Biosphäre im Westentaschenformat

Abenteuerurlaub: Hofgut Hopfenburg, Münsingen

Das Biosphären-Team sucht nach Leitsätzen für das Rahmenkonzept des UNESCO-Gebietes. Fragen, auf die Andreas Hartmaier für sich schon Antworten fand: Sein Projekt Hopfenburg konzentriert das Thema nachhaltige Wirtschaft, ökologisches Bauen, sozial engagiertes Arbeiten und Lebensziele jenseits von nacktem Profit auf einem kleinen Flecken Erde. Ist die Hopfenburg Biosphäre im Kleinformat?

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Kennen Sie Petterson, den knuddeligen Schweden-Opa mit dem findigen Kater? Das Erfolgsgeheimnis der Zeichnungen von Sven Nordqvist ist schlicht die ausgeprägte Liebe für Details. Es ist nichts zu klein, um es nicht doch mit präzisen Pinselstrichen für den aufmerksamen Leser und Betrachter zu skizzieren.

Ebenso selbstvergessen mit einem Hang für den Mikrokosmos hat sich Andreas Hartmaier aufgemacht, eine kleine Welt im Gefüge der Realität der Kleinstadt Münsingen zu erschaffen: die Hopfenburg. Einst ein verlassenes Gehöft, heute ein Urlaubs­paradies. Er hat eigens Original-Tipis von den Blackfoot-Indianern aus Nordamerika importiert und kasachische Jurten per Auto eingeführt. Man glaubt es kaum: Deren fingerdickes Wollvlies lässt das Wetter draußen aber die Träume drinnen. Abends dann vermischen sich die Sehnsüchte des unbekannten Hirtenvolkes aus dem Osten zwischen China und Russland mit dem Duft, den gefilzte Schafwolle verströmt. Auch Zirkuswagen und Schäferkarren stehen auf dem 10 Hektar großen Gelände bereit, das der ehemalige Truppenübungsplatz am Horizont scheinbar begrenzt. Alle diese 30 abenteuerlichen Behausungen bieten überraschend viel Komfort. Eine Küche, Strom, Heizung. Alle Karren, ob für zwei Mann oder sechs Personen, sind mit biologischen Materialien restauriert und isoliert.

Der 53-jährige Architekt nahm für die Konzeption des Campingplatzes kompromisslos die Sicht der Kinder ein. Diese Perspektive beschert den Urlaubern der Hopfenburg, so wie den Lesern der Findus-Geschichten, ein außergewöhnliches Familienerlebnis.

Hartmaiers kleine neue Welt begeistert mittlerweile auch die Einheimischen. So erzählt er von der Buchung eines Wohnmobilisten aus dem vier Kilometer entfernten Böttingen, der sein Urlaubsglück und seine Alb-Heimat durch die Brille der Hopfenburg neu erleben will.

Lebensweisen: Die Geschichte von Naturvölkern atmen – in Tipis oder kasachischen Jurten.

Wer sich diesem Ferienparadies nähert, den empfängt die freundliche Dame an der Rezeption in einem historischen Zirkuswagen (Foto rechts). Danach geht es zu Fuß (klassische Camper ausgenommen) in Richtung autofreies, kinderfreundliches Areal der Zirkuswagen, Schäferkarren und Tipis. Ein Streuobstbaumgürtel, den die 30 hofeigenen Schafe offen halten, rahmt den Platz. Über 500 Bäume wurden für dieses Stück Wohlgefühl gepflanzt. Ein wenig Biosphärengebiet finden die Gäste auch im Hofgut-Lädle – natürlich bestückt mit feinsten Produkten aus der Region. Frischer Kaffeeduft lenkt den Blick in Richtung eines verglasten Scheunentors. Das reichhaltige Frühstücksbuffet wird hier, im bis unter den Giebel ausgebeinten Fachwerk, serviert. Je nach Windrichtung gesellt sich das würzige Aroma des hofeigenen Kräutergartens dazu. 3000 Pflanzen duften um die Wette, künftig werden die Essenzen hier destilliert und weiterverarbeitet.

Überhaupt ist Arbeit ein Schlüsselthema der Hopfenburg. Nein, nicht die zahlreichen Erlebnis-Seminare wie Pfeil-und-Bogenbauen für Papa und Sohn sind gemeint, sondern die Arbeit, die die Hopfenburg als Lebenshilfe für Menschen mit Handicap bietet. Für das Backhaus, die Tierhal­tung, die Hausmeisteraufgaben, die landwirtschaftliche Pflege kooperiert Hartmaier als integratives Modellprojekt mit dem Netzwerk „Lebenshilfe Reutlingen“. So konzentriert die Hopfenburg, anders als Findus und Petterson, nicht nur ein Stück Albnatur im Wes­tentaschenformat, sondern auch reales Leben: Biosphäre eben – gleich Lebensraum.

Arbeitsweisen: Ist Leben nur Arbeit oder ist Arbeit das eigentliche Leben? Für die Beschäftigten der Hopfenburg trifft das Zweite zu. Im krassen Licht des harten Industriealltags erscheint dieses Tourismusprojekt wie ein Traum – eine Trauminsel in einem modellhaften Lebensraum, mitten in der UNESCO-Biosphäre.

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Printausgabe: Sphäre 2/2011, Seite 32-33

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