Nationalparkporträt: Fruška Gora

Nationalparkporträt: Fruška Gora, Serbiens Gebirge bei Novi Sad bezeugt eine wechselvolle Geschichte

Frieden herrschte im ehemaligen Jugoslawien, als 1960 das kleine Gebirge Fruška Gora, an Serbiens Donau bei Novi Sad, den Status Nationalpark erhielt. Am 24. März 1999 aber tobte dort Krieg. NATO-Luftangriffe bombardierten den Kosovo und die Menschen dieser schönen Stadt, die nun von der EU den Ehrentitel Europäische Kulturhauptstadt 2022 bekommt.

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So sehen die sehr einsamen Wanderwege aus, Luftlinie liegt das Idyll weniger als zehn Kilometer vom Donauufer entfernt.

Krieg und Frieden

Frieden herrschte im ehemaligen Jugoslawien, als 1960 das kleine Gebirge Fruška Gora, an Serbiens Donau bei Novi Sad, den Status Nationalpark erhielt. Am 24. März 1999 aber tobte dort Krieg. NATO-Luftangriffe bombardierten den Kosovo und die Menschen dieser schönen Stadt, die nun von der EU den Ehrentitel Europäische Kulturhauptstadt 2022 bekommt.

Fruška Gora – so schön kann Naturfrieden sein.

Krieg wie kriegen, was anderen gehört, wegnehmen und zerstören: Der vernunftfreie Egoismus erhöht die Dekadenz des Homo sapiens seit der Menschwerdung bis heute. Frieden wie einfrieden, schützen, was andere brauchen: Dieser Harmonie allerdings sind wenige Reservate vergönnt – im gesellschaftlichen Leben bislang leider nur phasenweise, in der Natur immerhin kleinräumig und partiell, so wie in Nationalparken.

Krieg oder Frieden – der Nationalpark Fruška Gora in Serbien offenbart diesen Dauerkonflikt vom Mensch mit der Natur einerseits, wie auch mit der Menschlichkeit gegenüber sich selbst. Denn dieser geschützte Naturraum an der blauen Donau probt genau dort die Eintracht mit Tier und Pflanzen, wo Militärs mit ihren Waffen noch heute sichtbar tiefe Wunden schlugen. Das stimmt nachdenklich, macht betroffen. Zum Zeichen krallt sich wie von Schmerzen geplagt der vor 23 Jahren zerschossene Sendemast von Novi Sad direkt aus dem Herzen des Nationalparks hinauf klagend in das heiße Himmelsblau (Foto).

Novi Sads Sendemast – so hässlich ist Krieg.

Am 24. März 1999, Punkt 20 Uhr, flogen NATO-Luftstreitkräfte Ziele der serbischen Verteidigung an. Doch getroffen wurden in der heute von 232000 Einwohnern freudig belebten Stadt alle Brücken, die Wasserversorgung für 600000 Menschen, die Raffinerie, das Krankenhaus, eine Kindertagesstätte, mehrere Grundschulen und Kinderkrippen. Unvorstellbar – dies alles passierte nur 1120 Straßenkilometer von unserer schönen Donau am Fuße der Alb entfernt.

Dieser Kontrast zwischen ges­tern und heute, der Unterschied von Krieg zu Frieden schneidet umso schärfer ins Bewusstsein, als man hier zufrieden-fröhliche Menschen trifft, die bunt und sorglos durch ihre Bilderbuch-Altstadt flanieren.

Schnitt, Szenenwechsel, nur 10 Kilometer weiter und 440 Meter höher expeditionieren ebenso tiefenentspannt Wanderer, nicht viele, mit Rucksack über die verwachsenen Pfade durch den Urwald des Nationalparks. Mit Herz gemalte Markierungen weisen ihnen den Weg. Während hierzulande teure Prestigebauten und Baumwipfelpfade die Idee von Nationalparkschutz bisweilen in Volksfeststimmung ertränken, erfüllt die Bescheidenheit, mit der dieses Mittelgebirge seine Reize präsentiert, mit Respekt. Am östlichen Zugang versperrt ein gezimmertes Holztor die automobile Einfahrt. Eine schlichte Kartentafel mit Schindeldächlein mehr als Schutz vor der Sonne als vor Regen, zeigt die von der Sommerhitze staubigen Pfade.

Wildlife pur. Die Einfachheit des Nationalpark-Waldcampingplatzes versteht sich als ein kleines Angebot an den Frieden dieser urigen Natur. Denn nicht immer müssen wir alles kriegen, was nicht uns alleine gehört.

Stadtzentrum Novi Sad – Kulturhauptstadt 2022 strahlt vor Lebensqualität.

Zerbombter Landsitz – Spuren bis heute sichtbar.


 

Übersichtskarte


 

Blaues Band: Von der Alb zur Donau nach Novi Sad

 
Kulturhauptstadt Europas 2022 – dieser Titel spielt Novi Sad eine Anschubinvestition von 1,5 Millionen Euro EU-Fördermittel ein. Die zweitgrößte Stadt Serbiens rangiert bei Insidern schon lange als Geheimtipp bei Donaureisenden, Weinkennern und Nationalpark-Freunden. Nun will die Stadt kulturelle Brücken bauen. Alle nach dem Nato-Bombardement neu gebauten Donau-Überquerungen symbolisieren das Motto im Kulturhauptstadtjahr: Liebe, Hoffnung, Migration und Zukunft Europas. Die neue Varadin-Brücke (Foto) führt zur Festung Petrovaradin, im 17. Jahrhundert das größte Kastell Europas. Seit 2001 ist die Burg für sein Musikfestival „Exit“ bekannt, das Studenten als Zeichen der Versöhnung nach den Kriegen aus der Taufe hoben und jährlich 200000 Besucher anlockt.
Novi Sad: zweitgrößte Stadt Serbiens, 232000 Einw., Höhe: 72 Meter.

 

Fruška Gora: Kleines Mittelgebirge, große Einsamkeit

Mit 80 Kilometer Länge parallel zur Donau (Foto oben) und nur 15 Kilometer Breite ist das seit 1960 zum Nationalpark gekürte Mittelgebirge nur ein Bruchteil so groß wie die Schwäbische Alb. Viehweiden, Getreidefelder und Weingärten der Täler steigen zu einem schmalen Bergrücken an, den dichte Mischwälder beschatten mit großem Bestand an Lindenbäumen. Bedrohte Tierarten wie Luchse, Hirsche und Europäische Mufflons leben hier. Sehenswert: 16 kulturgeschichtlich bedeutsame Klöster, die byzantinische und teils barocke Elemente vereinen.
Nationalpark Fruška Gora: 25525 Hektar, Gipfel Crveni Cot (539 m).

 

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Printausgabe: Sphäre 1/2022, Seite 22-25

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