Nationalpark Elba – Toskana

Nationalparkportrait: Elba – letztes Exil der Natur

Elba – das Exil Napoleons. Der französische Feldherr konnte die Schönheit dieser Insel nicht genießen. Darum verließ er sie nach einem Jahr der Verbannung, um in der geschichtsträchtigen Schlacht bei Waterloo endgültig unterzugehen. So begierig Menschen nach Macht streben, so souverän bleibt die Natur am Ende immer Sieger. Wie beispielsweise die exklusive Flora und Fauna auf Elba, die mit unterschiedlichen Klimabedingungen zurechtkommt.

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Letztes Exil der Natur

Elba – das Exil Napoleons. Der französische Feldherr konnte die Schönheit dieser Insel nicht genießen. Darum verließ er sie nach einem Jahr der Verbannung, um in der geschichtsträchtigen Schlacht bei Waterloo endgültig unterzugehen. So begierig Menschen nach Macht streben, so souverän bleibt die Natur am Ende immer Sieger. Wie beispielsweise die exklusive Flora und Fauna auf Elba, die mit unterschiedlichen Klimabedingungen zurechtkommt.

Es schieben sich Wolkenfetzen über die schroffen Felsrücken des Monte Capanne (Foto rechts). Ein schweres Sturmtief peitscht die feuchtschwere Meeresluft den Berg hinauf. Wolken bilden sich, tiefschwarz wie die Nacht. Und dennoch: Es regnet nicht, keinen Tropfen – zumindest nicht hier im Hafen von Marciana Marina, am Fuße des 1018 Meter hohen Elba-Massivs.

Doch nur zwei Kilometer Luftlinie südlich den Berg hinauf, hinter Poggio ergießt sich der Himmel in den mächtigen Kastanien-Wald. Der Sturm zerreißt die handtellergroßen, herbstbraun gefärbten Blätter, der Wind wirbelt sie über die feuchte Erde. Es ist Anfang November, trotz des fürchterlichen Wetters bleibt es angenehm warm.

Bei 20 Grad Celsius Lufttemperatur kann diese Unwetterkulisse den Naturabenteurer nicht erschrecken – im Gegenteil. Wer zur gleichen Zeit die karge Südseite der Insel von Pomonte erklimmt, kommt  um diese Jahreszeit sogar ins Schwitzen. Der Gewitterwanderer genießt die fast tropisch dampfende Macchia, die sich den Lebensraum auf der Nordseite Elbas mit den Kastanienwäldern teilt. Heiße Maroni? Der Rucksack ist schon prallvoll und auch das Tütchen mit den leckeren orangeroten Früchten des Erdbeerbaums droht zu platzen (Foto links).

Die immergrünen Gebüschformationen der Macchia beherrschen Elbas Landschaftsbild (Foto rechts). Die typische Mittelmeervegetation ist auch hier entstanden, weil der Mensch die für diesen Landstrich bestimmenden Eichenwälder rigoros abholzte.

Bevor der Urlauber Napoleons Exil entdeckte, verdienten die Insulaner ihren Lebensunterhalt mit dem Bergbau. Schon die Etrusker buddelten sich vor knapp 3000 Jahren in Elbas Erd­innere, und bargen das Eisenerz. In der Folge verschlang die energiehungrige Eisenproduktion Elbas Eichen als Holzkohle oder Bauholz in den Bergwerken (Ausflugstipp: Ostküste, Rio Marina: Das Museo Minerali zeigt über 170 Mineralienarten).

Napoleon weilte ab März 1815 zehn Monate im Exil auf der vom Festland nur zehn Kilometer entfernten Insel. Manche Tierarten aber schafften den Sprung nie zurück zu ihrer angestammten Population. Gemeint sind die Endemiten. Der unter Biologen geläufige Ausdruck beschreibt Tiere und Pflanzen, die nur in einer bestimmten, räumlich klar abgegrenzten Umgebung vorkommen. Auch Elba beherbergt solche Unikate, die wie die berühmten Darwinfinken auf den Galapagosinseln echte Raritäten sind. Durch die klimatische und geographische Abgrenzung Elbas haben sich hier Pflanzen und Tiere an diese speziellen Bedingungen angepasst und weiterentwickelt. Beispiele solcher Endemiten sind: Zitronenzeisig, Alpenbraunelle, Knarre, Sardischer Scheibenzüngler und Blattfinger­­­­­­ge­ckos.  Weit verbreitet sind der Mar­­der und der Wildhase. Da das Maremma-Wildschwein Anfang des 19. Jahr­hunderts ausstarb, führten die Italiener vor 30 Jahren das Mitteleuropäische Wildschwein ein, das sich mit dem Hausschwein kreuzte. Diese Spezies vermehrte sich prächtig und bedroht nun Flora und Ackerland.

Es hat aufgehört zu regnen, die Wolkenkrone auf dem stolzen Tausender leuchtet nun rosa. Die Sonne versinkt am Horizont hinter Korsikas schmaler Silhouette. Das alles gehörte einmal zusammen. Vom Italienischen Stiefel aus spannten sich Landbrücken über die Nationalparkinseln bis zu den sardisch-korsischen Ei­ländern. Die spätere Isolierung aber wollten selbst Seevögel nicht überwinden. Anders als Bonaparte blieb die in Italien sehr seltene Korallenmöwe, eine ende­mische Vogelart des Mittelmeerraumes, ihrer Inselheimat treu.

Doch was wäre eine Insel ohne ihr Wasser? Im Falle des Nationalpark Toskanisches Archipel wird die Bedeutung in höhere ethische Sphären erhoben. Nach der Gründung einiger Reservate im Toskanischen Archipel gilt dieser Naturraum als das größte Meeresschutzgebiet Europas: Wertvolle Biodiversität an den Küstenlinien und Meeresböden zeichnet auch Elba aus. Die  Strän­de bis zu den Felsenklippen beher­bergen eine atemberaubende Vielfalt an Meerestieren und -pflanzen. Gelegentlich haben Fischer gar die Mittelmeer-Mönchsrobbe gesichtet, und bisweilen Walfische.

Der Wanderer senkt seinen Fotoapparat: Der Bilderbuch-Sonnenuntergang ist auf Mikrochip gebannt. Immer noch zeigt das Thermometer 20 Grad Celsius, auf der Schwäbischen Alb schneit es gerade. Er zieht die Badehose an und lässt den Tag seines Urlaubsexils mit beherzten Schwimmzügen ausklingen.

Diashow Nationalpark Elba – Toskanisches Archipel

Übersichtskarte

Wanderparadies: In jeder Richtung traumhaft schön

Nationalpark Toscanisches Archipel: Dieses faszinierende Großschutzgebiet umfasst mit Elba sieben Inseln, darunter auch Giglio, das im Januar wegen des verunglückten Luxusdampfers in die Schlagzeilen geriet (Foto unten). Das Naturschutzgebiet schließt 17887 Hektar Inselfestland ein und 56776 Hektar Meer. Zum Vergleich: Das UNESCO Biosphärenreservat Schwäbische Alb dehnt sich auf 77623 Hektar aus. 

Das Kleinod Elba ist mit 224 Quadratkilometern die größte und mit dem gewaltigen 1018 Meter hohen Monte Capanne die höchste Insel des Naturparks. 147 Kilometer Küstenlinie laden ein zum Wandern, Baden und Einsamkeit entdecken – gerade Ende Oktober. Die seltene Korallenmöve benötigt als professioneller Segelkünstler nur wenige Flügelschläge, um Elbas 27 Kilometer Luftlinie von West nach Ost zu bereisen. Von Nord nach Süd sind es gar nur 18 Kilometer. Doch die haben es landschaftlich in sich. Wanderern bietet Elba ein sagenhaftes Netz an Singletrails von denen jeder es wert ist, unter die Schuhe zu kommen. Totale Ruhe, Einsamkeit, exotische Gerüche und ein von den Reflektionen des überall gegenwärtigen Meeres verzaubertes Tageslicht ergreifen die Sinne. Wer dann seinen Gaumen in den Dörfern und Hafenstädtchen von den Gastronomen dieser 35000 Einwohner-Insel verwöhnen lässt, will nicht mehr heim. Am liebsten möchte man ins Exil, nicht wie Napoleon (Foto rechts), eher wie die Korallenmöve, die als seltene endemische Tierart Elba mit jedem Flügelschlag genießt.

Fläche: 224 km2 / Höhe: 0 bis 1018 m

Gigantismus: Mensch bringt Mensch und Natur in Gefahr. Elbas Nachbar- und Nationalparkinsel Giglio fürchtet die Ölpest als Folge der Havarie des Luxusdampfers Costa Concordia. Mit einer Oberfläche von 2120 Hektar ist die Insel Giglio die zweitgrößte Insel nach der Insel Elba.

CC-Fotolizenz: Roberto Vongher, it

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Printausgabe: Sphäre 1/2012, Seite 16-19

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