Nationalparke Mecklenburg-Vorpommern

 Podcast_radio_logo Nationalparkportrait: Zwei Nationalparke in Mecklenburg-Vorpommern

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Zwei deutsche Nationalparke in Mecklenburg-Vorpommern thematisieren Wasserlandschaften. Doch so wie das Salz im Meer und die Reinheit eines kristallklaren Sees kaum unterschiedlicher schmecken können, empfangen auch die beiden Naturräume ihre Gäste an der Ostsee und an der Mecklenburger Seenplatte jeder auf seine ganz ­eigene Art.

Im Osten gibt´s Neues

Zwei deutsche Nationalparke in Mecklenburg-Vorpommern thematisieren Wasserlandschaften. Doch so wie das Salz im Meer und die Reinheit eines kristallklaren Sees kaum unterschiedlicher schmecken können, empfangen auch die beiden Naturräume ihre Gäste an der Ostsee und an der Mecklenburger Seenplatte jeder auf seine ganz ­eigene Art.

Zwanzig Jahre Aufbauarbeit. Die ehemalige DDR aber wird ihren Sorgenkind-Status irgendwie nicht los. Keine Arbeit, Menschen ziehen fort – der Westen bedauert unablässig die Armen im Osten. Dabei sind sie eigentlich reich: reich an Natur, reich an Zusammenhalt.

Deshalb bieten die Ost-Metropolen und Kleinstädte viel Lebensqualität. Gefühlt bisweilen mehr als der straff durchindustriealisierte Südwesten. Weniger ist also mehr? Davon überzeugte sich Sphäre auf seiner Nationalpark-Reise durch das dünnst besiedelte Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern.

Dünenwanderung: Ohne Menschen wären Sandstrände nicht weiß, sondern grasgrün.

71 Menschen teilen sich hier einen Quadratkilometer. Zum Vergleich: Im Bundesschnitt werden auf dieser Fläche 231 Einwohner gezählt. Rund 23185 Quadratkilometer erstreckt sich das flache Land von der faszinierenden Seenplatte bis an die Ostsee. Etwa 1,7 Millionen Menschen siedeln hier. Drei Nationalparke und zwei Biosphärenreservate dokumentieren: Hier gibt´s für die Natur noch viel zu verlieren. Schon früh war sich die Bevölkerung im Osten dieses Schatzes bewusst und kämpfte daher schon zu DDR-Zeiten um dessen Schutz. Zum Vergleich: Im 35000 Quadratkilometer großen Baden-Württemberg leben über 10,7 Millionen Menschen.

Zwei Tage vor der Deutschen Einheit, am 3. Oktober 1990 erblickten die beiden Nationalparke „Vorpommersche Boddenlandschaft“ an der Ostsee und der „Müritz-Nationalpark“ als Teil der Mecklenburgischen Seenplatte formell das Licht der Welt.

Platz an der Sonne: Strandkörbe als Markenzeichen einer etwas raueren Ostseenatur.

Dieselbe Geburtsstunde, ähnliches Thema. Trotzdem besitzen beide Wasserland­schaften Cha­raktere wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Das Kleinod Boddenlandschaft am Meer geht in den Sommermonaten förmlich im Trubel des Ostsee-Bäder-Tourismus unter – nur kleine Kernzonen-Schildchen signalisieren in den sumpfigen Urwäldern hinter den Sandstränden den hohen Schutzstatus. Selbst Baden-Württemberg zelebriert sein Biosphärengebiet auffälliger – auch wenn bislang hauptsächlich für Autofahrer im nüchternen Verkehrsschild-Design. Vorbildhaft dagegen präsentiert die Müritzsee-Region ihr urige Landschaft. Monumentale, mit Bruchholz gerahmte

Monumentale Schilder im Müritz Nationalpark

Tafeln versetzen die Besucher in fast jeder der kleinen Ortschaften in andächtiges Staunen (siehe Foto rechts). Ehrfurchtsvoll geht man hinter den Holztafeln auf Entdeckungsreise ins Land der tausend Seen. Dabei animieren und führen liebevoll mit Sachverstand arrangierte Infozentralen. In Kratzeburg beispielsweise gibt es eine Fledermausausstellung. Dreizehn Arten finden in alten Gemäuern und absterbenden Bäumen des Nationalparks optimale Lebensbedingungen. Die Vogelwelt genießt ebenso paradiesische Zustände. Rund 250 Arten sind nachgewiesen. Wer einen der stolzen Fisch- oder Seeadler sichtet, nimmt ein Prachtstück Wildnis als Erinnerung nach Hause.

So sanft wie die Wellen des Müritzsees an die sumpfigen Ufer plätschern, so angenehm lautlos breitet sich der Tourismus in den Urwäldern dort aus. Stundenlang können Genießer mutterseelen­allein zwischen den Seen durch Moore, vorbei an Schilfufern unter knorrigen Eichen, mächtigen Buchen oder über sandige Magerrasen touren. Bauruinen werden restauriert – Unterkünfte entstehen, Cafés laden ein. Der aufstrebende Tourismus im Land der Alleen weckt Geschäftssinn. In Mecklenburg-Vorpommern sind diese Bäume an über 2500 Alleen-Kilometern nummeriert und durch die Verfassung geschützt. Zum Vergleich: Hierzulande werden selbst im Biosphärengebiet Schwäbische Alb an Straßen grenzende Kernzonen-Hangschluchtwälder bis zu 20 Meter weit hinein abgeholzt. Be­gründung für die hässlichen Einflugschneisen: Die Verkehrssicherheit.

Im Müritzpark springt einen die Einsamkeit an, an der Ostsee muss man sie regelrecht suchen. Sonnenanbeter besetzen den größten Teil der Küstenlinie des Nationalpark Boddenlandschaft. Auch mit einer ausgedehnten Strandwanderung kann man der Teutonen-Grillparty kaum entfliehen. Denn häufig erschließt das im Urwald hinter der Küste angelegte Radwegenetz jeden Zentimeter hellen Strands. Der über 100-jährige Ostsee-Tourismus reduziert die zweifellos idyllischen Dörfer und Hafenplätze zu einer seelenlosen Urlaubskulisse – scheinbar ohne Einheimische, nur zum Zeitvertreib der Gäste inszeniert. Wem allerdings die Flucht ins Hinterland gelingt, darf sich auf eine für uns Süddeutsche ungewöhnliche Tier- und Pflanzenwelt freuen: Bodden, das sind hinter der Küstenlinie vom Meer gespeiste Seen. Die Übergänge von Land und Wasser wirken fließend, Wind und Meer gestalten im Zeit­raffer neue Realitäten. Halbinseln wie „Darß-Zingst“ trennen die Bodden von der Ostsee ab. Diese Flachwasser bieten seltene Lebensräume für 39 marine Fischarten. Diese nährstoffreichen Lagunen gelten als beliebte Rastplätze der Zugvögel. Berühmt sind die Bodden als größter Kranichrastplatz Mitteleuropas. Dort werden jeden Oktober 40 000 bis 60 000 Vögel aus Osteuropa und Skandinavien erwartet.

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Boddenlandschaft: Das Meer trifft den Horizont

Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft: Ein Bad in der auch sommers nur 18 Grad Celsius frischen Ostsee ist Pflicht, wie auch eine Strandwanderung. Vielleicht entdecken Sie dabei unser Fotomotiv: Hier bahnt sich gerade dunkelbrackiges Moorwasser den Weg aus dem Hinterland über den Strand ins Meer. In einem Wassernationalpark sind Fische eine der wichtigsten Tiergruppen. Bedingt durch die vielfältigen Gewässer unterschiedlichster Salzgehalte gibt es viele Fischarten – 39 sind es an der Zahl. In einem so flachen Landstrich wirkt eine Aus­sichtsplattform wahrlich als Magnet. Vom Leuchtturm „Darßer Ort“, dem nördlichsten Zipfel des Nationalparks, blicken Sie aus der Möwenperspektive hinab auf die von hellen Sanddünen begrenzte Wipfelschar des sumpfigen Erlenbruchwaldes. Eine Wanderung durch die Stille des naturnahen Waldes ist empfohlen. Achtung: Massive Stechmücken-Attacken. Im Sommer müssen unbedingt lange Hosen, Mütze und Langarm-Shirt in den Rucksack. Unser Sphäre-Fotograf büßte jeden Fotostopp mit zahlreichen Mückenstichen. Bei gutem Wetter blickt man vom Turm aus bis nach Dänemark oder Rostock. Gönnen Sie sich eine Stippvisite in Rostocks Altstadt und im Hafenviertel. Dort pulsiert das Leben in kulturhistorisch beeindruckender Architektur. Fläche: 786 km2 / Höhe: -10 bis 72 m

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Seenplatte: Leben zwischen Wasser und Land

Müritz Nationalpark: Sanfter Tourismus, wie er im Buche steht. Das mit 53 Einwohnern pro Quadratkilometer einsam besiedelte Schutzgebiet bietet Erholung und Ruhe pur. Wo gibt es das noch: ein See, ein traumhaftes Ufer und kein Mensch, der darin planscht, kreischt, rutscht und paddelt. Dem Land der 1000 Seen setzt der Nationalpark eine Krone auf. Doch auch außerhalb der Parkgrenzen bleibt die Seenplatte beschaulich. Nur 40 Kilometer entfernt lockt das Inselstädtchen Malchow (Foto oben), am nördlichen Rand des Nationalparks bildet die Hafenstadt Waren (Müritz) das Tor zu Wildnis und Natur. Als Sphäre-Geheimtipp jedoch stufte die Redaktion die Stadt Neustrelitz ein. Wie ein

Sternwanderung: Die Weitläufigkeit des Zentrums in Neustrelitz bildet einen bewegenden Kontrast zur Enge der Gassen.

achtzackiger Stern münden alle Altstadtstraßen in einen überdimensionierten Kreisverkehr (Foto rechts). Dort pilgern deutlich weniger Touristen, was das bildhübsche Hafenstädtchen nur noch beschaulicher macht. Sphäre empfiehlt Wanderungen zu den Havelquellseen, eine Kanutour, ein Besuch der Fledermausausstellung in Kratzeburg, in Ankershagen das Museum des Troja-Entdeckers Heinrich Schliemann (Tipp: 300 Meter entfernt serviert Pension & Restaurant Silberschälchen vorzügliche Fischgerichte). Vom Uferdörfchen Boek aus können Sie den 31 Meter hohen Turm auf dem Käflingsberg ansteuern. Fläche: 322 km2 / Höhe: 62 bis 143 m

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Printausgabe: Sphäre 3/2011, Seite 28-31

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Fotogallerie Nationalparke in Mecklenburg-Vorpommern

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