200 Jahre später wieder zurück

Erster Luchs Baden-Württembergs ausgewildert

Die erste ausgewilderte Luchskatze Baden-Württembergs streift seit Dezember 2023 durch den Schwarzwald. Sie heißt Finja und wird wohl nicht wie vor 200 Jahren mit Gift, Schlageisen und Gewehr bedroht, jedoch vom Verkehr und illegalen Abschüssen. Erst im Januar wurde ein männlicher Luchs bei Remchingen überfahren. Früher waren die Pelze dieser scheuen Jäger mit den Pinselohren begehrt. Den letzten Luchs Deutschlands schoss 1846 ein Albjäger bei der Ruine Reußenstein jäh aus seinem wilden Leben.

„Weißer Bauch und schönes Fell – der Name Finja bedeutet in etwa die Schöne, die Helle und passt zur jungen Luchsdame, die als Erste den Kudern im Land den Kopf verdrehen soll. Mit ihrer heutigen Auswilderung beginnt ein bedeutendes Projekt zur Wiederansiedlung des ausgerotteten Luchses im Südwesten. Es ist gut, dass sich Landwirtschaftsminister Peter Hauk gemeinsam mit dem WWF, dem Zoo Karlsruhe und dem Landesjagdverband der Rückkehr des Luchses verschrieben hat. Zum Schutz der Luchse braucht es die Jägergemeinschaft, als Schutzengel“, sagt der NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle. „Denn der Verkehr und illegale Abschüsse sind für Luchse die größte Gefahr.“

Die Auswilderung ist nicht nur für Baden-Württemberg bedeutsam. Mit ihr verbindet sich die Hoffnung auf baden-württembergischen Nachwuchs und auf eine stabile Luchspopulation hierzulande. Diese dient dann auch als Stütze für Luchse im Schweizer Jura, in den Vogesen und im Pfälzer Wald, wenn ein genetischer Austausch stattfinden kann, und hat somit eine überregionale Bedeutung. Mit der Freilassung der aus Nachzuchten stammenden Tiere alleine ist es daher nicht getan. „Luchse brauchen störungsarme, natürliche Wälder. Ihre Lebensräume müssen auf sicheren Wegen durch Wildtierkorridore und über Grünbrücken vernetzt sein. Sonst könnten die Tiere allzu bald tot im Straßengraben liegen“, betont NABU-Artenschutzreferentin Alexandra Ickes.

Enssle ergänzt: „In unseren südwestdeutschen Wäldern gibt es genügend Platz und Wild für den scheuen Jäger mit den Pinselohren. Geeignete Flächen finden sich im Schwarzwald, im Donautal, auf der Schwäbischen Alb oder im Odenwald. Sollten sich Kuder und Katze finden, kann es mit dem Nachwuchs schnell gehen: Im Februar und März ist Paarungszeit. Nach knapp drei Monaten, also im Mai und Juni, könnten bereits zwei bis fünf Jungtiere geboren werden.“

Zur Nachricht, dass ein männlicher Luchs Anfang Januar auf der Autobahn bei Remchingen überfahren wurde, kommentiert Martin Bachhofer, Landesgeschäftsführer des BUND Baden-Württemberg: „Der getötete Luchs an der A 8 bei Remchingen Anfang Januar ist nur ein weiterer trauriger Tiefpunkt in der langen Reihe von Unfällen dieser Art. Mehr als 30.000 Wildtierunfälle hat die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) für die Jahre 2021 und 2022 erfasst. Es zeigt sich wieder und wieder, dass die Straßen Baden-Württembergs die Landschaft zerteilen und Lebensräume von Wildtieren zerschneiden. Wir fordern deshalb schon lange, dass es keine neuen Straßen mehr geben darf. Wir haben genug davon.“ Die Zerschneidung gefährdet vor allem seltene Tierarten mit wenigen Nachkommen wie etwa den Luchs. Einst unerbittlich verfolgt, galt der Luchs in Baden-Württemberg lange als ausgestorben und gehört nun zu den seltensten Tierarten. Nur fünf männliche Luchse waren bisher in Baden-Württemberg sesshaft. „Das überfahrende Tier ist also ein herber Verlust für die Artenvielfalt im Land ebenso wie der Wolfswelpe, der Ende 2023 im Hochschwarzwald Opfer des Verkehrs wurde. Erst im Dezember wurde im Nordschwarzwald mit großem, auch finanziellem Aufwand Luchs-Weibchen Finja ausgewildert. Damit sie oder ihre möglichen Nachkommen nicht dasselbe Schicksal ereilt, braucht es Querungshilfen wie z.B. Wildtierbrücken über alle viel befahrenen, breiten Straßen und Schienenwege. Die Vernetzung von Lebensräumen untereinander muss endlich Standard in allen Planungen werden. Eine fachliche Grundlage gibt es ja: den so genannten „Generalwildwegeplan“. An der Stelle wäre eine Planungsbeschleunigung wichtig, das geht nur schleppend voran. Fazit aus dem traurigen Ereignis: Neue Zerschneidungen darf es nicht geben und Maßnahmen zur Wiedervernetzung von Lebensräumen für Tiere sollten schneller vorangetrieben werden“, fordert der BUND-Landesgeschäftsführer.

Hintergrund:

  • Wegen seines kostbaren Pelzes und weil er als Jagdkonkurrent galt, wurde der Luchs in der Vergangenheit stark verfolgt und vor mehr als 200 Jahren in Baden-Württemberg mit Gift, Schlageisen und Gewehr ausgerottet.
  • 1970 begannen erfolgreiche Wiederansiedlungsversuche, etwa in der Schweiz und in Slowenien. Gesicherte Hinweise auf Luchse im Schwarzwald liegen seit 1998 vor.
  • Weil bei Luchsen vor allem die männlichen Kuder wandern und die Luchsweibchen nur relativ kurze Distanzen zurücklegen, ist die Reetablierung einer gesunden Luchspopulation in Baden-Württemberg ohne menschliches Zutun sehr unwahrscheinlich.
  • Aktuell leben sechs Luchse, von denen fünf sesshaft und männlich sind, im Land. Ihre Wahlheimat ist der Südschwarzwald, die Schwäbische Alb und die Bodenseeregion nahe der Schweiz (siehe www.fva-bw.de/monitoring-luchs-wolf).

 


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