hinab nach Obersteinbach in Frankreichs Nordvogesen. Die deutsche Grenze liegt im Rücken nur drei Kilometer entfernt.

Natur kennt keine Grenzen

Andere Länder, andere Sitten. Frankreich und Deutschland unterscheiden sich in diesem grenzüberschreitenden Biosphärenreservat in Dialekt, Lebensstil, kulinarischen Ansprüchen und augenfällig im forstwirtschaftlichen Landschaftsbild. Doch in einem Punkt sind sich beide Staaten einig: Hier regiert nur Natur.

Hüben wie drüben lassen Ortsschilder, der Straßenbelag und vor allem die Architektur der Häuser, ja das gesamte Ortsbild Unterschiede zwischen den französischen Nordvogesen und dem deutschen Pfälzerwald erkennen. Während die Elsässer rustikal-poröse Sandsteinfundamente und grob behauene Fachwerksbalken ihrer Gebäude sichtbar zur schmucken Fassade herausputzten, versteckten die Pfälzerwäldler in vergangenen Wirtschaftsboomjahren verschämt die Zeichen betagter Schönheit unter glattem Fassadenputz.

Märchenhaft – als liefen in Frankreich die Dorfuhren langsamer.

Ordnung muss sein – sogar der Wald im Teutonenland wirkt peinlich rein. In Reih und Glied, stramm wie Soldaten, stehen schlanke, kaum knorrig betagte Bäume. Im durchorganisierten Erntewald muss jeder Winkel im Forst bequem über penibel geschotterte Wege zu erreichen sein. Die Elsässer Förster dagegen bescheiden sich mit sandigen Naturpisten. Diese verstärken den Hauch an Wildheit, der den urigen Vogesenwälder innewohnt. Hinzu kommt, dass der französische Teil des Biosphärenreservats mit mehr echten, schmalen Wanderpfaden aufwartet als das Germanenland. Sie schlängeln sich von Burg zu Burg, zwischen Kiefern, Eichen und erfreulich wenig Fichten.

Sumpfland – hinterm Biosphärenhaus weitet sich das Saarbachtal.

Besonders die Wintermonate zeigen, wer eigentlich den Lebensrhythmus bestimmt. Nicht die Uhr, sondern das nun spärlich flache Sonnenlicht. Weniger Touristen bedeutet mehr Authentizität, weniger Bespaßung heißt, die einfachen Dinge des Draußenseins ins winterliche Rampenlicht rücken. Das deutsche Biosphärenhaus in Fischbach wechselt im Winter in den Pausenmodus. Dessen Baumwipfelpfad hat geschlossen ab Dezember bis Ende Februar. Raureif, vielleicht mal Schnee sind die einzigen Gäste auf dem 270 Meter langen Holzsteg, der in einer Höhe von rund 15 Metern durch die Baumkronen führt. Auch der 40-Meter-Aus­sichts­turm harrt aus in der Kälte, die Riesenwendelrutsche und Spielstationen bis sie der Besucher im Frühjahr zum Leben erweckt. Fans der Winterruhe derweil genießen das kaltblaue Licht in den sumpfigen Fluss­auen.

Versteckspiel – Waffenkammer Amerikas:
Wie auf der Alb bei Engstingen lagerte Amerika ohne Wissen der Bevölkerung Atomsprengköpfe auch im Pfälzerwald. Allerdings thematisierten 1989 die Friedensdemos fälschlicherweise Giftgasgranaten, die aber tatsächlich 50 Kilometer entfernt in Clausen lagerten.

Kriegerisch ging es in der Biosphäre zu, daran erinnern die Burgen auf ihren markanten Buntsandsteinfelsen ebenso wie verfallene Bunker: die Maginot-Linie. Mit diesem 1930 bis 1940 errichteten Wall hofften die Franzosen, sich vor Hitler-Deutschland zu schützen. Doch Verteidigungsminister André Maginot hatte sich geirrt. Heute überwuchert das Dickicht die zerschossenen Geschütztürme, 25 Meter darunter verrotten Kellerfestungen, in denen bis zu 600 Soldaten darbten. Einige Bunker wie das „Four á Chaux“ bei Lembach sind für Besucher reaktiviert. Sie halten Geschichte lebendig ebenso wie einhundert Burgen und Ruinen, die von den Wirrungen der Ritterzeit erzählen. Die französische Schauburg Fleckenstein lockt Nostalgiker ins heute friedliche Biosphärenreservat.

Turmhoch – wo sich rote Sandsteingipfel in skurrile Burgen verwandeln.


 

Übersichtskarte


 

Besuchermagnet: Keine Langeweile

Ruhig liegt das deutsche Örtchen Fischbach im Winterdunst nahe Frankreich. Hier ist dem 1998 von der UNESCO anerkannten ersten grenzüberschreitenden Biosphärenreservat ein moderner Glasbau gewidmet, eine Ausstellung und ein Baumwipfelpfad. Besucher erleben vielfältige Aspekte zum Kultur- und Naturraum, angefangen beim typischen Sandstein, über Bäche und Teiche bis hin zu den Streuobstwiesen. Kosten für das 2001 eingeweihte Gebäude: 5,5 Millionen Euro. Umsonst und leise dagegen spricht das größte zusammenhängende Waldgebiet Westeuropas für sich und seine einmalige Landschaftsformation.
Biosphärenreservat Pfälzerwald / Nordvogesen: 180000 Hektar (D) / 130000 Hektar (F). Höhe: 133 bis 581 m. Vergleich: Biosphärengebiet

 

Rundkurs: Ein Herz für ambitionierte Biker

Sportlich und hochoffiziell: Die Tourismusgemeinschaft wirbt mit „verschlungenen Pfaden“ und schreckt nicht mit 2-Meter-Verboten ab. Der Mountainbikepark Pfälzerwald lockt mit über 900 Kilometern ausgeschilderten Mountainbike-Strecken im Naturpark Biosphärenreservat Pfälzerwald und schwärmt: „Schneller Wechsel von steilen Anstiegen und technisch anspruchsvollen Abfahrten, eindrucksvollen Aussichten und Ansichten, romantischen Burgen und urigen Hüttenwirten.“

www.dahner-felsenland.net

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Printausgabe: Sphäre 3/2020, Seite 20-23

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