Nationalpark: Gran Paradiso, Aosta

Nationalparkporträt: Gran Paradiso, rund um Italiens 4000er regiert seit über 100 Jahren nur Natur

Alpensteinböcke sind Überlebenskünstler. Mit einem bis zu einen Meter mächtigen Horn gekrönt erobern sie flink die unwirtlichsten Gipfelregionen. Dem italienischen Nationalpark Gran Paradiso verdankt diese Spezies ihr Überleben. Anfang des 19. Jahrhunderts war der Bestand im gesamten Alpenraum bis auf etwa 100 hier lebende Tiere ausgerottet. Alle heute in den Alpen angesiedelten Steinböcke stammen von diesen 100 Tieren ab.

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Vom Nationalpark Gran Paradiso Richtung Nord-Westen hinüber schiebt sich beständig der König der Alpen in den Blick. Der Mont Blanc, Europas höchster Berg, thront 4807 Meter überm Meer.

Himmelssturm

Alpensteinböcke sind Überlebenskünstler. Mit einem bis zu einen Meter mächtigen Horn gekrönt erobern sie flink die unwirtlichsten Gipfelregionen. Dem italienischen Nationalpark Gran Paradiso verdankt diese Spezies ihr Überleben. Anfang des 19. Jahrhunderts war der Bestand im gesamten Alpenraum bis auf etwa 100 hier lebende Tiere ausgerottet. Alle heute in den Alpen angesiedelten Steinböcke stammen von diesen 100 Tieren ab.

Der Mont Blanc schrumpft – das ewige Eis auf dem Gipfel verändert beständig seine Form.

Dünn ist die Luft, die Lungen saugen den geringen Sauerstoffgehalt jenseits der 3000 Meter Höhe gierig ein. Das Herz muss für dieselbe Leistung hier oben schneller schlagen als tief unten am Meer. Der Lohn für diese Wanderstrapazen: Eine traumhafte Bergwelt fast für sich alleine. Gäbe es da nicht die extrem an die Höhe angepassten Tiere in ihrer vitalsten Form. Im Nationalpark Gran Paradiso und speziell auf den durch ihn hindurchführenden Etappen des 180 Kilometer langen Fernwanderwegs „Aostatal Höhenweg 2“ nehmen einem nicht nur die Anstrengung die Luft (12000 Höhenmeter), sondern auch die atemberaubende Schönheit dieser nun seit 101 Jahren offiziell geschützten Bergnatur.

Altstadt Aosta – ein kleines Fußgängerparadies.

Im Dreiländereck bei Aosta (Foto oben) grenzt Italien an die Schweiz und Frankreich. Beiderseits des Tals markieren die höchsten Berge der Alpen die Trennlinie zwischen diesen Staaten: das Matterhorn im Norden (4478) und der Mont Blanc im Westen (4807 m). Im Süden erhebt sich der Gipfel des Gran Paradiso (4061 m) als Zentrum des ältesten Nationalparks Italiens und viertältesten in Europa.

Den höchsten Schutzstatus verlieh die italienische Regierung rund um den aussichtsreichen Viertausender im Jahre 1922. Heute leben in den 13 Dörfern des 70318 Hektar großen Nationalparks rund 8400 Menschen, jedoch nur 300 in der Kernzone, in jenem Bereich, der zivilisatorische Nutzung verbietet.

Fünf idyllische Täler rahmen das Gran Paradiso-Massiv. 500 Kilometer Wanderwege verbinden Berg und Tal. Die meisten dieser Routen verlaufen auf alten königlichen Saumpfaden, die Viktor Emanuel, ab 1861 der ers­te König des vereinten Italiens, für seine Jagdgesellschaften errichten ließ. Ganze 50 Wächter stellte der König ab, um sein Jagdrevier, seine Beute und so auch den Alpensteinbock für sein persönliches Jagdvergnügen vor der ausufernden Wilderei zu schützen. Dieser hochwohlgeborenen Schießerei schließlich verdankt die bis auf hier ausgerottete Spezies des Alpensteinbocks sein Überleben.

 

Alpensteinbock ausgerottet: Im Alpenraum überlebten 100 Tiere im Gran Paradiso. 1820 stellte die Behörde sie unter Schutz. Bestand heute: 45000. (Foto: Frederik Vandaele, CC BY 2.0)

Auf die letzten 100 Tiere des Gran Paradiso gehen die heute 45000 im gesamten Alpenraum lebenden Hochgebirgsartisten zurück. Knapp 2500 klettern aktuell über die Felsen dieses Parks. Kopf und Horn zieren auch das Wappen dieses Schutzgebiets.

Doch geht seit 2010 ein ungeklärtes Kitzsterben um. Eine These nennt den Klimawandel als Ursache, weil Gräser in den Hochgebirgen nun schneller vertrocknen, schreibt die Züricher Zeitung. Eine andere Erklärung dafür, dass 75 Prozent der Jungtiere nicht überleben, könnten Flugzeugabgase sein, die schlicht deren Futterpflanzen vergiften.

Dennoch sind die Chancen größer als noch vor 100 Jahren, einen dieser bis zu 100 Kilogramm mächtigen (männlichen) Bergsteiger mit der Kamera zu sichten. Auch Säuger wie Gämsen, Murmeltiere, Hasen, Füchse, Dachse, Hermeline, Wiesel oder Steinmarder geben ein dankbares Beobachtungsmotiv. Mit einem guten Teleobjektiv wird gar ein Schnappschuss der seltenen Raubvögel wie Adler und Bartgeier möglich sein. Beim scheuen Alpenschneehuhn, den winzigen Gartengrasmücken, Waldbaumläufern, Vipern, Apollofaltern oder Salamandern allerdings kommen weniger die ausdauernden Späher zum Zuge als der ausdauernde Wanderer.

Pause – ausreichend Proviant empfohlen.

Um Lust auf die italienische Bergwelt in Trekkingschuhen zu wecken, hat die Nationalparkleitung drei Tourenvorschläge virtuell und interaktiv auf ihrer offiziellen Website „www.pngp.it/de“ veröffentlicht. Doch ist dieser unkomfortablen, wenig intuitiven Präsentation jede klassische Wanderkarte überlegen oder die Plattformen wie Alltrails.com, Outdooractive.com oder Komoot.de.

Nationalpark – 500 Kilometer Bergwege wollen geschultert werden.


 

Übersichtskarte

 


 

Nationalpark Gran Paradiso: dem Himmel nah

Fünf vom Aostatal Richtung Süden aufsteigende Bergtäler gliedern den Nationalpark Gran Paradiso. Das Schutzgebiet erstreckt sich von 800 Metern über dem Meer bis in die Gletscherregionen auf den 4061 Meter hohen Gipfel des Gran Paradiso in der Mitte des Parks. 60 Prozent der Fläche liegen höher als 2200 Meter. Fünf charakteristische Täler, das Orcotal, das Soa­natal, das Cognetal, das Valsavarenche und das Rhremestal rahmen die mächtigen Felsberge. Als lohnendes Ziel für Ausflügler hat sich der botanische Alpengarten Paradisia einen Namen gemacht. Er liegt auf 1700 Meter Höhe im zum Dörflein Cogne gehörenden Weiler Valnontey. Auf einer Fläche von 10000 Quadratmetern voller natürlicher Mulden und Senken herrschen optimale Bedingungen für den Anbau der hier heimischen Berg- und Alpenflora. Über dem Garten erhebt sich als Kulisse das Gran Paradiso-Massiv, erhellt von seinen gleißenden Gletschern. Das 23 Kilometer lange Cogne-Tal bietet das umfangreichste touristische Angebot.

Nationalpark Gran Paradiso: 703,18 km2 ( Biosphärengebiet Schwäb. Alb: 853 km2) / Höchster Gipfel: 4061 m (Gran Paradiso).


 

Aosta: Fast wie ein römisches Freilichtmuseum

Auf 583 Metern überm Meer liegt Aostas Marktplatz. Zahlreiche historische Gebäude belegen den Einfluss der Römer. Augustusbogen, Römertheater, sogar Fundamente eines eleganten römischen Wohnhauses außerhalb des städtischen Mauergürtels können besichtigt werden, samt Resten einiger Räume mit Mosaikfußböden und Fragmenten einer Heizungsanlage. Nach der Eroberung dieser Region im ersten Jahrhundert vor Christus entwickleten die Römer 500 Jahre lang diese von ihnen gegründete Stadt Augusta Praetoria, heute Aosta. Sie gilt als eine Art Freilichtmuseum römischer Geschichte.

 


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Printausgabe: Sphäre 2/2023, Seite 30-33

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